Robert Habeck in der Allgäumetropole

«Antwortlosigkeit und neue Freiheit»

Manche waren enttäuscht als Robert Habeck Annalena Baerbock bei der Kanzlerkandidatenfrage der Grünen den Vortritt liess. Deren Performanz als potentielle Nachfolgerin von Kanzlerin Angela Merkel verlief bisher allerdings wenig erfolgsversprechend. Vielleicht war dies ein Grund für Bündnis90/Die Grünen im Oberallgäu nicht sie, sondern den Parteivorsitzenden Robert Habeck nach Kempten auf den Hildegardplatz einzuladen. Dieser sprach nun vor vielen hundert Anhängern und neugierigen Bürgern auf seiner Wahlkampftour unter dem Motto „Bereit, weil Ihr es seid". Begleitet wurde Robert Habeck von Pius Bandte, dem Direktkandidaten der Grünen im Wahlkreis 256, Oberallgäu, Kempten und Lindau.

Robert Habeck

Robert Habeck wurde 1969 in Lübeck geboren, ist heute neben Annalena Baerbock gemeinsamer Parteivorsitzender von Bündnsi90/Die Grünen. In den Jahren 2012 bis 2018 war Habeck stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Natur im schleswig-holsteinischen Landtag. Nach seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden 2018 trat Habeck von seinem Ministeramt zurück. Habeck wird dem Realo-Flügel seiner Partei zugerechnet und verfasst neben seiner politischen Tätigkeit Kinderbücher.

Pius Bandte

Pius Bandte, 23 Jahre alt, ist gelernter Zimmerer und arbeit aktuell als Baumpfleger. Bandte ist seit vielen Jahren politisch interessiert und aktiv und liess sich als Direktkandidat des Wahlkreises 256 von der Grünen Jugend Schwaben wählen. Im Hochsommer war Pius Bandte drei Wochen lang mit dem Fahrrad in seinem Wahlkreis unterwegs, um mit all denen ins Gespräch zu kommen, die einen Teil zu einer nachhaltigen Region und Welt beitragen wollen. Als Leitfaden gelten ihm, wie er selbst sagt, die „17 Sustainable Development Goals", die 2015 von den Vereinten Nationen formuliert und festgelegt wurden. Im Kern geht es hierbei um nachhaltiges Wirtschaften und eine gerechtere, globale Verteilung von Wohlstand.

Direktkandidat hat Vortritt

Moderiert wurde der „grüne Nachmittag" von Kemptens 3. Bürgermeisterin, der Grünen-Stadträtin Erna Kathrein-Groll. Die bat zuerst den Direktkandidaten Pius Bandte auf die Bühne. Für den jungen Mann aus Lindau ist die Bewältigung der Kilmakrise das zentrale Anliegen seiner Generation. Dabei wirft er insbesondere der Union vor, Entscheidungen hierzu nur allzugerne in die Zukunft verschoben zu haben. Publikumswirksam fordert er in Allgäuer Mundart: „It lang Schwätza, macha!". Für die Grünen fordert er einen Ausstieg aus der Kohleverbrennung bis 2030, eine Verstärkung des Ausbaus erneuerbarer Energien sowie den Ausbau und die Elektrifizierung der Bahnstrecke Lindau - Kempten. In der Lösung der Klimakrise fordert Bandte einerseits Verzicht, setzt aber auch auf Innovation und Technik. Zu diesem Zweck hatte dieser seinen Wahlkreis im Juli mit dem Rad bereist, um mit Unternehmern aus dem Bereich Umwelttechnologie und Nachhaltigkeit ins Gespräch zu kommen. Zentrale Themen der Zukunft sind aus der Sicht von Bandte die weitere Transformation der Landwirtschaft hin zu mehr Ökolandbau. „Mich macht stolz, dass wir im Allgäu bereits einen Anteil von 30% an Ökolandbau besitzen.,", so der grüne Direktkandidat. Für die Forstwirtschaft fordert Bandte mehr naturnahen Mischwald. Kritisch sieht der Grüne Investionen in Skigebiete, wie es derzeit am Grünten geschieht. Um mehr Bürgerbeteiligung zu erreichen, schlägt Pius Bandte die Schaffung von BürgerInnenräten vor, die sich neben Gemeinde- und Stadträten kommunal einbringen sollen.

