Lachen, Leben, Loslassen – Die Comedy Lounge Augsburg mit Florian Simbeck
Kultur zum Anfassen – und zum Wiederkommen
Manchmal ist es nur ein einziger Abend, der einem zeigt, wie sehr wir alle das Lachen brauchen. Nicht das flüchtige Schmunzeln vor dem Smartphone – sondern das laute, befreiende, ehrliche Lachen inmitten fremder Menschen, die plötzlich gar nicht mehr so fremd wirken. Es ist dieses Lachen, das Brücken schlägt, Unsichtbares sichtbar macht und uns einander näherbringt – selbst, wenn wir uns vorher nie gesehen haben. Ein Abend wie dieser, ein Abend in der Comedy Lounge Augsburg, ist genau so ein Moment. Hier wird Kultur nicht einfach abgehalten – sie wird zelebriert. Sie pulsiert im Takt der Pointen, sie wärmt die Herzen, sie löst die Schultern, sie ist spürbar bis in die hintersten Reihen.
Es ist Mittwochabend in Augsburg. Die Sonne versinkt langsam hinter den Fassaden der Altstadt, während sich der traditionsreiche Jazzclub Augsburg in eine Oase des Humors verwandelt. Wo sonst musikalische Klangwellen durch den Raum tanzen, erklingt an diesem Abend ein anderes Instrument: das befreiende Lachen eines vollen Hauses. Die 52. Ausgabe der Comedy Lounge ist angerichtet – und sie ist so viel mehr als nur ein paar gute Witze auf einer Bühne. Es ist Begegnung. Es ist Kultur. Es ist ein Gefühl, das man nicht googeln, nicht streamen, nicht nacherzählen kann – man muss es erleben.
Im Zentrum dieses Gefühls steht ein Mann, der diese besondere Stimmung nicht nur möglich macht, sondern selbst lebt: Florian Simbeck. Die meisten kennen ihn wohl als die eine Hälfte des Kult-Duos Erkan & Stefan, das in den 2000ern Fernsehgeschichte schrieb. Doch wer ihn nur darauf reduziert, verpasst das Wesentliche. Denn Simbeck ist längst nicht mehr nur Komiker – er ist Mentor, Veranstalter, Förderer, Kurator – und vor allem: ein Gastgeber mit Haltung.
Seitvielen Jahren steht er auf der Bühne und tourt durch das Land, und mit der Comedy Lounge hat er sich ein Herzensprojekt geschaffen. Ein Ort, an dem Künstler wachsen dürfen. Ein Ort, an dem Publikum sich aufgehoben fühlt. Ein Ort, an dem echte Begegnung möglich ist – mit anderen, mit sich selbst, mit dem Leben. Was viele nicht wissen: Simbeck organisiert jeden Abend persönlich, sucht die Künstler aus, bucht sie selbst – und zahlt sie fair. Das ist längst nicht selbstverständlich in einer Branche, in der viele junge Talente für Applaus arbeiten und Sichtbarkeit oft mehr zählt als Wertschätzung. In einer Zeit, in der mehr Geld in Werbung fließt als in Inhalte, ist Simbecks Weg ein mutiger – fast schon radikaler – Schritt. Ein Schritt hin zum Menschlichen.
Er kennt die Szene, lebt sie, liebt sie. Und das merkt man in jeder Sekunde, in der er auf der Bühne steht. Mit warmherziger Art, trockenem Humor und einer entwaffnenden Nahbarkeit begrüßt er sein Publikum, erzählt Persönliches – etwa von dem Moment, als sein Sohn den Führerschein gemacht hat: „Jetzt sitzt er vorne. Und ich? Hinten.“ Ein Satz, ein Lacher, ein ganzer Lebensabschnitt – verdichtet in einem einzigen Bild. Genau darin liegt seine Kunst: im Erzählen ohne Pathos, im Teilen ohne Kitsch, im Erkennen des Alltäglichen im Großen und Ganzen.
Und während Simbeck auf der Bühne steht und die Menschen zum Lachen bringt, wirkt im Hintergrund eine weitere Kraft, die den Abend trägt: seine Frau, charmant, offen, herzlich – sie hilft am Einlass, sorgt an der Technik für reibungslose Übergänge und verleiht dem Ganzen jene familiäre Wärme, die den Unterschied macht. Wer die beiden beobachtet, spürt sofort: Hier geht es nicht um Show – hier geht es um Menschen. Um Miteinander. Um ein echtes Wir.
