Genau das braucht es

Heilpädagogische Tagesstätte feiert 25-jähriges Bestehen

Bei einer Feierstunde wurde der Heilpädagogischen Tagesstätte in Donauwörth der Name Paul Moor Tagesstätte gegeben; gleichzeitig wurde das 25jährige Bestehen der Einrichtung gefeiert und die neu renovierten Räume wurden gesegnet.

Landrat Stefan Rößle führte in seinem Grußwort aus, dass für den Landkreis die dortige Arbeit sehr wichtig ist. „Ich als Landrat stehe zu dieser Einrichtung“, so Rößle und führte aus, „dass man genau dieses Angebot braucht“. Die dort geförderten Kinder brauchen, eine intensive Unterstützung, die die Familien nicht bieten könnten. Donauwörths Bürgermeister Jörg Fischer gratulierte im Namen der Stadt und sagte, die Tagesstätte sei eine „wertvolle Einrichtung“. Er schilderte persönliche Erfahrungen, bei denen er erlebt habe, dass die Kinder dort viel für ihr Leben mitbekommen. Dekan Robert Neuner lobte, dass die Kinder in der Einrichtung auf ihre Stärken aufmerksam gemacht würden und wünschte alles Gute für die Zukunft.

Stefan Leister, Vorstandsmitglied des Tagesstätten-Trägers Katholische Jugendfürsorge (KJF), führte die Bedeutung der Tagesstätte aus, die ein „fester und wichtiger Bestandteil der sozialen Versorgung des Landkreises“ sei. Paul Moor, nachdem die Tagesstätte nun benannt wurde, sei einer der bedeutendsten Heilpädagogen im deutschsprachigen Raum gewesen, so Leister. In der Arbeit der Tagesstätte gehe es für die Kinder „darum, wie es Paul Moor gesagt hat, einen inneren Halt aufzubauen, damit sie ihr Leben gestalten können.“ Leister dankte ausdrücklich den Mitarbeitern der Tagesstätte für ihre „hervorragende Arbeit, die unverzichtbar ist.“
Domkapitular Armin Zürn, Aufsichtsratsvorsitzender der KJF, segnete die frisch renovierten Räume. So wie Paul Moor ein Kinderversteher gewesen sei, sei Jesus Christus ein Menschenversteher gewesen, so Zürn. „Die Tür zu den Menschen dürfen wir nicht unterschätzen“, sagte der Domkapitular.

In der Paul Moor Tagesstätte werden täglich 30 Kinder gefördert, die „Schwierigkeiten machen weil sie Schwierigkeiten haben“, wie deren Leiterin Dr. Vesna Milijic ausführte. Sie schilderte die Bedeutung des heilpädagogischen Milieus, das in der Einrichtung geschaffen werde, um den Kindern Halt, Sicherheit und darauf aufbauend Perspektiven für ihr Leben zu geben. „So lebt die Tagestätte den Gedanken, dass jeder seinen Platz in der Gesellschaft finden kann, sich dafür aber auch in Bewegung setzen muss.“

Was sagt uns Paul Moor heute?

Im Interview: Dr. Miriam Stiehler, die in ihrer Praxis für Förderdiagnostik und Erziehungsberatung nach seinen Prinzipien arbeitet und über die moderne Anwendung Moors promoviert hat.

Paul Moor ist vor fast 40 Jahren gestorben. Was hat er uns in der heutigen Zeit zu sagen?

Dr. Stiehler: Ich denke, Paul Moors Konzept beruht auf außergewöhnlich breitem fachlichen Wissen, großer Erfahrung und pädagogischer Urteilsfähigkeit. Das macht ihn einzigartig. Ich verwende in meiner Arbeit viele neue Erkenntnisse, die zu Moors Arbeiten passen – man kann sein Konzept aktualisieren, ohne es dabei zu zerstören. Besonders hervorheben möchte ich sein System des Inneren Halts, das sehr wirkungsmächtig ist. Ich identifiziere damit viele ungelöste Erziehungsaufgaben bei Familien, die zu mir kommen.

