Der Einfluss von Fake News auf die Bundestagswahl

Zwischen Lüge und Wahrheit

Die Bundestagswahl ist in Sichtweite, die Parteien befinden sich im Wahlkampf-Modus. Es ist eine wichtige Wahl. Eine, die den politischen Kurs Deutschlands für die nächsten vier Jahre bestimmen wird. Doch so mancher blickt besorgt auf die nächsten Monate. Nachdem im Zuge der US-Präsidenten-Wahl immer wieder der Einfluss von Fake News zur Sprache gekommen ist, befürchten auch in Deutschland Politiker, dass Bürger durch gezielte Falschmeldungen bei der Abstimmung manipuliert werden könnten. Aber was genau sind Fake News überhaupt? Wie groß ist die Gefahr der Beeinflussung tatsächlich? Und was kann gegen deren Verbreitung getan werden?

Wir haben heute die Möglichkeit, rund um die Uhr mit Informationen bedient zu werden. Egal wann, egal wo – von Facebook über YouTube bis hin zur klassischen Tageszeitung sind wir täglich mit Meldungen aus aller Welt konfrontiert. Doch entspricht alles, was dort zu sehen ist, tatsächlich der Wahrheit? Die Antwort darauf kennen wir. Nein. Ein Großteil von uns wird sich allerdings durchaus zutrauen, eine „seriöse“ Informationsquelle von einer „unseriösen“ zu unterscheiden. Doch nicht jede Nachricht kann auf den ersten Blick als Lüge oder Halbwahrheit enttarnt werden. In Hinblick auf die Debatte um sogenannte „Fake News“, also absichtlich verbreitete Falschmeldungen, ist klar geworden, dass wir uns gerade beim Surfen im Internet weiterhin die Frage stellen müssen, welchen Quellen wir trauen können – und welchen eben nicht. Was ist wahr? Was ist falsch?

Bundeskanzlerin Merkel als Geisteskranke – das beliebteste Fake-Video 2016

Tatsächlich stamme jeder zweite der zehn populärsten Nachrichten-Links bei Facebook von Webseiten, die Fake-Meldungen oder Rechtspopulismus verbreiteten. Mit fast 1,3 Millionen Aufrufen wäre im vergangen Jahr ein Video des rechtspopulistischen Senders „Rebel News“ aus Kanada, in dem die Bundeskanzlerin Angela Merkel als geisteskrank dargestellt wird, die beliebteste Falschnachricht gewesen, so Johannes Hillije in der „ZEIT ONLINE“. Er berät Politiker und Parteien im Umgang mit falschen Nachrichten.
Die Verbreitung solcher Berichte folgt jedoch nicht immer nur politischen Motiven. So möchten einige beispielweise möglichst viele Nutzer auf ihre Seiten locken, um durch Werbeinnahmen hohe Gewinne zu verbuchen. Charakteristisch für Fake News ist aber, dass sich hier nicht einfach Fehler in puncto Recherche einschleichen. Vielmehr werden absichtlich und gezielt falsche Informationen verbreitet. Gerade in Form von Verschwörungs- oder Enthüllungsnachrichten werben sie hartnäckig und standhaft gegen jeden Widerspruch um die Aufmerksamkeit der User. Zusätzlich werden oft Social Bots eingesetzt, welche automatisch auf Posts antworten, um die eigenen Interessen überzeugend darzustellen. Bei Twitter erstellt man zu diesem Zwecke realistisch wirkende Accounts mit Profilbildern.
Sowohl Social Bots als auch absichtlich gestreute Falschmeldungen werden von den Parteien mit Sorge betrachtet. Denn wenn sich in unseren Medien Lügen ausbreiten, kann dies das Vertrauen der Menschen zum Staat gefährden. Der Bundeswahlleiter Dieter Sarreither fürchtet, dass es insbesondere mit Blick auf die bevorstehende Wahl Versuche geben werde, die Bürger durch Fake News zu beeinflussen. Weiterhin sei vorstellbar, dass der Ablauf am 24. September, dem Wahltag, gestört werden könnte. Etwa wenn gemeldet würde, dass bestimmte Wahllokale geschlossen seien. Auf solche Entwicklungen müsse man vorbereitet sein und dabei auch auf die sozialen Medien setzen. Innerhalb der Parteien sind bereits „Rapid Response Teams“ gegründet worden, welche die Diskussion in den sozialen Netzwerken beobachten und gegebenenfalls mit eigenen Posts schnell darauf reagieren sollen.
Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz fordert dagegen, die Online-Plattformen in die Verantwortung zu nehmen. Facebook, Twitter und Co. sollten demnach gesetzlich dazu verpflichtet werden, der Verbreitung gefälschter Informationen entgegenzuwirken. Am 5. April hat das Kabinett einen Gesetzesentwurf von Justizminister Heiko Maas beschlossen, nach welchem Fake News und Hasskommentare von den Seitenbetreibern gelöscht werden müssen. Werden strafbare Inhalte nicht schnell genug entfernt, drohen hohe Bußgelder.

Gefährdet das Verbot von Falschmeldungen die Meinungsfreiheit?

Die FDP sprach sich zuvor gegen solche Maßnahmen aus. „Die Verbreitung von Fake News lässt sich nicht mit Gesetzen stoppen“, beanstandete der Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki gegenüber dem „Berliner Tagesspiegel“. Dabei bezog sich seine Kritik besonders auf die Gespräche über die Einrichtung eines „Abwehrzentrums gegen Desinformation“. Ein solches „Wahrheitsministerium“ würde Deutschland nicht brauchen, so Kubicki. Und in der Tat könnte eine derartige Institution den Eindruck erwecken, die Regierung allein habe den Anspruch zu bestimmen, was wahr ist und was falsch. Dies erinnert auf beunruhigende Weise an George Orwells Roman „1984“. Um eine solche totalitäre Stellung zu vermeiden, muss bei einer möglichen Ausgestaltung des Zentrums die Meinungsfreiheit gewahrt bleiben.
Es liegt allerdings nicht nur in den Händen der Politik, gegen Fake News vorzugehen. Auch die Medien beteiligen sich an der Bekämpfung von Falschmeldungen und Desinformation. Allein mit Gesetzen sei dieser Kampf nicht zu gewinnen. So hat die ARD mit einem „faktenfinder“ auf die Debatte reagiert. Dabei soll aktiv nach Falschmeldungen gesucht und eine Überprüfung vorgenommen werden. Man möchte sie beobachten und – wenn es relevant und sinnvoll erscheint – kann auch eingegriffen werden. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Oft ist es gerade das Ziel der Verbreiter solcher Nachrichten, dass diese von seriösen Medien aufgegriffen werden, um größere Aufmerksamkeit dafür zu erreichen, weshalb ein Eingreifen gut abgewägt werden muss. Dennoch erhofft sich die ARD hiermit einen Erfolg im Umgang mit absichtlich in die Welt gesetzten Lügen.
Doch die Verantwortung liegt auch bei uns. Damit sich Falschmeldungen erst gar nicht verbreiten und Schaden anrichten können, sollten wir – gerade im Netz – sensibler für mögliche Falschinformationen sein. Nicht alles bedingungslos zu glauben, sich nicht zu stark von anderen beeinflussen zu lassen, auch mal selbst nachforschen – das sind Lehren, die wir aus der Diskussion um Fake News ziehen sollten. Denn nicht alles, was wir den Medien entnehmen, ist falsch. Aber es ist auch nicht alles wahr.
|Text: Annika Harzmann