Habeck spricht

Als Hauptakt wurde dann der Parteivorsitzende von Bündnis90/Die Grünen auf die Bühne gebeten. Robert Habeck, leger gekleidet, begrüßte in entspannter Manier die rund 500 Anhänger der Grünen auf dem Hildegardplatz. Als er vor einigen Jahren als „Flensburger Fischkopp" ins Allgäu gekommen sei, habe er ein wenig gefremdelt. Die süddeutsche Art war ihm bis dato unbekannt gewesen, umso mehr aber habe es ihn erfreut, dass er gerade hier viele neue Freunde unter den Grünenanhängern gefunden habe. „Das „Krachledernde" ist so garnicht meine Art, aber nachdem mich die Allgäuer davon überzeugten, diesbezüglich meine Scham abzulegen, habe ich meine Auftritte in den Bierzelten wahrlich genossen.", sagt ein freudiger Robert Habeck. Dieser verweist auf die aus grüner Sicht außerordentlich erfolgreichen bayerischen Landtagswahlen 2018. „Die Erfolge aus dieser Wahl haben uns Grüne in ein neues Licht gerückt. Seitdem haben wir mehr Zuspruch und Neugier erfahren und sind bunter geworden.", erklärt Habeck.

Verantwortungslosigkeit

Der Bundesregierung, und explizit der Union, wirft Habeck vor, viel zu lange gewartet zu haben, um die vielen großen Krisen der letzten Jahre anzugehen. Er nennt die Finanz-, Euro-, Klima- und zuletzt Afghanistan-Krise. Aus politischer Bequemlichkeit habe man die Krisen eskalieren lassen. Aus einer andauernden Antwortlosigkeit sei zum Ende der Merkel-Ära eine von allen spürbare Verantwortungslosigkeit geworden. Zwar fordert Habeck mehr Verständnis für Fehler, die in der Politik gemacht werden, aber nur dann, wenn die Akteure zu ihrer Verantwortlichkeit tatsächlich stehen. Nun fordert Habeck eine neue politische Ära ein. Dabei nimmt die Klimakrise die zentrale Rolle in Habecks politischem Denken ein. Um diese zu bewätigen, schlussfolgert der Parteivorsitzende, muss in den kommenden Jahren die Gesellschaft in den unterschiedlichsten Bereichen transformiert werden. Die Klimakrise liefert hierbei für den grünen Vordenker den Anlass für die Notwendigkeit die Gesellschaft grundstürzend zu ändern. Dabei müsse auch der Freiheitsbegriff des Einzelnen neu definiert werden. „Freiheit bedeutet nicht Regellosigkeit, bedeutet nicht, sich an nichts halten zu müssen, sondern bedeutet die freie Wahl zu haben, welche Regeln gelten sollen.", so Habeck. Das dem so sein, habe nach Meinung von Robert Habeck das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zu mehr Klimaschutz im März bestätigt. Auf dieses Urteil beruft sich der grüne Spitzenmann auch, wenn er fordert, dass der Kohleausstieg bis spätestens 2018 vollzogen sein muss und nicht wie geplant 2038. Die Erklärung der Bundesregierung, die Werte zum CO2 Ausstoß seien im letzten Jahr merklich gesunken, hält Habeck für zynisch: „Dass durch die Pandemie und die Lockdowns CO2 Ausstöße gesunken sind, sollten die Regierungsparteien nicht zu einem Beweis für ihre Klimapolitik umdeuten."