Machbarkeitsstudie zur Wasserstoffzukunftsregion „HyAllgäu“

Erfolgsfaktor für die zukünftige Wasserstoffwirtschaft im Allgäu

Vor etwas über einem Jahr glichen die zahlreichen Ideen rund um den Wasserstoff im Allgäu einem Faden mit zahlreichen losen Enden. Die vom Bundesverkehrsministerium geförderte Machbarkeitsstudie konnte hier in kürzester Zeit konkrete Ergebnisse für ein Reallabor im Allgäu entwickeln.

Bereits die vom Projektteam eingereichte Projektskizze setzte enge Grenzen und Hürden für einen effizienten und wirtschaftlichen Einsatz vom Wasserstoff im Allgäu. Das Projekt HyAllgäu konzentiert sich auf die Bearbeitung der Hemmnisse und deren Lösungen, anstelle staatliche Regularien zu fordern. Treiber waren zu Beginn Prof. Dr. Werner Mehr von der Hochschule Kempten und die Kläranlage in Kempten mit deren Technischem Leiter, Herrn Franz Beer. Die regionale Abwasserbehandlung erreicht durch die Verwertung des Faulgases seit 2017 einen konstanten Überschuss an elektrischem Strom. Dieser Ökostrom über hohe Vollaststunden bietet sich ideal an zur Produktion von grünem lokalem Wasserstoff aus dem Allgäu zu marktgerechten Preisen. Die ersten ca. 50 Tonnen Wasserstoff im Jahr waren somit realistisch möglich.

Trotz zahlreicher Ideen mit volatilen Strommengen aus regionaler Windkraft oder Photovoltaik gab es über o.g. Ökostrom vom AVKE zum Zeitpunkt der Antragstellung keine relevanten Kapazitäten. Hemmnisse wie Restlaufzeiten der EEG-Vergütung, Netzentgelt, zu geringe Vollaststunden etc. erübrigten in der Regel schnell eine intensivere Betrachtung. Die positive Nachricht aus Berlin für die Förderung einer vom NOW (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) betreuten Initiative brachte jedoch weitere Steine im Allgäu ins Rollen.
In Rekordtempo konnte die Machbarkeitsstudie, ein Gemeinschaftsprojekt des Landkreis Oberallgäu und der Stadt Kempten, auf den Weg gebracht werden. Den Gesamtauftrag für die Machbarkeitsstudie erhielt die Ingenieurgesellschaft bluemove consulting GmbH mit dem Geschäftsführer und Gesamtprojektleiter Arthur Dornburg. Eine wissenschaftliche Begleitung erfolgt unter der Leitung von Prof. Dr. Werner Mehr durch die Hochschule Kempten.

Initiativen und Stärken bündeln

Parallel zu der Studie vom Landkreis Oberallgäu und der Stadt Kempten, machten sich auch die Unternehmen ZAK, Allgäuer Überlandwerk und Allgäuer Kraftwerke unter der gemeinsamen Firmierung Bioenergie Allgäu GmbH Gedanken zur Erzeugung von grünem Wasserstoff im Allgäu. Durch die enge Vernetzung aller Akteure in der Region konnte das Gesamtpotenzial an grünem Wasserstoff aus dem Allgäu von ursprünglich 30 Tonnen auf rund 1.000 Tonnen Wasserstoff im Jahr angehoben werden. Bereits die Strommengen des Müllheizkraftwerks des ZAK in Kempten, die rein aus dem biogenen Anteil Restmüll und dem nachhaltigen Altholz erzeugt werden, ermöglichen bis zu 400 Tonnen Wasserstoff im Jahr. Eine vergleichbare Menge könnte das Wasserkraftwerk Horn vom Allgäuer Überlandwerk beisteuern. Neben erweiterten Kapazitäten der Kläranlage runden Windkraftanlagen aus Wildpoldsried, die seit 2021 keine EEG-Vergütung mehr erhalten, das unmittelbar verfügbare Potenzial im Allgäu ab. Das Hemmnis der Windkraft durch geringe Vollaststunden ließe sich in Wildpoldsried durch die Verbindung von PV-Anlagen und Biogas-BHKW´s zu einem lokalen „Virtuellen Kraftwerk“ lösen. Somit ist auch dort die Zielgröße von 5 – 6 Euro Produktionskosten für ein Kilogramm grünen regionalen Wasserstoffs aus dem Allgäu möglich.
 

