Forscherin Barré-Sinoussi erlebte HIV-Entdeckung auch als persönlichen Wendepunkt

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Barré-Sinoussi (r.) und Montagnier (M.) im Jahr 1984Bild: AFP/Archiv / MICHEL CLEMENT

Die französische Forscherin Françoise Barré-Sinoussi hat die Entdeckung des Aids-Erregers HIV vor 40 Jahren, an der sie maßgeblich beteiligt war, als medizinischen und persönlichen Wendepunkt erlebt. Die Entdeckung des lebensgefährlichen Virus im Jahr 1983 habe einen "Wettlauf gegen die Zeit" ausgelöst, sagte Barré-Sinoussi im Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. "Von da an hatten wir eine riesige Baustelle", da viele offene Fragen zum Aids-Erreger gleichzeitig erforscht werden mussten.

"Wir mussten alles über es lernen", sagte Barré-Sinoussi über das damals neu entdeckte Virus: Aus welchen Proteinen ist der Aids-Erreger aufgebaut, wie sieht sein genetischer Bauplan aus, welche Zellen befällt er, was sind die Folgen der Infektion?

Angesichts der vielen Aids-Infektionen und -Todesfälle weltweit habe die Zeit gedrängt, einen Aids-Test zu entwickeln und wirksame Therapien für die Immunschwächekrankheit zu finden. Sie und ihre Kollegen hätten daher Forscher anderer Disziplinen sowie betroffene Patienten mit an Bord holen müssen.

Barré-Sinoussi und ihr Kollege Jean-Claude Chermann hatten im Januar 1983 am Pariser Institut Pasteur unter der Leitung von Luc Montagnier ein bis dahin unbekanntes Virus isoliert, das sie LAV nannten. Sie erklärten damals, dass das Virus aus ihrer Sicht an Aids "beteiligt sein könnte". Ihre Entdeckung wurde am 20. Mai im Fachblatt "Science" veröffentlicht, 1986 erhielt der Erreger den Namen Humanes Immundefizienz-Virus erhält, kurz HIV.

2008 wurden Montagnier und Barré-Sinoussi für ihre Entdeckung mit dem Medizin-Nobelpreis geehrt. Auch sonst veränderte die Forschung am HI-Virus Barré-Sinoussis Leben. "In meinen Anfängen war ich eine Forscherin, die ihr Labor nicht verlassen hat", sagte sie AFP. Später aber habe sie sich intensiv mit Aids-Patienten beschäftigt und dabei Dinge erlebt, "die ich nicht für möglich gehalten hätte - wie der Mangel an Toleranz der Öffentlichkeit gegenüber manchen Bevölkerungsgruppen".

"Damals wurden die Kranken stigmatisiert, von ihren Familien, ihren Freunden, manchmal wurden sogar von Mitarbeitern der Gesundheitsdienste fallengelassen", erinnert sich die Französin an die ersten Jahre der Aids-Epidemie. "Manche verloren ihre Wohnung, ihre Arbeit." Durch den Kontakt mit Aids-Patienten habe sie "enorm viel gelernt über Ungleichheiten, die sich in den reichen Ländern heute leider vielleicht noch verschlimmert haben".