Oberstes Gericht sieht keine Haftung Österreichs wegen Corona-Infektion in Ischgl

Über drei Jahre nach dem Corona-Ausbruch im Tiroler Wintersportort Ischgl haben sich die Hoffnungen eines deutschen Touristen auf Schadenersatz erneut zerschlagen. Der Kläger habe keine Haftungsansprüche gegen den Staat Österreich, teilte der Oberste Gerichtshof (OGH) am Donnerstag mit. Das höchste Gericht Österreichs bestätigte damit ein entsprechendes erstinstanzliches Urteil. Dessen Aufhebung durch ein Berufungsgericht wies der OGH zurück.

Der Urlauber hatte sich vom 7. bis 13. März 2020 in Ischgl aufgehalten und sich seiner Überzeugung nach dort mit dem Coronavirus infiziert. Für seine Ansteckung machte er in seiner Klageschrift "das katastrophale Miss-Management der zuständigen Behörden" verantwortlich. Er forderte Schadenersatz sowie die Feststellung der Haftung des Bundes für alle weiteren Schäden.

In seiner Grundsatzentscheidung bestätigte der Oberste Gerichtshof nun das erstinstanzliche Urteil, das die Klage mit der Begründung abgewiesen hatte, dass das Epidemiegesetz nur die Allgemeinheit schütze und nicht den Einzelnen. Das höchste Gericht gab damit dem Einspruch der Finanzprokuratur für die Republik Österreich gegen die Aufhebung des Urteils durch das Wiener Oberlandesgericht (OLG) statt.

Die Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtshofs stieß auf scharfe Kritik des Verbraucherschutzvereins (VSV). Der OGH habe nicht berücksichtigt, dass die Kläger sich auch auf die EU-Grundrechte-Charta beriefen und dazu eine Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) notwendig wäre, zitierte die österreichische Nachrichtenagentur APA eine Erklärung des VSV-Vertreters Peter Kolba.

Das Urteil sei "ein Freibrief für Behörden, die während einer Pandemie nunmehr jeden Unsinn machen können, der ihnen einfällt". Der VSV werde das Urteil genau analysieren, erklärte Kolba weiter. "Wir ziehen in Erwägung, gegen die Republik Österreich nun mit einer Staatshaftungsklage vorzugehen."

In Ischgl und anderen Tiroler Wintersportorten sollen sich im März 2020 mehr als 6000 Menschen aus 45 Ländern mit dem Coronavirus angesteckt haben. 32 der Infizierten starben. Ischgl - bekannt für seine ausschweifenden Après-Ski-Partys - wurde so zu einem der ersten Corona-Hotspots in Europa.

Viele Betroffene und Hinterbliebene werfen den zuständigen Behörden schwere Fehler im Umgang mit dem Ausbruch vor, denn zu dem Zeitpunkt im März 2020 waren die Gefahren durch das Coronovirus zumindest schon ansatzweise bekannt. Auch hatte die Landesregierung zunächst erklärt, zwei positiv getestete Urlauber hätten sich "nach ersten Erhebungen" auf der Rückreise im Flugzeug angesteckt. Eine Infektion in Tirol sei daher "aus medizinischer Sicht" wenig wahrscheinlich.