Neue Technologien benötigen Starthilfen

Ziel aller Projektpartner ist es, in ein paar Jahren ein wirtschaftliches Geschäftsmodell rund um die Wasserstofferzeugung zu entwickeln. Bis es soweit ist, braucht es Mut und Investitionsbereitschaft. Das bringen die Partner im Allgäu mit. Ganz ohne Förderung wird es aber nicht gehen, betont der Geschäftsführer des ZAK, Karl-Heinz Lumer. Nachdem eine Wasserstoffproduktion auf der Kläranlage schon sehr schnell in einer Fördermaßnahme berücksichtigt werden konnte, zeichnet sich nun auch für den Standort des ZAK eine Förderunterstützung ab. Damit kann bereits 2021 mit Planungsleistungen für die 2 Standorte in Kempten begonnen werden. Geschäftsführer Lumer koordiniert mit Unterstützung durch Arthur Dornburg die Fördermöglichkeiten für sämtliche Teilprojekte und den noch wichtigeren abgestimmten Absatz im Allgäu bis hin zum Bodensee. Erste Förderzusagen belaufen sich bereits auf rund 25 Mio €.

Die Akzeptanz und zuverlässige Abnehmer spielen eine entscheidende Rolle

„Damit sich die Investitionen in die Wasserstofferzeugung lohnen, brauchen wir große Abnehmer mit zuverlässigen Verträgen“, sagt Michael Lucke, Geschäftsführer AÜW. Dazu sei man bereits sehr früh mit möglichen Partner aus ÖPNV und Logistik in die Gespräche gegangen. Derzeit ist die Nachfrage an ‚grünem Wasserstoff‘ zu marktgerechten Preisen noch nicht sehr hoch. Michael Lucke vergleicht es mit dem ‚Henne-Ei Problem‘. „Einer muss sich zur Henne erklären und das übernehmen wir mit unseren Partnern“, so Lucke.
In den Gesprächen mit den regionalen Busbetreibern wurde schnell deutlich, dass die Umrüstung auf Wasserstoff gegenüber den Dieselfahrzeugen mit deutlichen Mehrkosten verbunden ist. „Diese Punkte müssen wir ernst nehmen und uns konkrete Maßnahmen überlegen, wie wir auch diesen Bereich zum Start fördern können. Wenn uns das nicht gelingt, wird es schwer werden, die notwendige Akzeptanz für die neue Technologie zu erhalten“, betont Lucke.

Im profilierten Gelände des Allgäus bietet die Wasserstofftechnologie bei Linienbussen dafür große Vorteile. Wenn mittelfristig 20 Wasserstoffbusse, verteilt auf Kempten, Oberstdorf und Lindau eingesetzt werden, könnte damit die erste Stufe der Wasserstoffproduktion direkt in der Region genutzt werden. Bis es soweit ist, bemüht sich das gesamte Projektteam um alternative Absatzmöglichkeiten, beispielsweise bei eigenen und kommunalen Fahrzeugen, der Logistikbranche oder Partnern über das Allgäu hinaus.
Landrätin Baier-Müller (Landkreis Oberallgäu) und Oberbürgermeister Kiechle (Stadt Kempten) sind sich einig: „Beim Thema Energiewende werden wir auch zukünftig gemeinsam vorangehen. Wenn es uns gelingt – wie beim Thema Wasserstoff – unsere Ressourcen vor Ort nachhaltig zu nutzen, zu veredeln und Wertschöpfung zu erzielen, dann sind wir auf dem richtigen Weg“. Mit den Projektergebnissen sind sie sehr zufrieden. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass es von großem Vorteil ist, wenn der Wasserstoff möglichst dort verbraucht wird, wo man ihn auch erzeugt.