Den Stars und Sternchen so nah mit Jana: Max Prosa im Interview – Warum er mehr ist als nur der „deutsche Bob Dylan“
Lyrische Meisterwerke
Max Prosa, geboren als Maximilian Podeschwig, hat sich über die Jahre als einer der einzigartigsten Singer-Songwriter Deutschlands etabliert. Er ist ein Musiker, der Worte atmen lässt, ein Liedermacher, dessen Texte wie kleine Gedichte die Geschichten des Lebens erzählen. Zwischen analogen Notizbüchern und der Bühne, zwischen Intuition und Bandproben schafft er Räume, in denen Menschen innehalten, zuhören und sich wiederfinden. Seine Songs tragen Melancholie und Humor, Poesie und Wahrhaftigkeit, sie reflektieren die Zeit, in der wir leben, und besitzen gleichzeitig etwas Zeitloses. Unsere Redaktionsleitung Jana sprach mit Max Prosa über seine kreativen Prozesse und die Kunst, in einer immer schneller werdenden Welt Musik zu schaffen, die „bleibt“.
Die Idee war plötzlich da. Ich suchte damals etwas, das leichter auszusprechen und zu finden ist als mein bürgerlicher Name Podeschwig – die Leute wussten nie, wie man ihn schreibt oder ausspricht. Also lag ein Künstlername nahe. Und eines Tages tauchte Max Prosa spontan in meinem Kopf auf. Er fühlte sich sofort richtig an, einfach passend für mich. Mit 19 bin ich dann zum ersten Mal unter diesem Namen aufgetreten – und seitdem ist er geblieben.
Wenn Du Deinen Stil in wenigen Worten beschreiben müsstest – welche wären das?
Das fällt mir immer schwer, weil mein Schaffen nichts Aufgesetztes ist. Alles entsteht einfach, wenn ich schreibe – ohne Filter, ohne den Versuch, etwas Bestimmtes zu sein. Es ist das, was aus mir herauskommt, geprägt von allem, womit ich aufgewachsen bin, was mich inspiriert und genährt hat. Vielleicht kann man sagen: Mein Stil ist die Essenz dessen, was in mir klingt.
Was würdest Du sagen: Was unterscheidet Dich von anderen Singer-Songwritern?
Vielleicht die Themen, die ich mir suche. Ich habe keinen Hang zu Smalltalk-Songs. Für mich muss ein Lied etwas erzählen, das sich wirklich lohnt, ausgesprochen zu werden – etwas, das Tiefe hat. Ich folge eher dem, was Bedeutung trägt, als dem, was sich leicht singt.
Gibt es Musiker oder andere Persönlichkeiten, die Dich geprägt haben?
Ich bin mit den großen amerikanischen Songwritern aufgewachsen – Leonard Cohen, Bob Dylan, Neil Young. Und in Deutschland waren es Rio Reiser und Reinhard Mey – diese liefen viel bei meiner Mutter. Manche sagen sogar, dass man das in meiner Stimme wiedererkennt. Die genannten Künstler haben mich sicher geprägt, bewusst und unbewusst.
Du hast schon eine Menge Alben veröffentlicht – wie schaffst Du es, so produktiv zu sein, und woher holst Du Deine Inspiration?
Ich setze mich einfach jeden Tag wieder hin – meistens morgens – und schreibe. Das ist für mich wie ein Handwerk: Wenn man viel schreibt, kommt auch viel nach. Von außen wirkt das vielleicht sehr produktiv, aber ich erlebe zusätzlich all die Momente, in denen nichts entsteht oder ich alles wieder verwerfe. Doch wenn man regelmäßig Zeit investiert, bleibt immer wieder etwas hängen. Vielleicht jedes zehnte Mal. Und das reicht schon, um ein Album entstehen zu lassen.
Wie sehr lässt Du beim Songwriting den Zufall wirken?
Es wäre gar nicht erstrebenswert, das ganze innere Chaos komplett zu ordnen. Im besten Fall "surft" man ein bisschen darauf – zwischen Zufall und Ordnung. Und irgendwann findet das Ganze einen Rhythmus. Dann entsteht etwas Gutes.
Deine Lieder klingen oft wie Gedichte, die Musik gefunden haben. Woran merkst Du, dass ein Text ein Lied werden will – und wann bleibt er ein Gedicht?
