Church Camping – Übernachten zwischen Altar und Orgel

Holy Nights: Champing

Camping ist schon seit Jahrzehnten eine erfolgreiche Urlaubsform. Genau da übernachten, wo es einen gerade hin verschlagen hat. Egal ob mit Zelt, Wohnwagen oder unter freiem Himmel – laut einer Forsa-Umfrage gefällt diese selbstbestimmte Urlaubsform jedem zweiten Deutschen. Doch nun gibt es im Bereich Camping einen kuriosen Trend: Das Champing. Hier spielen vor allem historische Kirchen eine besondere Rolle. Was sich dahinter verbirgt? Und ob sich der Trend weltweit ausbreiten kann?

Champing: Church + Camping

Zuallererst zur Definition: Champing ist eine Mischung aus dem englischen Wort Church (=Kirche) oder Chapel (=Kapelle) und dem altbekannten Wort Camping. Es geht also um das Campen in einem Gotteshaus. Ja – richtig gehört! Dieser kuriose Trend entwickelte sich in England: Statt in der freien Wildnis wird dort jetzt in coolen Kirchen übernachtet. Eine Initiative, die 2015 gestartet wurde. Und eine Tourismus-Möglichkeit, die übrigens auch noch Gutes tut.

Denn die ursprüngliche Idee kam vom britischen Churches Conservation Trust. Deren Ziel ist es, historische Kirchen vor dem Zerfall zu retten. „Unsere Landeskirchen sind etwas Einmaliges. Wenn wir sie erhalten wollen, müssen sie als kulturhistorische Orte Wertschätzung erhalten und das Besondere erlebbar machen“, sagt Peter Aiers, Konzept-Entwickler des Church Campings und Generaldirektor der Wohltätigkeitsorganisation. Die Organisation versucht durch neue Nutzungsmöglichkeiten die Kirchen zu erhalten, führt Sanierungen durch und hält die Gotteshäuser für die Öffentlichkeit offen. Und das klappt: Fast zwei Millionen Besucherinnen und Besucher nutzen das Angebot. Über 350 Kirchen und Kapellen wurden schon gerettet.

Champing: Eine Zeitreise zurück

Wer jetzt an ein Kissen auf dem Altar oder einen Schlafsack auf der Holzbank denkt, liegt zwar nicht ganz falsch, aber eben auch nicht ganz richtig. Wie aufwändig der historische Gebetsort hergerichtet wird, ist unterschiedlich: Von einem schönen, ruhigen Schlafplatz zwischen Altar und Holzbänken geht es bis hin zur modernen Couch auf der Empore. Vor allem in den sozialen Netzwerken lassen sich tolle Bilder und Eindrücke finden!  

Die erste originelle Champing-Kirche war übrigens die „Church of All Saints“ in Aldwincle, Northamptonshire. Eine weitere Champing-Kirche ist die „All Saints Church“ in Billesley, Warwickshire. Sie steht in dem kleinen Dorf, in dem Dichter William Shakespeare 1582 seine Frau Anne Hathaway heiratete. 

Viele Champer schwärmen von ihren einzigartigen Erfahrungen. Und das entgegen der ersten Vorstellung: Nicht unheimlich, sondern friedlich – so beschreiben einige ihr Erlebnis. Die nächtliche Kühle, die Stille der Kirche und die Natur. Gänsehaut pur. Das Angebot der Kirchen, in denen die Übernachtung möglich ist, wird dauernd erweitert. In Großbritannien sind es aktuell 22 Kirchen, in denen gechampt werden kann. „Unsere Champing-Kirchen sind eine Zeitreise zurück in die angelsächsische Geschichte. Sie sind der perfekte Rahmen, um Englands jahrhundertealte Kultur, unser Regionalerbe und unsere Handwerkskunst zu entdecken“, schwärmt auch Aiers. 

Champing: Bald ein weltweiter Trend?

Dass das Champing gut angenommen wird, zeigt sich darin, dass die Übernachtungsmöglichkeiten durchgehend ausgebucht sind. Im letzten Jahr waren es 1600 Champer! In den englischen Gotteshäusern kann nur sechs Monate lang im Jahr übernachtet werden, von Ende Mai bis Ende September. Der Winter entfällt – die Kirchen können nämlich nicht beheizt werden. Die Einnahmen gehen 1:1 in den Erhalt der historischen Kirchen. 

Eine Übernachtung für einen Erwachsenen kostet umgerechnet zwischen 55 und 70 Euro, für ein Kind zwischen 30 und 35 Euro – der Preis ist nämlich vom Wochentag abhängig. Zusätzlich wird auch ein Frühstück für umgerechnet 15 Euro angeboten. Von 18 Uhr abends bis 10 Uhr morgens sind die Champing-Gäste dann alleine in der Kirche. Je nach Größe des Kirchenschiffs können zwei bis 16 Personen übernachten.

Andere Arten der Kirchennutzung

Das Champing ist ein Modell für viele ländliche Kirchen auf der ganzen Welt. Auch in Amerika kommt der Trend schon zum Tragen – wie kann es auch anders sein? Die Idee Kirchen für weitere Zwecke zu nutzen, ist allerdings nicht neu. Hotels, Läden, Laufstege und Restaurants – Gotteshäuser werden und wurden schon vielfältig weitergenutzt. Und das rund um den Erdball: Eine Kirche als Designerhotel in Belgien oder eben als Laufsteg für die Fashion Week in Deutschland. Gotteshäuser sind trendy und chic. Weitere Informationen zum Church Camping gibt es unter: www.champing.co.uk.  |Text: Franziska Niebert