Bundesbankpräsident Nagel: Rückkehr der Inflation zum Zielwert kein Selbstläufer

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat davor gewarnt, dass "die Rückkehr der Inflation zum Zielwert kein Selbstläufer ist". Deshalb sei es richtig, dass sich der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Blick auf eine Zinssenkung im Juni nicht festgelegt hat, sagte Nagel der aktuellen Ausgabe der "Wirtschaftswoche". Wenn sich die Preise und die Wirtschaft aber entwickelten wie erwartet, "würde ich eine Senkung der Leitzinsen im Juni befürworten".

Die EZB hatte die Leitzinsen bei ihrer Sitzung vergangene Woche noch einmal unverändert gelassen. Der zentrale Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen können, bleibt damit auf dem Rekordhoch von 4,5 Prozent. Die Notenbank öffnete aber die Tür für eine baldige Zinssenkung. Einige Mitglieder des Rats hätten sich Senkungen sogar schon jetzt vorstellen können, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde.

Nagel sagte der "Wirtschaftswoche", eine Leitzinssenkung im Juni sei "wahrscheinlicher" geworden. Entscheidend sei die mittelfristige Preisentwicklung. "Aktuell gehen die Teuerungsraten zurück. Aber es gibt Risiken."

Der Ölpreis liege angesichts der Spannungen im Nahen Osten ein gutes Stück höher als im Vorjahr, führte Nagel aus. Gas wiederum habe sich in Europa kräftig verbilligt. "Die Energiepreise werden ein Unsicherheitsfaktor bleiben." In der Lohnentwicklung gebe es ebenfalls Unwägbarkeiten. "Für den Euro-Raum rechnen wir für dieses Jahr derzeit mit Lohnsteigerungen von 4,5 Prozent." Wenn die Löhne kräftiger stiegen als erwartet, könnte der Preisdruck länger anhalten.

"Es ist also noch nicht völlig klar, ob die Inflationsrate im nächsten Jahr wieder beim Zielwert von zwei Prozent landen wird und dann auf diesem Niveau bleibt", sagte Nagel der "Wirtschaftswoche" weiter. Der EZB-Rat trage Verantwortung für die Preisentwicklung im Euro-Rau, betonte er. Im März hatte die Inflation sich hier auf 2,4 Prozent abgeschwächt.