Das ist Intuition. Ein Lied hat eine andere innere Form – meist einen Refrain, zu dem es immer wieder zurückkehrt. Wie eine Geschichte, die regelmäßig ihr zentrales Thema berührt. Ein Gedicht dagegen folgt eher einer Richtung, einer Aussage. Es wiederholt sich anders – durch Reime, durch Bilder –, aber ohne dieses Zurückkehren. Man spürt einfach, welche Form ein Text möchte.
Gibt es einen Song, der anders wurde, als Du es geplant hattest?
Ja, auf meinem neuen Album, welches im Februar erscheint. Dieses heißt "Der Garten" und es beinhaltet ein Lied namens "Tee und Becher". Beide Dinge sind mir im Traum erschienen und daraus hat sich dann wie von selbst eine kleine Geschichte gesponnen: einfach erzählt, aber mit viel Tiefe. Dieses Lied singe ich im Moment besonders gerne – Vielleicht, weil es mich selbst überrascht hat.
Was erwartet uns auf diesem neuen Album?
Es ist wieder ein Band-Album geworden. Nach einer längeren Phase, in der ich viel solo am Klavier gespielt habe, wollte ich diesen gemeinsamen Klang zurück – ein bisschen wie zu den "Die Phantasie wird siegen-Zeiten". Passend dazu erscheint im Dezember ein Remaster meines Debütalbums. Im Anschluss folgt dann "Der Garten": Geschichten, Poesie, Musik – eine Reise durch Zeit und Raum, durchs Leben, durchs Sterben, durch die Liebe und alles, was dazugehört.
Was bereitet Dir mehr Spaß – im Studio zu produzieren oder live auf der Bühne?
Meistens hält sich das ziemlich die Waage. Nach einem Sommer mit vielen Konzerten spüre ich oft: Jetzt braucht es wieder einen Wechsel. Dann kommt eine Schreibphase, die sich ganz anders anfühlt. Und wenn ich genug getextet habe, entsteht irgendwann der Wunsch, ins Studio zu gehen. Im besten Fall greifen diese Phasen einfach ineinander – jede hat ihre Zeit.
Du hast mal gesagt, Du weißt vor einem Konzert nie genau, was passieren wird. Wie wichtig ist Dir diese Unvorhersehbarkeit – dieses gemeinsame Entstehen eines Abends?
Für mich gehört das unbedingt dazu. Ein Teil des Auftritts soll natürlich verlässlich sein – die Lieder, der rote Faden, die Atmosphäre. Aber daneben benötigt es außerdem etwas, das nur an diesem einen Abend passiert. Dafür gibt es bei mir eine Box, in die das Publikum Zettel mit Botschaften werfen kann. Ich weiß vorher nicht, was darin landet, und nur teilweise kann ich beeinflussen, wohin es führt. Im besten Fall aber kann ich mich an den Worten der Menschen entlanghangeln und so einen Moment schaffen, der nur diesem Konzert gehört – und genau deshalb im Gedächtnis bleibt.
Welches Deiner Konzerte ist Dir besonders in Erinnerung geblieben?
Es sind weniger bestimmte Orte oder Abende als vielmehr diese einzelnen "Zettel-Botschaften" vom Publikum. Oft teilen sie darin ganz schlicht ihre Geschichten oder Schicksale. Und manchmal entsteht dann dieser besondere Moment, in dem sich plötzlich alle im Raum verbunden fühlen – weil jeder solche Erfahrungen kennt. Es ist fast wie ein kleiner Zauber: Dass ein einzelnes, sehr persönliches Schicksal auf einmal etwas Kollektives auslöst. Diese Augenblicke passieren mal häufiger, mal seltener, aber sie sind immer die schönsten.
Bei Deinen Auftritten kehrt auch mal Stille ein…
Ja, das passiert öfter. Applaus passt oft gar nicht so gut – das kennt man ja so von Gedichten. Ein Lied wird traditionell beklatscht, aber ein Gedicht verlangt oft einfach nach Raum, um nachzuklingen zu können. Diese Stille spürt man in meinen Konzerten immer wieder, und ich empfinde sie als etwas sehr Wertvolles. Manchmal merke ich, dass die Leute unsicher sind und denken: "Wir müssen doch klatschen, sonst glaubt er, es hat uns nicht gefallen." Dann sage ich manchmal dazu, dass ich mein Selbstvertrauen nicht an diese Stille hänge. Im Gegenteil: Viele meiner Texte brauchen genau das – einen Moment, in dem nichts passiert und alles nachwirken darf.
