Klöckner will mehr Lebensmittel vor dem Müll retten

Dank intelligenter Verpackungen und mehr Verantwortungsbewusstsein bei Unternehmen und Verbrauchern soll in Deutschland künftig weniger Essen in der Tonne landen. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) stellte am Mittwoch ein Maßnahmenbündel vor, mit dem die Verschwendung von Lebensmitteln eingedämmt werden soll. Während Umweltverbände die Pläne als unzureichend kritisierten und schärfere Vorgaben forderten, warnte die Lebensmittelwirtschaft, intelligente Verpackungen könnten sogar kontraproduktiv sein.

Klöckner zufolge werden allein in Deutschland jedes Jahr elf Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, für deren Produktion zuvor Böden beansprucht und Wasser und Energie benötigt wurden. Dies sei eine Menge, "die zwei Mal den Bodensee füllen könnte". Zugleich hungerten weltweit mehr als 800 Millionen Menschen. "Ökologisch, ökonomisch wie ethisch muss es daher Verpflichtung sein, in allen Bereichen der Versorgungskette diese Zahl deutlich zu reduzieren", sagte die CDU-Politikerin.

Bis zum Jahr 2030 will Klöckner die Lebensmittelabfälle - wie in den UN-Nachhaltigkeitszielen vorgesehen - nun halbieren. In ihrer Nationalen Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschloss, sind dafür unter anderem Millioneninvestitionen in die Forschung an intelligenten Verpackungen vorgesehen. Diese sollen anzeigen, ob Nahrungsmittel noch genießbar sind, etwa über einen Farbverlauf.

Außerdem appellierte Klöckner an Unternehmen und Verbraucher, Lebensmittelabfälle zu minimieren. "Jeder von uns muss sich bewusst sein, dass sein Verhalten Auswirkungen nicht nur für sich selbst hat", sagte sie. Gerade im Alltag müssen wir wieder lernen, unseren eigenen Sinnen zu vertrauen: Schauen, riechen, schmecken - das hilft festzustellen, ob ein Lebensmittel noch genießbar ist."

Kritik an Klöckners Strategie kam von Umweltverbänden. Ein Paket aus rein freiwilligen Maßnahmen reiche nicht aus, kritisierte BUND-Agrarexpertin Katrin Wenz. Nötig sei ein Gesetz gegen Lebensmittel-Verschwendung, das die gesamte Produktionskette - inklusive der Landwirtschaft - in den Blick nehme. "Nur mit einem solchen Paket werden die Ursachen der Ressourcenverschwendung im Lebensmittelbereich wirklich bekämpft", mahnte Wenz.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Verein Foodsharing kritisierten, Klöckners Strategie greife zu kurz und setze allein auf das Wohlwollen von Unternehmen. Foodsharing forderte, die Weitergabe überschüssiger Lebensmittel besser rechtlich abzusichern.

Linken-Chefin Katja Kipping forderte ein "Anti-Wegwerf-Gesetz". Nötig sei ein Verbot für große Supermärkte und Ladenketten, unverkaufte Nahrungsmittel absichtlich ungenießbar zu machen und stattdessen die Verpflichtung, Lebensmittel, die sich ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum nähern oder - wie etwa leicht beschädigtes Gemüse - gemeinnützigen Organisationen frei zur Verfügung zu stellen.

"Menschen, die aus finanziellen oder ethischen Gründen in den Abfällen von Supermärkten entsorgte frische Lebensmittel 'containern', werden in Deutschland - anders als in den USA - immer noch kriminalisiert", kritisierte Kipping. "Wir fordern einen legalen Zugang zu weggeworfenen und dennoch genießbaren Lebensmitteln."

Die Grünen-Verbraucherexpertin Renate Künast bezeichnete Klöckners Strategie als "mutlos". Erneut setze die Ministerin lediglich auf "Freiwilligkeit und Runde Tische, statt auf Verbindlichkeit", sagte sie AFP.

Der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft BLL warnte indes, dass intelligente Verpackungen vor dem Hintergrund der Lebensmittelsicherheit zwar sinnvoll, in punkto Lebensmittelsverlust aber sogar kontraproduktiv sein könnten. "Wir gehen davon aus, dass jede auch nur geringfügige Abweichung von der optimalen Signalfarbe dazu führen dürfte, dass diese Produkte vom Verbraucher gemieden und nicht mehr abverkauft werden können", erklärte der stellvertretende BLL-Hauptgeschäftsführer Marcus Girnau.

Deshalb befürworte der BLL nach wie vor das Mindesthaltbarkeitsdatum. Dabei sei eine "stetige Aufklärung" über die Bedeutung dieses Datums und dessen Einschätzung bei Verbrauchern und Unternehmen sinnvoll.