Trotz sinkender Antibiotikaverordnungen sehen Ärzte und Kassen Aufklärungsbedarf

Trotz sinkender Antibiotikaverordnungen sehen Ärzte und Krankenkassen weiter großen Aufklärungsbedarf. Bei Atemwegsinfekten würden nach wie vor zu häufig Antibiotika verordnet, erklärte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, am Montag in Berlin anlässlich des europäischen Antibiotikatags und der weltweiten Antibiotikawoche. In den meisten Fällen sei die Einnahme eines Antibiotikums unnötig. "Rund 90 Prozent der Atemwegsinfekte werden durch Viren ausgelöst, aber Antibiotika wirken nur gegen Bakterien", betonte Elsner.

Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) ging die Zahl der Antibiotikaverordnungen in den vergangenen Jahren deutlich zurück. Während 2010 durch niedergelassene Ärzte noch 562 Verordnungen pro tausend Versicherten ausgestellt wurden, waren es 2018 nur noch 446. KBV-Vizechef Stephan Hofmeister nannte diesen Trend "erfreulich". Aufklärungsarbeit bleibe aber ein wichtiges Thema.

Die große Mehrheit der Erkältungsinfekte mit Symptomen wie Schnupfen oder Husten werden durch Viren hervorgerufen. Antibiotika helfen aber nur gegen Bakterien. Durch den falschen Einsatz dieser Arzneimittel können multiresistente Keime entstehen, gegen die Antibiotika nicht mehr wirken. Deshalb gibt es auch in Deutschland seit Jahren Bemühungen, den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren.

Auf der anderen Seite ziehen sich Pharmaunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen zunehmend aus der Antibiotikaforschung zurück. Die Entwicklung eines neuen Antibiotikums kostet mehrere hundert Millionen Euro. Bei einer erfolgreichen Zulassung des Mittels kommen die Ausgaben für Herstellung, Vertrieb und Vermarktung hinzu.

Nach Angaben des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) sank die Zahl der Antibiotikahrsteller in den vergangenen zehn Jahren um 28 Prozent. Weltweit seien in den vergangenen Jahrzehnten nur wenige Antibiotika aus neuen Wirkstoffklassen entwickelt und zugelassen worden. Das liege unter anderem "an hohen Entwicklungskosten und zu geringen Erträgen, weil innovative Antibiotika meist nur als Reserve zum Einsatz kommen".

Der Lobbyverband forderte mehr wirtschaftliche Anreize und eine Aufweichung der Regelungen zu Festbeträgen und Rabattverträgen. Nötig sei Differenzierung der Festbeträge, die bisher "für Antibiotika in einem erschreckend niedrigen Bereich liegen". Zudem drückten Rabattverträge mit den Kassen die Preise für Antibiotika derart, dass Hersteller ihre Wirkstoffe entweder in kostengünstigen Ländern produzieren lassen oder ihre Produkte gar nicht mehr anbieten können, erklärte der BAH.