Glyphosat: Vom Wundermittel zur potentiellen Gefahr

Wie gefährlich ist Glyphosat wirklich?

Glyphosat - das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel. Doch wie gefährlich ist das sogenannte Totalherbizid wirklich? Die zuständige Stelle der Bundesregierung - das Bundeslandwirtschaftsministerium - hat im Winter erneut ein Pflanzenschutzmittel zugelassen, das Glyphosat enthält. Kann die Landwirtschaft überhaupt auf diesen Helfer verzichten? Und was sagt die Politik dazu?

Was ist Glyphosat? 

Das ehemals als Wundermittel angepriesene Glyphosat ist ein geruchloses, wasserlösliches Unkrautvernichtungsmittel mit hohem Wirkungsgrad und das meistverkaufte Herbizid der Welt. Es handelt sich um ein Breitband- bzw. Totalherbizid. Das bedeutet, dass es alle damit behandelten Pflanzen vernichtet, mit der Ausnahme von genetisch veränderten Pflanzen, die resistent gegen Glyphosat sind. Pflanzen nehmen das Gift über die Blätter auf, das Glyphosat gelangt in den Organismus der Pflanze und verhindert dort die Produktion von lebensnotwendigen Aminosäuren. Der Effekt? Die Pflanze stirbt ab. Die bekannteste Vertriebsmarke ist „Roundup“, die in den 70er Jahren auf den Markt gebracht wurde und ein Produkt des Unternehmens Monsanto war. Zwischenzeitlich, im Jahr 2017, wurde „Roundup“ vom Bayer-Konzern übernommen. Nach wie vor werden mit dem Herbizid hohe Gewinne erzielt, doch nicht nur durch Bayer. Da das Patent von Monsanto im Jahr 2000 ablief, vertreiben auch andere Unternehmen mittlerweile Glyphosat.

Auch in Deutschland ist das Totalherbizid das am häufigsten eingesetzte Pflanzengift und kommt auf ungefähr einem Drittel der Ackerflächen zum Einsatz.  Besonders häufig wird Glyphosat beim Anbau von Getreide, Mais, Zuckerrüben, Raps und Kartoffel eingesetzt. In Deutschland kommt es vor der Aussaat auf das Feld, damit die gesäten Nutzpflanzen nicht gefährdet werden- eine genetische Veränderung des Saatguts ist damit überflüssig. Eine Anwendung vor der Ernte ist nur in Ausnahmefällen gestattet und ist mit Auflagen verbunden.

Folgen für die Natur und den Menschen

Eingesetzt wird das Unkrautvernichtungsmittel sowohl im Gartenbau, in der Landwirtschaft und Industrie, aber auch von Privathaushalten. Durch die nicht selektive Wirkung liegen die Folgen auf der Hand – das Glyphosat gelangt in die Umwelt und schadet der Flora durch Vernichtung von Wildpflanzen maßgeblich. Dies hat wiederum auch Auswirkungen auf die Tierwelt - je weniger Wildpflanzen vorhanden sind, umso weniger Lebensraum gibt es für Insekten, die die Hauptnahrungsquelle für viele Vögel darstellen. Glyphosat wird daher auch verdächtigt, mitverantwortlich für das Bienensterben zu sein.

Das Bundesamt für Naturschutz bestätigt die schädlichen Auswirkungen auf die Fauna und Flora in einer Stellungnahme vom Januar 2018 über die Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität und verweist u.a. auf eine US-amerikanische Studie, die nachweist, dass die Population von Monarchfaltern im Anbaugebiet von glyphosatresistenten Pflanzen zurückgegangen ist. Folglich ist durch den Einsatz des Pflanzengiftes die Pflanzen- und Tierwelt geschädigt worden, was auch anderorts durch Glyphosat geschieht. Viele Vögel, die in Agrargebieten heimisch sind, stehen bereits auf der Liste der bedrohten Arten. Weitere Studien, die in derselben Stellungnahme genannt werden, belegen diese Ketteneffekte - durch den Einsatz von Glyphosat ist ein starker Rückgang der Wildpflanzen und der Insektenpopulation zu verzeichnen, wodurch auch die Population vieler Vögel zurückgeht. Auch andere Pflanzenschutzmittel lösen diese Kettenwirkungen aus, unter Einsatz von Glyphosat ist der Effekt jedoch stärker zu beobachten. Dies wird durch die Eigenschaft des umstrittenen Mittels Mineralien zu binden verstärkt, wie ein vom Bundesamt für Naturschutz beauftragtes Gutachten aus dem Jahr 2018 vermuten lässt. 

