Elke Hehl von der IHK Schwaben über den Einzelhandel als Erlebnisort

„Einzelhändlern fällt es immer schwerer, die Mietkosten zu erwirtschaften!“

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Bild: Elke Hehl
„Der stationäre Einzelhandel befindet sich in einer Phase tiefgreifender Umbrüche. Die Folgen der Corona-Pandemie, weltweite Krisen und die anhaltend hohe Inflation setzen viele Händlerinnen und Händler unter erheblichen Druck. Gleichzeitig verschärfen strukturelle Herausforderungen wie der zunehmende Personalmangel und überbordende Bürokratie die Situation.
Auch das Konsumverhalten hat sich spürbar verändert: Immer mehr Käufe werden online getätigt, während der private Konsum insgesamt stagniert. Viele Menschen geben ihr Geld gezielter aus, konsumieren seltener und zurückhaltender – die Sparquote ist im vergangenen Jahr auf 11,4 Prozent gestiegen. Der stationäre Handel kämpft in diesem Umfeld mit sinkenden Umsätzen, steigenden Betriebskosten und dem Verlust an Sichtbarkeit. Die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte nimmt weiter ab, was sich zunehmend in Leerständen in Stadtteilzentren und Innenstädten zeigt. Hinzu kommt, dass selbst wirtschaftlich gesunde Betriebe immer häufiger keinen Nachfolger finden – sie werden nach und nach aufgegeben, oft still und schleichend.
Um sich erfolgreich zu behaupten, muss der stationäre Einzelhandel gezielt seine besonderen Stärken ausspielen. Dazu zählen vor allem die persönliche, fachkundige Beratung vor Ort, der Aufbau einer vertrauensvollen Kundenbeziehung sowie die emotionale Einkaufserfahrung im Geschäft. Elemente wie eine ansprechende Ladengestaltung, kreative Schaufensterdekorationen oder besondere Veranstaltungen schaffen Erlebnisse, die weit über den reinen Produktkauf hinausgehen. Ob Modenschauen, Lesungen, Produktpräsentationen oder exklusive Shopping-Zeiten – viele Händlerinnen und Händler zeigen hierbei große Kreativität.
Ein reines Ladengeschäft in Innenstadtlage genügt heute jedoch nicht mehr, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Notwendig ist der konsequente Ausbau digitaler Sichtbarkeit und ergänzender Online-Vertriebskanäle, um die stationäre Präsenz wirkungsvoll in die digitale Welt zu verlängern. Eine enge Verzahnung von analogem und digitalem Geschäft wird dabei zunehmend zur Schlüsselstrategie. Vielen Einzelhandelsunternehmen fällt es immer schwerer, die Miete für ihr Ladengeschäfts zu erwirtschaften. Reduzierte oder auch flexible Mietmodelle können dazu beitragen, die finanziellen Belastungen in umsatzschwachen Monaten abzufedern und die Existenz des Geschäftsstandorts langfristig zu sichern.
Städte und Politik können die Situation im Einzelhandel auf vielfältige Weise positiv beeinflussen. Eine zentrale Maßnahme ist die Entwicklung attraktiver und lebendiger Innenstädte, etwa durch ansprechende Gestaltung öffentlicher Räume, die zu längerem Aufenthalt, auch ohne Konsum, einladen, kulturelle Veranstaltungen oder die gezielte Ansiedlung vielfältiger Branchen. Dadurch wird die Innenstadt als Erlebnisraum gestärkt und der stationäre Handel profitiert von höherer Besucherfrequenz. Zudem ist der Ausbau der digitalen Infrastruktur wichtig. Der Handel selbst sollte bei der Digitalisierung durch Fördermittel oder steuerliche Entlastung unterstützt werden. Smarte Parksystem und kostenfreies WLAN erleichtern den Innenstadtbesuch Ein wichtiger Faktor ist auch die die Zusammenarbeit auf lokaler Ebene. Kommunen sollten den Dialog mit allen Innenstadtakteuren – Einzelhandel, Gastronomie, Immobilienbesitzern und Bürgerinnen und Bürgern aktiv fördern – etwa durch runde Tische, Citymanagement oder Kooperationsplattformen. Gemeinsame Stadtmarketing-Kampagnen, abgestimmte Öffnungszeiten oder Veranstaltungen wie verkaufsoffene Sonntage lassen sich so effektiver umsetzen.
Wenn alle Akteure in einer Stadt gemeinsam an einem Strang ziehen und offen sind für neue Ideen, entsteht eine lebendige Innenstadt, die dem wachsenden Druck durch Onlinehandel und strukturellen Wandel besser begegnen kann.“