Das Publikum an diesem Abend ist bunt gemischt – wie Augsburg selbst. Die Hälfte sind treue Fans, die regelmäßig wiederkommen, die andere Hälfte Neulinge, die sich ein Ticket gegönnt haben, um dem Alltag mal für zwei Stunden zu entkommen. Familien, die gemeinsam lachen. Paare, die sich einen Babysitter leisten, um Kultur zu erleben – wie das Ehepaar, dessen Mann sogar auf Fußball verzichtete, um bei der Comedy Lounge dabei zu sein. Freunde, die sich zuprosten und gemeinsam loslachen. Oder die junge Familie mit dem Sohn und seiner Freundin, deren herrlich ansteckendes Lachen sich durch den ganzen Raum zieht – als wollten sie uns alle daran erinnern, wie leicht das Leben sein kann, wenn man es gemeinsam genießt.
Da ist auch der sympathische Barkeeper aus Augsburg, barfuß in Jesuslatschen, der kurzerhand zur Running Gag-Figur des Abends wird – liebevoll, charmant, augenzwinkernd. Selbst wir Reporter werden an diesem Abend nicht verschont, sondern immer wieder einbezogen – mal mit einem Kommentar, mal mit einem Lächeln. Verstecken? Zwecklos. Und genau das macht es so besonders.
Die Künstler auf der Bühne interagieren spontan, humorvoll, mit feinem Gespür für ihr Gegenüber. Sie greifen Stimmungen auf, spielen mit Zwischenrufen, machen Augsburg zum Teil ihrer Show. Lokale Orte wie der Mo Club oder der Plärrer tauchen plötzlich in Pointen auf – und werden so zu Komplizen im Spiel. Man lacht nicht nur über sich selbst – man lacht über das, was einen als Stadt, als Gemeinschaft verbindet.
Und das funktioniert, weil die Künstler wissen, was sie tun. Drei von ihnen stehen an diesem Abend auf der Bühne – und zeigen, wie vielseitig, wie tief, wie bewegend Comedy sein kann:
Marcel Vrabec eröffnet den Abend – selbstironisch, reflektiert, mit einem feinen Gespür für die Skurrilität des Alltags. Er erzählt von seinem Leben in Frankfurt, von der Kiffer-WG, von seinem jugoslawischen Background. Seine Pointen kommen und treffen. Ein Erzähler, der sich nicht schont – und gerade deshalb so nahbar wirkt.
Dennis Boyette, einst Polizist, heute Vollzeit-Comedian, ist die Überraschung des Abends. Mit klarem Blick, pointierter Sprache und einer ordentlichen Portion Mut testet er Grenzen – ohne je respektlos zu werden. Er spricht über Autorität, über Klischees, über Uniformen und Identität – und schafft es dabei, sein Publikum zum Lachen zu bringen und zum Nachdenken. Ein Balanceakt, den er souverän meistert.
Phil Stadelmann schließlich rundet den Abend ab – ein Sprachjongleur, der mit Themen spielt wie Body Shaming, Religion, Familie (wir grüßen an der Stelle einmal die Oma), Jesus, Kreuzfahrten, Bayern und Kindererziehung – mit Tempo, Tiefgang und einer Leichtigkeit, die fast schon unverschämt ist. Kein Thema ist tabu, und doch bleibt alles (ganz knapp) im Rahmen – menschlich, verständnisvoll, mit einem Augenzwinkern.
Was wir an diesem Abend erleben, ist keine leichte Kost. Es ist Kunst. Feinsinnig. Direkt. Witzig und weise zugleich. Eine verdichtete Form des Lebens, komisch verzerrt – aber doch erschreckend klar. Die Fragen, die zwischen den Pointen stehenbleiben, hallen nach: Wie weit darf Comedy gehen? Wann wird Humor zur Therapie? Was sagen wir nur im Witz – und meinen es doch?
Der Abend erinnert uns daran: Comedy ist wichtig. Kultur ist wichtig. Nicht als Flucht – sondern als Werkzeug. Zum Heilen, zum Denken, zum Innehalten. Gerade in einer Welt voller Push-Meldungen, Dauerstress und gesellschaftlicher Dauerkrise ist Lachen ein Akt der Selbstfürsorge.
Die Comedy Lounge Augsburg ist viel mehr als ein lustiger Abend. Sie ist ein Ort, an dem Kultur auf die Straße darf. Wo Kunst nicht elitär ist, sondern menschlich. Wo Begegnung passiert. Es ist ein Statement. Und ein Geschenk. Denn das, was auf dieser Bühne geschieht, ist mehr als Comedy. Es ist ein Aufatmen. Ein Zusammenkommen. Und ein Stück Hoffnung – inmitten der ganz normalen Verrücktheit des Lebens.
Und wo ein Gastgeber wie Florian Simbeck den Raum schafft für etwas, das sich nicht digitalisieren lässt: echtes Erleben.
Wer Lachen liebt, wer Gesellschaft hinterfragen will, wer einfach mal wieder durchatmen möchte – sollte hingehen. Jeden letzten Mittwoch im Monat. Immer neue Künstler. Immer neue Perspektiven. Aber dieselbe Leidenschaft.