4-Tage Woche als neues Modell für die Unternehmenswelt

Mehr Luxus im Job – Freizeit statt Geld?

Ein dreitägiges Wochenende – ein Traum für viele Arbeitnehmer. Was bisher häufig nur Teilzeitmitarbeitern vorbehalten ist, wurde in Island zum „Standard“. Und so könnte es auch andernorts bald aussehen, wenn man Befragungen glauben mag. Denn die 4-Tage-Woche hat sich in Pilotprojekten bewährt, doch was spricht dafür und was dagegen?

Blickt man ins Jahr 1930, wurden damals schon Annahmen getroffen, die sich heute zu bewahrheiten scheinen. John Maynard Keyes – bekannter Wirtschaftsökonom – formulierte seinerzeit „Wir sollten die Arbeit, die es noch gibt, möglichst breit verteilen. Drei-Stunden-Schichten und Fünfzehn-Stunden-Arbeitswochen könnten das Problem für eine ganze Weile beseitigen.“ Gesagt, getan. Dachte man sich zumindest 80 Jahre später in Island. Denn hier wurde genau dies umgesetzt. Grund dafür ist eine Studie, die Auto Gudmundur Haraldsson in die Welt trug, wo sie für viel Aufmerksamkeit sorgte. Es sollte untersucht werden, ob sich die Arbeitszeit um fünf Stunden verkürzen lässt, ohne dass am Ende weniger Arbeit erledigt wird oder zusätzliche Angestellte nötig sind. Mittelfristig soll so aus der bisher bekannten 40-Stunden Woche eine 32-Stunden Woche werden. Und dafür werden mehrere Ansätze genutzt, allem voran natürlich das Thema Digitalisierung. Natürlich gilt dieser Faktor nicht für jede Branche als realistische Stellschraube, gerade dort, wo klassische Manpower nicht durch digitale Lösungen zu ersetzen ist. Doch der Anreiz „mehr Freizeit“ führt ebenfalls zu deutlichen Leistungssteigerungen. Doch eins nach dem anderen.

Blicken wir in die vergangenen Jahre. In Island gab es ein großes Problem: mangelnde Produktivität. Zwar war die Zahl auf die Arbeitslosenquote erfreulich: gerade mal 3,4 % der Bevölkerung, dies liegt weiter unter dem Durchschnitt der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Und auch beim Pro-Kopf-Einkommen mit knapp 47.000 US-Dollar lag man über dem Schnitt der Nachbarländer. Doch brach man diesen Wert weiter herunter, lag das Pro-Kopf-Einkommen pro geleisteter Arbeitsstunden gerade mal bei 55,4 Dollar. Und damit weit hinter der „Konkurrenz“ im Norden Europas. Der Grund war schnell gefunden, denn in Island lag die durchschnittliche Arbeitszeit bei 44,4 Stunden pro Woche bei Vollzeitverträgen. Der Effekt? Stress und Ermüdung bei den Angestellten, die während ihrer Arbeitszeit dadurch deutlich weniger effizient zu sein schienen. Denn wer unausgeruht und ausgelaugt zur Arbeit erscheint, kann Arbeiten nur wenig motiviert ausführen. Darunter leidet zweifelsohne die Produktivität. Doch wie aus diesem Teufelsrad entkommen? Darüber zerbrachen sich mehrere Experten, bis das Modell geboren war: gleiche Arbeit, gleiche Zahl an Angestellten. Jedoch eine deutliche Reduktion der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit.

Versuche belegen Erfolge

Bereits im Jahr 2015 startete man also den Feldversuch: 66 Angestellte in Islands Hauptstadt Reyjkavik. Die ersten Erfolge stellten sich schnell ein, also sollte das System deutlich breiter ausgerollt werden. Landesweit sogar und das passierte im Jahr 2020. Über 2.500 Angestellte beteiligten sich an dem Pilotprojekt, das sind sage und schreibe 1,3 % der Berufstätigen des Landes. Aufgrund des großen Erfolgs der Studie, folgten im Anschluss Verhandlungen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern mit erfreulichem Resultat: 86% aller Isländer haben heute einen Rechtsanspruch auf die geringere Arbeitszeit von 35 bis 36 Stunden. In der Pflege gibt es noch attraktivere Konditionen, hier sind es sogar nur 32 Stunden.

Wer nun denkt, dass alles über dieses offizielle Kontigent dann eben über Mehrarbeit läuft oder Überstunden angesammelt werden, der irrt. Denn die gesamte Arbeitsleistung stieg nahezu gleichzeitig leicht an. Und natürlich stieg vor allem auch eines: das Wohlbefinden der Beschäftigten, die endlich mehr Zeit für Freizeit, Familie und Freunde hatten.

