Kabinett billigt Gesetz zu neuer Lastenverteilung zwischen den Krankenkassen

Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen soll fairer werden: Das Bundeskabinett billigte am Mittwoch ein Gesetz, das einen neuen Lastenausgleich zwischen den Anbietern festschreibt. Ziel ist unter anderem eine Reform des Risikostrukturausgleichs (RSA) zwischen Kassen mit eher jungen und gesunden Mitgliedern und solchen, deren Versicherte im Durchschnitt älter sind und häufiger erkranken - und die damit höhere Kosten verursachen. Einer Studie zufolge könnten sich bei den gesetzlichen Kassen bis 2040 Schulden von nahezu 50 Milliarden Euro anhäufen.

Nach der Vorlage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll der RSA künftig die regionale Verteilung der Versicherten und - anders als bisher - alle Krankheiten berücksichtigen. Zudem werden ein Risikopool für besonders teure Fälle der Krankenkassen und eine Vorsorge-Pauschale zur Förderung von Präventionsmaßnahmen durch die Kassen eingeführt.

"Wir machen den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen gerechter", erklärte Spahn. "Die Versicherten sollen eine faire Wahl treffen können, die Preis und Leistung berücksichtigt." Und sie sollten bei Kassen mit überhohen Rücklagen nicht mehr Beitrag zahlen als nötig.

Der Verband der Ersatzkassen lobte die RSA-Reform als "stimmiges Gesamtpaket", das zu fairen Wettbewerbsbedingungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) führe und Manipulationsanreize reduziere.

Nach Kritik hat Spahn auf sein Vorhaben verzichtet, regionale Kassen wie die AOKs bundesweit für Mitglieder zu öffnen. Damit zufrieden zeigte sich der Deutsche Beamtenbund (DBB). Die "Zwangsöffnung" habe für die Versicherten zunächst nach mehr Wahlfreiheit geklungen, hätte aber die Versorgung in der Fläche gefährdet, erklärte DBB-Vize Maik Wagner.

Das Gesetz enthält zudem Neuregelungen, von denen Kritiker eine Schwächung der Sozialen Selbstverwaltung befürchten. Zusätzlich zum Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes soll es einen Lenkungs- und Koordinierungsausschuss mit hauptamtlichen Kassenvorständen geben. Von diesem neuen Gremium erhofft sich Spahn mehr Transparenz bei Entscheidungen zur medizinischen Versorgung.

Der GKV-Verwaltungsrat fürchtet nun eine Schwächung der Selbstverwaltung. Der neue Lenkungs- und Koordinierungsausschuss schränke die Kompetenz der bestehenden Organe erheblich ein, erklärte der GKV-Verwaltungsratsvorsitzende Volker Hansen. Auch die Gewerkschaften sehen in dem Gesetzentwurf einen Angriff auf die Selbstverwaltung.

Erleichterungen enthält das Gesetz für die Krankenhäuser: Um Tarifsteigerungen in der Pflege zu finanzieren, sollen die Kliniken im kommenden Jahr einmalig 250 Millionen Euro erhalten. Die Mehrausgaben sollen den Krankenkassen durch eine einmalige Entnahme aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds erstattet werden.

Wie aus der am Mittwoch in Gütersloh veröffentlichten Analyse des IGES-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht, müsste der Beitragsatz von derzeit 14,6 Prozent schrittweise auf 16,9 Prozent steigen, um die vorausberechneten künftigen Ausgabensteigerungen zu finanzieren.

Derzeit erwirtschaften die gesetzlichen Krankenkassen nach Angaben der Stiftung "Rekordüberschüsse", hieß es in der Studie. Dies werde sich ab Mitte der 2020er Jahre laut Simulationsrechnungen aber ändern. Bei den gesetzlichen Kassen könnten sich dann bis 2040 Schulden von nahezu 50 Milliarden Euro anhäufen.