Laut dem Konzern Bayer ist Glyphosat als sicher einzustufen. Verschiedenste Studien lassen an dieser Aussage jedoch Zweifel entstehen. Das Pflanzengift soll laut Hersteller nicht in den Boden gelangen können und gefährde somit nicht das Grundwasser. Jedoch gibt es zahlreiche Verbote des Einsatzes in der Nähe von Wasserschutzgebieten, da Glyphosat durchaus über den Grund auch ins Wasser gelangen kann. Auch wenn dieses laut Hersteller schnell abbaubar ist, können geringe Mengen des Herbizids ins Grundwasser gelangen und damit auch in den menschlichen Körper. Laut der Weltgesundheitsorganisation sind die nachgewiesenen Mengen von Glyphosat im Trinkwasser unbedenklich – vermutlich da es meist gut vom Bodenabsorbiert wird und somit selten im Wasser nachweisbar ist. In Europa wurden nur ca. ein Prozent der Wasserproben mit einer Grenzwertüberschreitung von über 0,1 µg/l festgestellt. Bedenklich gilt laut EU eine Aufnahme von 0,5 mg je kg Körpergewicht, bei dauerhafter Einnahme gilt 0,1 mg je kg Körpergewicht täglich als toxisch. Im menschlichen Körper konnten Glyphosat immer wieder in geringen Mengen nachgewiesen werden, auch bei Probanden, die keinen direkten Kontakt mit dem Herbizid hatten. 

Glyphosat steht außerdem seit längerem in Verdacht krebserregend zu sein, was früher abgestritten wurde. Durch zahlreiche Studien wurde versucht, die Verbindung zwischen dem Unkrautvernichter und Krebs zu widerlegen. Nach einer Studie der Krebsagentur IARC aus dem Jahr 2015 der WHO (Weltgesundheitsorganisation), wurde Glyphosat jedoch als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Trotzdem liegen widersprüchliche Untersuchungsergebnisse unterschiedlicher Studien vor. Viele Institutionen, u.a. die Europäische Chemikalienagentur (ECHA), das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), die US-amerikanische Umweltbehörde (EPA) und die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) kommen zu dem Ergebnis, dass Glyphosat nicht krebserregend sei. In Südamerika, wo das Mittel in großen Massen eingesetzt wird, steigen die Krebsraten - ein direkter Zusammenhang wurde klinisch jedoch nicht bewiesen. Mit Sicherheit kann nach aktuellem Stand nicht ausgesagt werden, ob das Produkt krebserregend ist oder nicht. Doch für schwangere Frauen und ihre ungeborenen Kinder kann Glyphosat eine Gefahr darstellen, u.a. kann das Pflanzengift das Hormonsystem beeinflussen und steht im Verdacht Embryonen zu schädigen. 

Glyphosat ist kein natürliches, sondern ein chemisch hergestelltes Mittel, das im menschlichen Körper nichts verloren hat, selbst wenn geringe Mengen unbedenklich sein sollen. Das Pflanzengift wurde über Jahrzehnte als Wundermittel in der Unkrautbekämpfung gefeiert, die Frage nach den Folgen für Mensch, Tier und Umwelt wurde lange nicht gestellt. Nun sprechen sich viele für ein Verbot des Mittels aus, der Bayerkonzern hat über 11.000 Klagen gegen die Tochter Monsanto in den USA wegen seiner angeblich krebserregenden Wirkung vorliegen, der erste weitreichende Prozess begann im Februar dieses Jahres. 

Wie sieht die Politik den Streit um Glyphosat?

Weltweit ist Glyphosat nach und nach in Verruf geraten, nicht nur aufgrund der möglichen Gesundheitsgefahren, sondern auch aufgrund der nicht abstreitbaren Auswirkungen für die Umwelt. Die Politik ist gezwungen endlich zu handeln. In Deutschland wird bereits seit Jahren über die Anwendung des Pflanzengiftes debattiert. Die Europäische Union genehmigte im November 2017 erneut den Einsatz von Glyphosat, in Deutschland sind derzeit 105 Herbizide mit Glyphosat zugelassen. Die Anwendung ist maximal zwei Mal im Zeitraum vom 90 Tagen auf derselben Ackerfläche zugelassen, sogenannte Spätanwendungen (nach der Aussaat) sind seit 2014 nur noch auf Getreideäckern erlaubt, bei welchen durch unregelmäßiges Wachstum das Ernten maßgeblich erschwert ist. 

Im März dieses Jahres wurden 18 Pflanzschutzmittel durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zugelassen, u.a. eines mit Glyphosat. Langfristig hatte sich die Bundesregierung 2018 jedoch geeinigt „mit einer systematischen Minderungsstrategie den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einzuschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden.“ Die Zulassung eines weiteren Mittels schlägt folglich große Wellen. Ein Verbot, wie es sich viele Umweltschutzaktivisten wünschen, würde die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Svenja Schulze gerne ab 2023 erreichen. 

Problematisch an einem Verbot von Glyphosat ist, dass die Landwirtschaft aller Voraussicht nach auf andere Pflanzenschutzmittel zurückgreifen würde, die nicht zwangsläufig bessere Auswirkungen für die Umwelt bedeuten würden, eher im Gegenteil. Dies befürchten auch viele Experten, weshalb ein Verbot nach wie vor strittig bleibt. Ökologisch verträgliche Alternative sind mit hohen Kosten verbunden, was die Landwirtschaft nicht tragen kann bzw. will. Bei einem Verbot von Glyphosat müssten folglich biologisch abbaubare und/oder technische Alternativen gefördert werden, um den verstärkten Einsatz von chemischen Alternativen des ehemaligen Wundermittels Glyphosat zu verhindern.