Klingt alles total einfach, doch ist es das auch? Studienautor Haraldsson hat einen ganz konkreten Ansatz, nämlich die Überarbeitung der Arbeitsprozesse. Eine konkrete Analyse aller Aufgaben und jedes einzelnen Schritts hierfür schafft deutlich mehr Effizienz. Denn manche Steps können komplett übersprungen werden, andere Dinge werden verlagert und besser umverteilt. Kurzum: raus aus dem stupiden „das haben wir schon immer so gemacht!“ hin zum Überdenken der einzelnen Aufgaben und ToDos. Natürlich kostet auch das Zeit, aber diese zahlt sich unter dem Schritt deutlich aus, wie die Studie eindrucksvoll belegt. Ein konkretes Beispiel aus der Praxis in Island: In einem Kindergarten bemerkten die Angestellten: Gegen Nachmittag, wenn die Kinder nach und nach abgeholt werden, wird schrittweise auch weniger Personal benötigt. Warum müssen hier also weiterhin alle Mitarbeiter anwesend sein? Ein abwechselndes früher Gehen war jedem Angestellten zu diesen Zeiten ab sofort möglich, schon reduzierte sich die Arbeitszeit.

Klingt nach einer ganz logischen Schlussfolgerung, doch häufig nimmt man sich genau diese Zeit zum Überdenken der Strukturen eben nicht. Und genau das wollte die Studie ändern. Denn auch eine nächste Überlegung brachte im Kindergarten Erleichterung: denn die meiste Betreuung benötigen Kinder beim Mittagessen. Sobald die Kinder nicht mehr alle zeitgleich, sondern versetzt nacheinander essen, sinkt der Personalbedarf. Kleine Umstellung, große Wirkung. Dieser Ansatz lässt sich natürlich auch auf viele andere Bereiche in nahezu jedem beruflichen Umfeld ummünzen. Genau hinsehen lohnt sich also!

Auch hierzulande kommt die Idee an: Betrachtet man eine Umfrage der Wirtschafstwoche, bei der insgesamt knapp 2.000 Leser teilnahmen, fanden 71% der Teilnehmer/innen eine 4-Tage-Woche eine gute Idee. Was jedoch vielen Angst macht: das Damoklesschwert Digitalisierung. Denn wie kann am einfachsten Arbeitskraft eingespart werden? Ganz einfach durch den Ersatz des Mitarbeiters durch Technologie. Und hier befürchten viele den Verlust von Arbeitsplätzen. Auch diesem Thema hat sich die Studie angenommen.

Arbeitslosigkeit durch Digitalisierung?


Natürlich ist das Argument nicht von der Hand zu weisen, denn in vielen Ländern der Erde wird es bereits vorgemacht. Maschinen sparen Arbeitsplätze ein, in dem sie klassische Handarbeit übernehmen. Bis vor einigen Jahren war hiervon vor allem Handwerk und Industrie betroffen. Jedoch ist durch den Einzug von künstlicher Intelligenz auch in anderen Branchen plötzlich Unsicherheit entstanden. Im Zuge der Studie wurde auch diese Problematik beleuchtet. Laut Haraldsson bliebe der Gesellschaft nicht anderes übrig, als eine ganzheitliche Lösung zu finden. „Die Interessen der arbeitenden Bevölkerung sollen ausreichend Beachtung finden.“ positioniert sich der Experte klar. Und hierfür wird auch dringend die Politik als handelnder Akteur benötigt, denn Arbeitgeber alleine können keinen Konsens herbeiführen. Denn das widerspricht häufig den Erfolgsabsichten und Unternehmenszielen, wenn man nur die bloßen Zahlen betrachtet. Und so spricht sich Haraldsson für die Begrenzung von Unternehmerrechten aus und sagt „Unternehmensbesitzer sollten nicht über die Verteilung des Wohlstands und der Vorteile neuer Technologien in der Gesamtgesellschaft entscheiden.“

Fazit: Eine 4-Tage-Woche klingt für Arbeitnehmer verlockend. Für Arbeitgeber auf den ersten Blick auch, da Produktivitätssteigerung winkt. Jedoch könnte diese in vielen Fällen auch durch maschinellen Einsatz oder der Steigerung von Technologieanteilen geschehen – weshalb Experten dringend öffentliche Diskussionen und Gespräche zwischen Arbeitnehmervertretern, Unternehmern und auch der Politik fordern. Nur so könne man zukunftsfähige Lösungen gestalten, die nicht nur wirtschaftliche Aspekte, sondern auch den Mensch als wertvolle Arbeitskraft in die Entscheidungsprozesse zu mehr Flexibilität und zugleich Effizienz auf dem Arbeitsmarkt einbezieht