Deutschland und Frankreich wollen Europa "digital souverän" machen

Smartphones aus Südkorea, Laptops aus China, Chips aus Taiwan und Software aus den USA - Deutschland und Europa sind im digitalen Bereich hochgradig abhängig. US-Digitalkonzerne wie Google, Amazon und Microsoft machen derzeit zudem mit massiven Investitionen in die Entwicklung Künstlicher Intelligenz von sich reden. Deutschland und Frankreich organisieren nun am Dienstag einen gemeinsamen Gipfel für "digitale Souveränität" - Europa soll unabhängiger werden.

"Wir müssen in verschiedensten politischen und ökonomischen Bereichen souveräner werden, unabhängiger werden", sagte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) am Montag. "Wir können uns nicht mehr darauf verlassen, dass Amerika uns verteidigt, dass China uns Rohstoffe liefert und dass Russland irgendwann wieder für den Frieden ist."

"Digitale Souveränität bedeutet nicht Autarkie nach dem Motto 'Wir machen künftig alles selbst'", betont dabei der Präsident des Digitalverbandes Bitkom, Ralf Wintergerst. Aber Deutschland müsse "erfolgreich reagieren können, wenn es von Lieferländern unter Druck gesetzt wird". Derzeit bestehe in vielen Bereichen eine große Abhängigkeit von einzelnen ausländischen Lieferanten.

Amazon ist zum Beispiel bei weitem der wichtigste Anbieter von Cloud-Dienstleistungen. Microsofts Office-Programme sind für viele Unternehmen unabdingbar. "Der Gipfel für europäische digitale Souveränität muss Impulse geben, um die Unabhängigkeit Deutschlands und Europas in der digitalen Welt wirksam zu stärken", sagte Wintergerst

Deutschland und Frankreich wollen zunächst gemeinsam einen Appell an die EU-Kommission richten, damit diese EU-Vorgaben vereinfacht. Dabei geht es unter anderem um das KI-Gesetz, nach französischen Angaben fordern Paris und Berlin unter anderem, dass bestimmte Vorgaben für KI-Anwendungen erst ein Jahr später als geplant zur Anwendung kommen.

Auch die Datenschutzgrundverordnung der EU sollte demnach abgeschwächt werden, um sie "innovationsfreundlicher" zu machen - insbesondere mit Blick auf KI, wie es aus Paris heißt. Von deutscher Seite wird betont, dass Datenflüsse innerhalb der EU für die Wirtschaft vereinfacht werden sollten, "kritische" Daten dabei aber innerhalb der EU verbleiben müssen.

Es ist ein schmaler Grat, denn viele der EU-Digitalgesetze wurden explizit mit Blick auf die Dominanz der US-Konzerne konzipiert. Unternehmen kritisieren jedoch, dass sie auch Innovation hierzulande zu enge Grenzen setzen. Die EU-Kommission will am Mittwoch ihre Vorschläge für Vereinfachungen ihrer Digitalgesetzgebung vorlegen. Aus Berlin hieß es dazu, dass es bisher so aussehen, als werde den deutsch-französischen Forderungen weitgehend Rechnung getragen.

Bislang sind sich auch Deutschland und Frankreich nicht in allen Punkten einig. Etwa drängt Paris bei der Vergabe öffentlicher Aufträge darauf, dass europäische Unternehmen bevorzugt werden sollten. In Deutschland werden derartige protektionistische Maßnahmen eher kritisch gesehen.

Berlin und Paris wollen auch die Entwicklung einer europäischen digitalen Brieftasche, der sogenannten Digital Wallet vorantreiben. Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) hatte in diesem Zusammenhang bisher vor allem vereinfachte Bezahlmöglichkeiten hervorgehoben. Frankreich will die digitale Brieftasche auch als Identifikationsmöglichkeit nutzen - etwa um Altersbeschränkungen für Kinder und Jugendliche im digitalen Raum durchzusetzen.

Nach Reden von Kanzler Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Berliner Gasometer ist für Dienstag noch ein Runder Tisch mit Wirtschaftsvertretern geplant. Erwartet werden dabei Investitions- und Kooperationsankündigungen vor allem von deutschen und französischen Unternehmen. In Berlin wurden unter anderem der Softwarekonzern SAP, Unternehmen aus dem Rüstungsbereich wie der Drohnenhersteller Helsing oder das KI-Startup Black Forest Labs aus Freiburg genannt.