Pro-Contra-Debatte: Sollten Fahreignungstests verpflichtend werden?

Autofahren im hohen Alter

Werden Senioren ab einem zunehmenden Alter zu einem Verkehrsrisiko? Umfragen zu diesem Thema sprechen oft für eine verpflichtende Überprüfung ab einem gewissen Alter. Schon in der Vergangenheit wurde diese Forderung laut: Ältere Autofahrer sollen sich in regelmäßigen Abständen einer Fahreignungsprüfung unterziehen.

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Siegfried BrockmannBild: UDV
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Anton SteinböckBild: FAHRSCHULE BRUGGNER GmbH
PRO:

Siegfried Brockmann
(Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV))

 Siegfried Brockmann positioniert sich klar für einen gesetzlich verpflichtenden Test und wird uns seine Sicht genauer erklären. 

Wie stehen Sie zu einem verpflichtenden Fahreignungstest für Senioren?

Es kommt darauf an, was damit gemeint ist: Wenn es um eine Art Führerscheintest gehen soll, lehne ich das wie die gesamte Wissenschaftswelt ab. Was dazu im Ausland teilweise gemacht wird, haben wir wissenschaftlich untersucht: In keinem einzigen Fall sind positive Effekte belegbar. Wir sind überzeugt, dass wir nicht die Instrumente hätten, um im Rahmen einer vielleicht einstündigen Fahrt sichere Urteile zu fällen. Allein schon diese Aussage ließe eine solche Maßnahme als verfassungswidrig erscheinen. Stattdessen wollen wir jedoch eine verpflichtende „Rückmeldefahrt“ mit einem Experten als Begleiter. Die Empfehlungen bleiben jedoch unter vier Augen. Verpflichtend und nicht freiwillig deshalb, weil sich gezeigt hat, dass ansonsten nur die „fitten“ kommen und nicht die, die wir eigentlich meinen.

Sind Senioren mit zunehmendem Alter ein Verkehrsrisiko?

Nicht in absoluten Zahlen: Die Seniorengruppe ist zahlenmäßig kleiner als die jungen Fahrer, die Zahl weiblicher Führerscheinbesitzer ist in der jetzigen Generation geringer und Senioren fahren viel weniger. Das alles wird sich aber in den nächsten Jahren ändern. Wenn wir das Unfallrisiko auf ihre (geringere) Fahrleistung beziehen, ist es schon heute ab dem 75. Lebensjahr deutlich erkennbar. Die Probleme liegen im motorischen, medizinischen und vor allem kognitiven Bereich, also im schnellen Verarbeiten verschiedener relevanter Informationen. Allerdings sagt die Statistik nichts über die individuellen Fähigkeiten aus. Das Alter selbst ist also kein ausreichendes Merkmal, um das Autofahren zu verbieten. Wohl aber, um moderate Maßnahmen wie beschrieben einzuführen. Das machen wir für die Fahranfänger ja auch, zum Beispiel Führerschein auf Probe oder Alkoholverbot.

Ist eine Selbsteinschätzung ausreichend für die Sicherheit anderer?

Nein, das ist ein schleichender Prozess, den man selbst nur schlecht beurteilen kann. Leider lässt im Alter auch die Fähigkeit zur Selbstkritik insgesamt nach. Für Kinder und Ehepartner ist das deshalb ein schwieriges Thema, das eher vermieden wird. Deshalb ist die verpflichtende Einschätzung durch einen Experten so wichtig. Aus Befragungen wissen wir, dass Senioren sagen, dass sie sich und vor allem andere nicht gefährden wollen. Ich bin deshalb überzeugt, dass aus der Beratung in vielen Fällen auch die richtigen Schlüsse gezogen werden. Die Welt ist übrigens nicht nur schwarz oder weiß: Oft reicht es aus, nicht mehr im Dunkeln zu fahren oder nur noch bekannte Strecken. Gerade auf dem Land wäre das ein wichtiger Punkt.

CONTRA: 

Anton Steinböck (FAHRSCHULE BRUGGNER GmbH: Fahrlehrer/Fahrschulleiter Seminarleiter, Aufbauseminare für Fahrauffällig gewordene Fahrzeugführende (ASF) Seminarleiter, Fahreignungsseminare für Punkteauffällige Fahrzeugführende (FeS) Mitglied im Interessenverband Deutscher Fahrlehrer (IDF) - Bundesverband)

Die Frage, ob Personen ab einem bestimmten Alter zu einem Fahreignungstest verpflichtet werden sollten, wird seit mehreren Jahren immer wieder diskutiert. Können Senioren dazu angehalten werden, den Führerschein abzugeben? Anton Steinböck lehnt einen Verkehrstest für ältere Autofahrer klar ab und schildert uns zu diesem wichtigen Thema seine Argumente. 

Wie stehen Sie zu einem verpflichtenden Fahreignungstest für Senioren?

Grundsätzlich stehe ich, wie auch mein Fahrlehrerverband (Interessenverband Deutscher Fahrlehrer- Bundesverband), diesem pauschalisierenden Vorhaben skeptisch und eher ablehnend gegenüber. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland ein für alle Altersgruppen bewährtes, sehr ausgefeiltes feinmaschiges Netz zur Verfügung, die abgestuft und nachhaltig bei Verstößen gegen die STVO angemessene Maßnahmen einleiten und vollziehen können.

Sind Senioren mit zunehmendem Alter ein Verkehrsrisiko?

Es gibt nach meinem Wissen keine abweichende Auffälligkeit zu dem Verkehrsverhalten anderer Altersgruppen, altersbedingte Veränderungen werden in der Regel durch Kompensationsverhalten ausgeglichen, basierend auf sehr langer Fahrerfahrung und automatisiertem Verhalten. Die Gruppe der Senioren zeichnet sich besonders dadurch aus, in dem sie sich bewusst ist, dass die Verantwortung im Straßenverkehr für sich sowie die anderen unteilbar ist. Pauschalisierungen sind im Übrigen nicht unbedingt zielführend.

Ist eine Selbsteinschätzung ausreichend für die Sicherheit anderer?

Die „Selbsteinschätzung“ als „Wertmaßstab“ ist weder für den sich selbst Einschätzenden noch für die anderen von SICHERHEIT begleitet. Ein Problem, das sicherlich nicht einfach so zur Seite gewischt werden kann, ist in der Altersgruppe der Senioren die altersbedingten, sich einschleichenden Veränderungen. Da wären zum Beispiel der graue Star und Veränderung des Hörvermögens. Hier bedürfte es einer gesamtgesellschaftlichen Kampagne zur Sensibilisierung in den Familien sowie des Freundes und Bekanntenkreises. Um das Thema im unmittelbaren Umfeld zu besprechen (Familie und Bekanntenkreis) sowie aufmerksam zu beobachten, um gegebenenfalls angemessen die Betroffenen in geeigneter Weise auf erkannte „Defizite“ aufmerksam zu machen und gegebenenfalls angemessen zu reagieren. P.S.: In einer immer „älter“ werdenden Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland wird die Bedeutung der Mobilität für die Zukunft immer größer, sei es der Weg zum Einkauf oder mit dem Partner zum Arzt oder ein Gang zur Behörde darum sollte alles getan werden, dass auch im Alter die Selbstbestimmung geltendes Recht bleibt.