Bertelsmann-Stiftung kritisiert unnötige medizinische Diagnosen und Behandlungen

Von Ärzten wird in Deutschland nach Auffassung der Bertelsmann-Stiftung mitunter unnötig häufig operiert. In einer am Dienstag in Gütersloh veröffentlichten Publikation verwies die Stiftung unter anderem auf Ergebnisse der Untersuchung des Berliner Iges-Instituts, wonach jährlich rund 70.000 Schilddrüsenoperationen erfolgten. Dabei lägen in 90 Prozent der Fälle keine bösartigen Veränderungen vor.

Bei Medikamenten würden insbesondere Magensäureblocker zu oft verordnet. Die Stiftung verwies auf Erkenntnisse von Experten, wonach bis zu 70 Prozent der Verordnungen ohne korrekte Indikation erfolgten. Sie empfahl den Ansatz von "Choose Wisely" als Gegenmittel. Dabei handelt sich ihren Angaben zufolge um eine in den USA und Kanada entstandene Ärztebewegung. Diese benennt Leistungen, die zum Wohl der Patienten überdacht oder sogar unterlassen werden sollten.

Insgesamt habe das Problem der Überversorgung allerdings komplexe Ursachen, betonte die Stiftung. So gebe es auch bei Patienten "Denk- und Verhaltensmuster", die diese beförderten. Tiefeninterviews des Rheingold-Instituts zeigten, dass Patienten oft unbewusst selbst unnötige Behandlungen einforderten. In einer Umfrage hätten 56 Prozent betont, jede Therapie sei besser als abzuwarten.

Auch die Rahmenbedingungen des Gesundheitssystems zählten zu den Treibern von Überversorgung. Dazu zählten etwa das "Nebeneinander von ambulanter und stationärer Versorgung" sowie die Art der Vergütung und Ausbildung von Medizinern in Deutschland, hieß es in der Publikation weiter. Die Stiftung sprach sich für ein breites "Maßnahmenbündel" aus, um dem Phänomen entgegenzuwirken. Dabei seien alle Akteure im Gesundheitssystem sowie die Politik gefragt.