Chrissi Philipps von Ratiopharm Ulm im Interview

„Mir hat es geholfen, die Jungs zu sehen“

Chrissi Philipps arbeitet nach seiner Schulterverletzung intensiv an der Rückkehr aufs Parkett. Der Forward erzählt im Interview über den aktuellen gesundheitlichen Stand, mentale Stärke und Motivation.

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Bild: Foto: Felix Steiner
Chrissi, man trifft dich hier täglich am OrangeCampus: Wie geht es dir mittlerweile?
„Mir geht’s so weit gut, es läuft alles nach Plan. Die Schulter wird langsam, ich bin jetzt seit zwei Wochen wieder mit dem Ball in der Halle. Wir binden jetzt auch immer mehr den rechten Arm mit ein – ich kann sagen, dass ich echt zufrieden bin.“

Lass uns auf dein letztes Spiel zurückblicken: Es gab nach deiner Verletzung einige Diskussionen. Jaka Lakovic sagte, man solle die Spieler grundsätzlich besser schützen. Hast du dich selbst damit nochmal beschäftigt?
„Ich habe mir die Szene bestimmt 200-300-Mal angeschaut. Ich würde aber nicht sagen, dass mein Gegenspieler schuld war. Ich hatte in der Situation mehrere Optionen. Zum Ball hochzugehen war die richtige, auch wenn es schlecht ausgegangen ist. Ich würde es wahrscheinlich genauso wieder machen und zum Dunk ansetzen. Da hatte ich einfach Pech. Für mich gab es keine halbherzige Option, ich musste voll hochgehen. Abgeschlossen habe ich damit jetzt trotzdem, auch wenn es am Anfang schwierig für mich war.“

Was hat dich genau aufgerieben? Warum hast du dir die Szene noch so oft angeschaut?
„Weil dieser Moment so viel verändert hat und es am Anfang auch etwas schwer zu begreifen war. Ich hatte einfach eine Art Bestätigung gebraucht, dass das wirklich passiert ist. Natürlich wollte ich auch wisse, wieso ich in der Situation die Kontrolle verloren hatte. Es ist schwer zu sagen, aber ich hatte das Gefühl ich kann nicht aufhören hinzuschauen - mittlerweile schaue ich aber nach vorne."

Du hattest letztes Jahr bereits eine längere Reha. Was das für dich wie ein Flashback?
„Ja, das war auch ein Punkt, der mit am schlimmsten war. Ich bin damals gerade zurückgekommen, habe die Vorbereitung mitgemacht und dann sechs Wochen relativ gut gespielt. Dann passierte wieder das Schlimmste, was passieren kann. Es war wieder ein Schritt zurück, der Horror. In dem Moment hatte ich nur Leere in meinem Kopf, ich musste da erstmal wieder klarkommen.“

Man hat dich trotz der Umstände aber immer sehr positiv erlebt. Du hast den Fans eine Botschaft geschickt, warst nah am Team dran. Was hat dir in der schwierigen Zeit geholfen?
„Das ist einfach meine Art. Ich wollte nicht weg sein vom Team, mir hat es geholfen, die Jungs zu sehen. Nur zuhause zu bleiben war keine Option für mich. Natürlich war es nicht immer so schön. Ich hatte zwar gute Laune, aber es gab es auch Phasen, in denen es mir nicht so gut ging. Bergauf ging es dann, als ich aktiv wieder ins Beintraining einsteigen konnte und mich bewegen durfte. Da hatte ich das Gefühl, dass es wieder vorwärts ging.“

Du hast momentan Individualtraining. Wie ist es endlich wieder ohne Schlaufe zu trainieren?
„Mit Ball in der Halle ist das einfach was anderes als im Kraftraum an den Geräten - es ist viel näher am eigentlichen Sport. Auch wenn ich noch nicht bei 100% bin, tut es gut wieder mehr machen zu können. Das Gefühl wieder mit den Jungs am OrangeCampus auf dem Feld zu stehen, tat echt gut.“

Auf was fokussierst du dich im Training?
„Den Spielrhythmus betrifft das ja eher weniger. Für mich ist es viel Krafttraining und Stabilisation. Es ist wichtig, dass ich Vertrauen in meine Schulter bekomme. Zusammen mit Coach Moris setzen wir den Fokus auf die linke Hand, binden aber auch die rechte mit ein. Danach gibt es dann Physiotherapie mit Marco und Athletiktraining bei Sönke. Erst wenn das alles stimmt, kann man über Spielpraxis reden.“

Zwickt es dich in den Fingern, da endlich wieder voll loszulegen oder bist du ein eher geduldiger Mensch?
„Ich denke ich bin momentan zeitlich schon sehr weit. Deshalb geht es kaum noch früher, wir machen das alles kontrolliert. Beobachtet wird natürlich dauerhaft die Schulter und ihr Feedback. Ich fahre damit echt gut.“

Wie groß ist die Chance, dass wir dich in dieser Saison nochmal auf dem Feld sehen?
„Geplant ist, dass ich auf jeden Fall nochmal vor Ende der Saison spiele, das Ziel streben wir gerade alle an. Ich will vorher unbedingt nochmal aufs Feld – ich will zeigen, dass ich fit bin und dem Team helfen kann. Dafür arbeite ich tagtäglich.“