Worum geht es dabei?

Häufig sind es Konzentrationsprobleme, da geht es etwa um ADHS und die Ritalin-Frage, die heute meist sehr medizinisch betrachtet wird. Moor hat sich schon immer getraut, einen anderen Standpunkt einzunehmen und zu fragen: Wo nützt uns die medizinische Sichtweise, und wo geht sie am Problem vorbei?

Für Paul Moor war klar, dass Aufmerksamkeit eine von Natur aus gegebene Größe ist, die in der Erziehung Maß und Rhythmus bekommen muss. Aus Aufmerksamkeit wird über zwei Wege Konzentration: Entweder, sie wird durch den Willen aufrecht erhalten, etwa aus Pflichtbewusstsein. Oder sie wird durch die Empfänglichkeit aufrecht erhalten, durch Freude an der Arbeit. Dabei geht die natürliche Aufmerksamkeit unmerklich in eine Begeisterung für das Thema über und ich bleibe länger bei einer Sache, als ich es sonst tun würde.

Mit diesen drei Punkten lässt sich klären, welche Art von Aufmerksamkeit ein Kind von Natur aus hat. Es gibt einige typische Muster ungelöster Erziehungsaufgaben in diesen Zusammenhang. Ist das Kind stark ansprechbar und somit leicht ablenkbar? Oder ist es im Gegenteil wenig emotional ansprechbar und wird zu Unrecht für verträumt gehalten? Ist es so sehr fantasiebegabt, dass die Gedanken nur eigenen Ideen folgen? Wie wird mit Pflichtbewusstsein in der Erziehung umgegangen? Damit kommt man oft sehr schnell auf etwas Fehlendes.

Das Schöne an Moors Konzept ist, dass es auf Seiten der Kinder wie auf Seiten der Eltern natürlich Fehler gibt, aber der Blick sehr schnell vom Fehler auf das Fehlende gelenkt wird: Wie müssen wir sein, um das Fehlende aufzubauen? Diese Sichtweise nimmt viele unangenehme Emotionen aus der Erziehung heraus.

Führt die Frage nach Fehlern in der Erziehung nicht schnell zu Vorwürfen und Schuldgefühlen?
Moor warnt davor, sich selbst einzureden, man sei der perfekte Erzieher geworden. Das raube einem das liebevolle Verständnis für Kinder und mache einen hart und ungeduldig. Paul Moor ermutigt vielmehr Eltern, sich Fehler einzugestehen und sie nicht als große Kränkung zu empfinden.

Tipp: Dr. Miriam Stiehler hält am Donnerstag, 21.4., um 17.30 Uhr in der Volkshochschule Donauwörth, Spindeltal 5, einen Vortrag über die Urteilsfähigkeit in der pädagogischen Arbeit anhand des Konzepts von Paul Moor. Mehr Infos über ihre Arbeit gibt es unter www.drstiehler.de

Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e.V. (KJF)

Die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e.V. (KJF) wurde 1911 gegründet. Sie ist ein Gesundheits- und Sozialdienstleister mit rund 80 Einrichtungen und Diensten im Gebiet zwischen Lindau, Neu-Ulm, Nördlingen, Aichach und Murnau. Dazu gehören unter anderem Angebote der Medizin mit mehreren Kliniken, der Berufsbildung für behinderte und nicht behinderte Jugendliche und Erwachsene mit Berufsbildungswerken und Vermittlungsdiensten, der Kinder- und Jugendhilfe mit Wohngruppen, Tagesstätten, Beratungsstellen und mobilen Diensten sowie mehrere Schulen.
Die rund 4.000 Beschäftigten des Verbandes helfen im Jahr 80.000 Kindern, Jugendlichen und Familien bei Schwierigkeiten und Fragen. Vorstandsvorsitzender der KJF ist Markus Mayer, Vorsitzender des Aufsichtsrates ist Domkapitular Armin Zürn.

Weitere Informationen zur KJF finden Sie unter www.kjf-augsburg.de.