Die Seferi-Brüder im Interview

Es ist ein ganz normaler Montagabend. Die Kälberhalle ist gut gefüllt, Menschen unterhalten sich. Die Bedienungen tragen ein Tablett nach dem anderen an die Tische, Bier fließt aus dem Zapfhahn. So gut wie noch nie läuft es in der Kälberhalle, seit die Wirtsfamilie Seferi das Ruder übernommen hat.

Von Spülern zu Großgastronomen

Dass die vier bayerischen Traditions-Gaststätten so erfolgreich sind, ist ganz besonders Fatmir und Faton Seferi zu verdanken. Seit 1998 ist Fatmir Seferi in Deutschland, sein Bruder Faton kam 2003 hinterher und der älteste Bruder Ilir, der heute die Gasthäuser „Zum Ochsen“ in Göggingen und den „Haunstetter Hof“ betreibt, kam bereits 1993 in die Fuggerstadt. Wir sprachen mit den Brüdern Fatmir und Faton, die mittlerweile deutsche Staatsbürger sind, über ihre Erfolgsgeschichte.

TRENDYone: Fatmir, wann kamst Du nach Deutschland und wie hat es angefangen mit Eurer Erfolgsgeschichte?

• Fatmir Seferi: In meiner Heimat im Kosovo herrschte Krieg, wir mussten fliehen. So kam ich im April 1998 nach Augsburg. Begonnen habe ich im Schnitzelhaus als Spüler und Küchenhelfer, da ich arbeiten wollte. Nach einem halben Jahr ging ich nach Kissing ins Restaurant Poseidon. Dort habe ich als Koch begonnen und wurde später Küchenchef. Im September 1999 arbeitete ich in Friedberg in einem italienischen Lokal als Thekenkraft und Kellner. Ein Jahr später fing ich bei den Zeughaus Stuben an, wo ich vier Jahre als Restaurantleiter tätig war. 2003 haben wir parallel dazu das Restaurant Adria in Göggingen übernommen, 2005 das Blaue Krügle in der Augsburger Altstadt und im August 2006 haben wir den Ochsen übernommen, im Oktober 2006 dann den Haunstetter Hof und im April 2008 die Zeughaus Stuben. Im Oktober 2011 kam der Weiße Hase dazu und im Dezember 2014 dann die Kälberhalle. Seit Juli ist auch der König von Flandern in unserer Hand. Letztes Jahr hat sich unser großer Bruder Illir von uns geschäftlich getrennt. Er führt seitdem selbstständig den Ochsen und den Haunstetter Hof.

Was war Euer Traum als Schüler und wie wurde dieser zunichte gemacht? 

• Fatmir: Wir wollten alle im Kosovo studieren, aufgrund des Krieges in Ex-Jugoslawien ging das leider nicht mehr und wir mussten unser Studium aufgeben. Unser Traum war ein vernünftiges Studium und eine Karriere. Also etwas ganz anderes als das, wir heute machen. Wir waren gute Schüler, unser Vater war Professor. Da war es klar, dass alle Seferi-Söhne auf die Uni gehen. Während dem Krieg waren die Schulen aber geschlossen und die Albaner haben eine eigene Republik gegründet und einen Parallelstaat aufgebaut. Unser Vater hat parallel dazu unter- richtet. Irgendwann hat dies nicht mehr funktioniert und der Krieg begann. Es gab viele Demos und 1998 ist in unserem Dorf Krieg ausgebrochen. So stieg ich als 17-jähriger Junge am 21. März 1998 in einen Bus Richtung Deutschland und hatte Glück, dass ich nicht getötet worden bin.

Faton, warum bist Du im Kriegsgebiet geblieben?


• Faton: Ich blieb bei meinen Eltern und meiner Oma. Sie wollten das Haus nicht verlassen. Ich war damals 14 Jahre alt und habe viele Massaker selbst erlebt. Das war schrecklich, diese Bilder kommen mir immer wieder in den Sinn, wenn ich darüber spreche. Unsere Familie hat damals viel Geld gegeben, sonst wären wir erschossen worden. Unser ältester Bruder Illir ging schon früher und hat in Deutschland damals einen Asylantrag gestellt.

Wie ging es dann in Deutschland weiter?

• Fatmir: Mein Vater hat immer gesagt, erwarte nicht, dass Dich die Deutschen ohne die deutsche Sprache akzeptieren. Deshalb musste ich als erstes Deutsch lernen. Studieren durfte ich nicht. So fing ich in einer Spülküche an. Ein halbes Jahr später machte ich den Führerschein, und zwar auf Deutsch. Faton kam dann nach Augsburg, als ich bereits der Geschäftsführer der Zeughaus Stuben war.

Fatmir, hättest Du diesen Erfolg erwartet?


• Fatmir: Ich habe nie gedacht, dass unsere Familie heute sechs Restaurants führt. „Fleißig und ehrlich sein und viel arbeiten. Erfolg kommt dann von alleine“. Das Schicksal und der liebe Gott wollte es so. Wir arbeiten jeden Tag, um die Betriebe aufrecht zu erhalten.

Faton, hast Du es bereut, dass Du kein Zahnarzt geworden bist?


• Faton: Mein Ziel war ja, hier in Deutschland zu studieren. Dann hatten wir die ersten Restaurants aufgemacht und ich ging auch als Chef in die Spülküchen. Nach der Arbeit in der Küche musste ich raus in die Gaststube und das Management lernen. Aber der Umgang mit den Kunden macht mir viel Spaß. Deshalb habe ich es nie bereut, mein Medizinstudium nicht fertig gemacht zu haben.

Plant Ihr noch weitere Gastro-Übernahmen in Augsburg?


• Fatmir: Zurzeit planen wir nicht mit weiteren Gaststätten. Ich schließe aber nicht aus, dass wir in Zukunft weitere Lokalitäten übernehmen werden. Kommt darauf an, was sich ergibt.
Alles Gute für die Zukunft. Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Roth.