Elon Musk drohen Milliardenbußen: Europas Akte X

Europas "Akte X" wird dicker: Dem US-Milliardär und Tesla-Chef Elon Musk drohen im Streit um die Verbreitung von Falschmeldungen und Hassbotschaften auf seiner Plattform X (ehemals Twitter) Bußgelder, die selbst den reichsten Mann der Welt abschrecken könnten.

In Brüssel fallen in den kommenden Wochen oder Monaten die ersten Entscheidungen im Verfahren gegen X nach dem EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA). Das Gesetz schreibt großen Online-Plattformen unter anderem vor, Falschinformationen und "illegale Inhalte" wie Terror-Verherrlichung oder Darstellungen sexueller Gewalt schneller zu löschen. Maßgeblich sind die Gesetze der Mitgliedsstaaten - so ist etwa in Deutschland das Verbreiten von Nazi-Propaganda verboten.

Die Kommission beanstandet eine Reihe von Verstößen auf Musks Plattform: X täusche seinen Nutzerinnen und Nutzern mit dem weiß-blauen Haken für Nutzerkonten vor, dass diese auch authentisch und überprüft seien - allerdings erhalte jeder zahlende Kunde den Haken. Auch wer hinter Werbung auf X stehe, sei oft nicht transparent. Das Unternehmen gebe zudem nicht ausreichend Daten zu Forschungszwecken frei.

Bisher hat die Kommission nicht abschließend über ihr Vorgehen gegen X entschieden. Für jeden der Vorwürfe könnten aber Strafen in Höhe von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes fällig werden, wenn Musk dem Druck aus Brüssel nicht nachgibt.

Hier hat die Kommission Spielraum. Grundlage für die Berechnung der Bußgelder ist laut Gesetz der Umsatz des "Anbieters" der betroffenen Onlinedienstes, der "einen entscheidenden Einfluss auf die Plattform ausübt". Dieser Anbieter könne sowohl ein Unternehmen als auch eine Einzelperson sein, erklärte der Kommissionssprecher Thomas Regnier auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP.

Will sie die Strafen in die Höhe treiben, könnte die EU-Kommission also die Geschäftszahlen aller Unternehmen des Milliardärs Musk zugrunde legen - darunter auch die Raumfahrtsfirma SpaceX und der Elektroautobauer Tesla, der für das vergangene Jahr rund 97 Milliarden Euro Umsatz meldete.

Berechnungen der Nachrichtenagentur AFP zufolge könnte das maximale Bußgeld damit um das 30-fache steigen, von knapp 200 Millionen Euro nur für die Plattform X auf fast sechs Milliarden Euro. Das gilt für jeden der drei bislang offiziell erhobenen Vorwürfe sowie für zwei Verfahren, in denen die Untersuchungen noch am Anfang stehen.

Strafen in dieser Höhe sind nach Einschätzung des Brüsseler Anwalts Romain Rard im Rahmen der europäischen Gesetze zwar "denkbar", aber "viel riskanter, weil sie eher vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg angefochten werden könnten". Bislang gebe es keine Rechtsprechung, an der sich die Kommission orientieren könne. "Am Ende entscheidet die Justiz", sagte Rard der Nachrichtenagentur AFP.

Musk hat seinerseits bereits angekündigt, dass er gegenüber der EU hart bleiben will. "Wir freuen uns auf eine sehr öffentliche Schlacht vor Gericht", erklärte er im Juli, als die EU-Kommission ihre Vorwürfe bekanntmachte.

Als letztes Mittel hätte die EU-Kommission unter dem Digitalgesetz sogar die Instrumente in der Hand, um Musks Plattform zu sperren. Brüssel könnte ein Gericht am europäischen Firmensitz von X in Irland anrufen, um eine befristete Sperre für die Plattform zu erwirken, solange das EU-Verfahren läuft. Anders als in Brasilien, wo X derzeit nicht verfügbar ist, gilt eine solche Sperrung in Europa allerdings als unwahrscheinlich.

Jan Penfrat vom Netznutzer-Verband European Digital Rights (Europäische Digitalrechte, EDR) nennt eine Sperre eine "absolute Notlösung". Die EU-Kommission müsse vorsichtig bei solchen Schritten sein, denn mit einer Sperre schränke sie den Zugang zu Informationen ein, warnt er. Musk und seine Anhänger könnten der EU dann "Zensur" vorwerfen.