Förderungswerk hilft Lehrlingen beim Abnehmen

Einrichtung bietet Konzept für übergewichtige Jugendliche

Jenny hat ein schwerwiegendes Problem: Die 23-Jährige wiegt weit über 100 Kilo und musste deswegen ihre erste Berufsausbildung als Beiköchin aufgeben. Sie schämt sich dafür. Im Förderungswerk St. Nikolaus in Dürrlauingen hat sie eine zweite Chance bekommen. Wenn alles glatt geht, schließt Jenny 2017 ihre Ausbildung als Raumausstatterin mit dem Gesellenbrief ab. Sie gehört zu einer Projektgruppe mit aktuell acht stark übergewichtigen Teilnehmern, die in verschiedenen Wohngruppen in Dürrlauingen untergebracht sind.

Bei Jenny zeigt sich auch, wie die professionelle Zusammenarbeit verschieden spezialisierter Einrichtungen der Katholischen Jugendfürsorge (KJF) funktioniert: nach ersten Untersuchungen in der KJF-Fachklinik Josefinum in Augsburg war sie zur Reha in der zum gleichen Träger gehörenden Alpenklinik Santa Maria in Oberjoch. Danach ist sie dann zur Ausbildung in das Förderungswerk nach Dürrlauingen gekommen, das zu den Berufsbildungs- und Jugendhilfezentren der KJF gehört – ein langer Weg, der von der Zuwendung zum einzelnen Menschen gekennzeichnet ist und dauerhaft ein zufriedenes und selbstbestimmtes Leben möglich werden lässt.

Das Thema Ernährung ist freilich nur ein Pfeiler des Konzepts. Zentraler Punkt ist die psychologische Arbeit. „Diese Jugendlichen haben schon viel Scheitern erlebt“, sagt Psychologin Melanie Blattner, die die Projektgruppe leitet. Im Einzelkontakt oder in der Gruppe spricht sie mit den Betroffenen über das Selbstwertgefühl und das Ich-Verständnis. „Wir wollen die Selbstwirksamkeit wecken.“ Die Betroffenen müssten erkennen, dass Hilfe von außen nur begrenzt weiterbringt und jeder zu sich selbst sagt: „Nur ich allein kann mich aus dem Dilemma rausziehen.“ Einzig eine grundlegende Verhaltensänderung führe zu dauerhaftem Erfolg.

Dazu zählt natürlich auch die Einsicht, sich möglichst viel zu bewegen. Der dritte Pfeiler fußt in Dürrlauingen deswegen auf einem speziellen Sport- und Fitnessangebot. Einmal die Woche besucht Jenny morgens einen Gymnastikkurs im Förderungswerk, der sich speziell an die übergewichtigen Bewohner richtet. Dieser findet bewusst in Kleingruppen von drei oder vier Personen statt, weil der Kursleiter dabei mehr auf die Schwächen des Einzelnen eingehen kann. Denn: Neben dem Verbrennen von Kalorien geht es darum, die Beweglichkeit der Teilnehmer zu fördern. Das ist im Fall von Jenny, die als Raumausstatterin auch auf hohe Leitern steigen muss, ein wichtiges Puzzlestück zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss. Projektleiterin Melanie Blattner fasst die Bemühungen so zusammen: „Wir wollen die jungen Leute befähigen, ein normales, zufriedenes und gesundes Leben zu führen.“

Übergewicht und mögliche Ursachen

Die Zahl der jungen Menschen mit starkem Übergewicht steigt stetig, so die Erkenntnis von Dr. Gereon Schädler, der solche Kinder und Jugendliche im Josefinum in Augsburg behandelt. Es gebe eine Vielzahl von Ursachen, nur ganz selten spielten genetische Faktoren eine Rolle.
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Das erste Übel nähmen Babys bereits mit der Flasche auf: „Die fertige Milch hat viel mehr Eiweiß und Proteine als Muttermilch. Das macht dick.“ Einer der schlimmsten Faktoren ist nach Ansicht des Mediziners allerdings Glutamat, das in hoher Konzentration in Fast-Food und Fertignahrung stecke. „Es sorgt für eine Überstimulation des Appetits.“ Gleichzeitig steckten in diesen Produkten auch gehärtete Fette. „Durch diese Kombination explodiert die Gewichtszunahme geradezu.“ Außerdem sei unser Körper nicht mehr auf bittere Lebensmittel eingestellt und entwickle dadurch eine Vorliebe für Süßes. Laut Dr. Schädler ist Übergewicht heutzutage kein kleines Problem. Kinder, die vor Fernseher oder Spielkonsole sitzen, bewegen sich nach Ansicht von Dr. Schädler weniger und ernähren sich oft nicht bewusst genug. Am Ende münde dies häufig in einen Teufelskreis: Wer dick ist, wird gemobbt, zieht sich zurück und nimmt weiter zu. Diese könne später auch zu psychischen Problemen oder zu Alkohol- und Drogenmissbrauch führen.

Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e.V. (KJF)

Die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e.V. (KJF) wurde 1911 gegründet. Sie ist ein Gesundheits- und Sozialdienstleister mit rund 80 Einrichtungen und Diensten im Gebiet zwischen Lindau, Neu-Ulm, Nördlingen, Aichach und Murnau. Dazu gehören unter anderem Angebote der Medizin mit mehreren Kliniken, der Berufsbildung für behinderte und nicht behinderte Jugendliche und Erwachsene mit Berufsbildungswerken und Vermittlungsdiensten, der Kinder- und Jugendhilfe mit Wohngruppen, Tagesstätten, Beratungsstellen und mobilen Diensten sowie mehrere Schulen.
Die rund 4.000 Beschäftigten des Verbandes helfen im Jahr 80.000 Kindern, Jugendlichen und Familien bei Schwierigkeiten und Fragen. Vorstandsvorsitzender der KJF ist Markus Mayer, Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Domkapitular Armin Zürn.

Weitere Informationen zur KJF finden Sie unter www.kjf-augsburg.de.