Du wirkst sehr ruhig, fast meditativ. Was passiert in Dir, bevor Du Dein Publikum begeisterst?
Kurz vor einem Auftritt gehe ich nochmal ganz in mich. Ich habe da verschiedene Techniken – ein bisschen Yoga, ein bisschen innere Einkehr. Eine Art Konzentration, fast schon eine Beschwörung muss vorherrschen, wenn so ein Abend beginnt. Ich nehme das sehr ernst: Da kommen hunderte Menschen und schenken mir ihre kostbare Zeit. Dieser Verantwortung möchte ich gerecht werden. Gerade mit den Botschaften aus der Box sind schnelle Entscheidungen und viel Intuition von Nöten. Und dafür muss ich innerlich bereit sein.
Du durftest bei „Inas Nacht“ auftreten. Wie hast Du diese besondere Atmosphäre wahrgenommen?
Das war ganz am Anfang meiner Laufbahn – alles war noch neu und aufregend. Ich hatte zuvor in Berlin vor einer Handvoll Leute gespielt, und plötzlich war ich mit dem deutschen Sänger Clueso auf Tour und stand in dieser beliebten Late-Night-Show. Ich kannte kaum jemanden dort, habe einfach meine Lieder gesungen und gemerkt, dass sie bei einigen etwas auslösen. Und tatsächlich kommen bis heute Menschen zu meinen Konzerten und sagen: "Ich habe Dich damals zum ersten Mal bei Inas Nacht gesehen." Das ist schon schön.
Dein Duett mit Hannah Herzsprung hat viele berührt – eine Schauspielerin, ein Liedermacher, und dazwischen eine sehr besondere Stimmung. Wie ist diese Zusammenarbeit entstanden?
Das kam über den Regisseur Chris Kraus zustande. Er arbeitete damals an "15 Jahre", der Fortsetzung von "Vier Minuten", und suchte dafür keine klassische Filmmusik, sondern richtige Songs, die Teil der Geschichte werden. Also habe ich mehrere Stücke für die Rolle geschrieben. Eines davon war "Verschwende Dich". Beim Arbeiten daran entstand zwischen Hannah und mir eine besondere künstlerische Nähe, und so haben wir den Song später für mein Album gemeinsam eingesungen.
Du agierst sehr bewusst – mit Stift, Papier und Band. Wie blickst Du auf eine Welt, die oft von Geschwindigkeit lebt?
Ich weiß sehr genau, was mein Aufgabenbereich ist: Das sind Worte. Mit ihnen arbeite ich, und dafür habe ich meine eigene Art und meine eigenen Wege. Die lassen sich nicht einfach ersetzen oder beschleunigen. Vieles, was in der Welt passiert, kann ich ohnehin nicht beeinflussen. Aber ich kann auf Tour gehen, Räume öffnen und Abende schaffen, in denen Menschen sich begegnen und miteinander verbunden fühlen. Diese Momente tragen viele selbst danach noch ein Stück mit sich. Und genau das ist richtig so!
Was bedeutet Dir „Nähe“ in Zeiten von Streaming?
Das ist für mich unersetzlich. Natürlich gibt es Songs, die millionenfach gestreamt werden und eher im Hintergrund laufen – das ist eine eigene, sehr schnelle Welt. Aber der direkte Kontakt, hat eine ganz andere Tiefe. Deshalb versuche ich, genau diese Form der Begegnung zu bewahren. Zum Beispiel mit meinen „Fotografien in Worten“: Menschen erzählen mir ihre Geschichten, und ich forme daraus Gedichte – Dies verbindet auf eine ganz besondere Weise.
Du möchtest Musik schaffen, die „bleibt“. Woran merkst Du, dass Dir das gelungen ist?
Vor allem an den Nachrichten, die ich bekomme. Menschen schreiben mir, dass ein Lied oder ein Gedicht sie berührt hat oder sie durch schwierige Lebensphasen begleitet. Musik kann Halt geben oder ein innerer Ort sein, an dem man Kraft oder Inspiration findet, wenn man gerade danach verlangt. Erzählt mir jemand, dass meine Worte genau das für ihn getan haben, spüre ich, dass etwas geblieben ist. Und das ist für mich Grund genug, weiterzumachen.















