Bundesgerichtshof prüft Schmerzensgeldansprüche wegen Lebensverlängerung

Der Bundesgerichtshof (BGH) muss entscheiden, ob ein Arzt für die Lebensverlängerung eines schwerkranken Patienten durch künstliche Ernährung Schmerzensgeld zahlen muss. Der BGH verhandelte am Dienstag über die Schmerzensgeld- und Schadenersatzklage eines Manns gegen den Hausarzt seines 2011 verstorbenen Vaters, der jahrelang durch eine Magensonde künstlich ernährt wurde. Die Entscheidung der Bundesrichter dürfte wegweisend sein. Ein Urteil wird erst in einigen Wochen erwartet. (Az. VI ZR 13/18)

Der 1929 geborene Vater des Klägers litt an Demenz, konnte in seinen letzten Lebensjahren nicht mehr kommunizieren und sich auch nicht mehr bewegen. Hinzu kamen Lungen- und Gallenblasenentzündungen. Seit September 2006 bis zu seinem Tod im Oktober 2011 wurde der schwerkranke Mann durch eine Magensonde künstlich ernährt. Nach Ansicht seines Sohns führte dies spätestens seit Anfang 2010 "nur noch zu einer sinnlosen Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens". Offiziell stand sein Vater unter der Betreuung eines Rechtsanwalts.

Eine Patientenverfügung hatte der alte Mann nicht verfasst, auch sein mutmaßlicher Wille mit Blick auf lebenserhaltende Maßnahme ließ sich nicht feststellen. Sein Sohn ist dennoch der Ansicht, dass der Arzt das Ziel der Therapie hätte ändern müssen - nämlich dahingehend, das Sterben seines Vaters durch ein Ende der lebensverlängernden Maßnahmen zuzulassen. Weil er dies nicht tat, verklagte er den Hausarzt als Alleinerbe auf Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Das Landgericht München I wies seine Klage im Januar 2017 noch ab. Doch im Berufungsverfahren sprach ihm das Oberlandesgericht München im Dezember 2017 Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro zu, weil der Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Schadenersatzansprüche lehnte das Gericht dagegen ab. Gegen das Urteil legten beide Seiten Revision vor dem BGH ein.

Der Fall bewege sich in einem "sehr sensiblen Bereich", sagte die Vorsitzende Richterin Vera von Pentz in der mündlichen Verhandlung. Der Mensch habe zwar das Recht, über den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu entscheiden. Die Frage sei aber nun, "ob im Weiterleben ein Schaden gesehen werden kann".

Der Anwalt des Arztes vor dem BGH, Siegfried Mennemeyer, hob hervor, Menschen könnten zwar frei entscheiden, ob sie leben wollten oder nicht. Wenn ein Patient diesen freien Willen nicht mehr habe, liege die Aufgabe beim Betreuer. "Der Arzt kann diese Entscheidung nicht treffen", sagte Mennemeyer am Rande des Verfahrens.

Der Medizinrechtsexperte und Anwalt des Klägers, Wolfgang Putz, forderte dagegen nach der Verhandlung, Ärzte sollten in solchen Fällen von sich aus an die Betreuer der Patienten herantreten und ihnen sagen, dass sich das Therapieziel ändern müsse. "Wir können nicht so tun, als wenn Medizin wertfrei sei", sagte Putz. Irgendwann müsse überlegt werden, ob es vertretbar sei, "entsetzliche Zustände zu verlängern".