Opfer sexueller Gewalt in Kolumbien dürfen Anschuldigungen öffentlich machen

Die Opfer von sexuellem Missbrauch in Kolumbien dürfen laut einem Gerichtsentscheid Anschuldigungen gegen die mutmaßlichen Täter in den Online-Netzwerken veröffentlichen. Das kolumbianische Verfassungsgericht urteilte am Freitag über dutzende Beiträge unter dem Hashtag #acosadorsexual (sexueller Angreifer) bei Facebook und weiteren Online-Plattformen. Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer hatten dort Fotos ihrer mutmaßlichen Angreifer veröffentlicht.

Die Richter befanden, dass der Schaden, den ein mutmaßlicher Angreifer durch die Veröffentlichung "möglicherweise erleidet", geringer sei als jener, "den ein Opfer erleidet, wenn es aus Angst, wegen des Beitrags verklagt zu werden, schweigt". Geklagt hatte ein Mann, der von seiner Partnerin im Netz des Missbrauchs beschuldigt worden war.

In einem Facebook-Beitrag schilderte die junge Frau, dass ihr Partner einen "Zustand der Schwäche" ausgenutzt habe, in dem sie sich nach dem Konsum von Alkohol und "anderen psychoaktiven Substanzen" befunden habe. Der Vorfall habe ihre psychische Gesundheit belastet und sie habe aus Angst zunächst gezögert, ihn zu melden. Der Beitrag war mehr als 200 Mal geteilt worden.

Der Partner, der die Vorwürfe abstreitet und von einer "einvernehmlichen" Begegnung spricht, hatte vor Gericht die Löschung des Beitrags und eine öffentliche Entschuldigung gefordert. Das Gericht wies seine Klage jedoch ab und erklärte, dass "Opfer von Verbrechen das Recht haben, die Ereignisse, die sie erlitten haben, frei und öffentlich anzuprangern".

Im Jahr 2020 haben sich mehr als 18.000 Menschen, darunter fast 15.500 Frauen, wegen mutmaßlicher Fälle von sexuellem Missbrauch an die medizinische Untersuchungsstelle Kolumbiens gewandt.