Halbschwergewichtler Kadu Kaidy im Interview: Er lebt für den Sport, kämpft für seine Träume – und inspiriert mit Mut, Disziplin und Stärke

Aufgeben war nie eine Option…

Er ist ehrgeizig, fokussiert – und geht seinen ganz eigenen Weg: Kadu Kaidy gehört zu den vielversprechendsten Box-Talenten in Ulm. Der 26-Jährige zog 2021 in die Donaustadt, schloss sich der Boxabteilung des SSV Ulm 1846 an und wurde Teil der Trainingsgruppe von Georg Müller. Aktuell studiert Kadu Wirtschaftsingenieurwesen und verfolgt konsequent seine sportlichen Ziele. Im Herbst wird er bei der Amateur-WM in Liverpool für den Irak an den Start gehen – das Land, aus dem seine Familie einst flüchtete, als er noch ein Baby war. Für ein exklusives Gespräch stand der sympathische Halbschwergewichtler unserer Redaktionsleitung Jana Dahnke Rede und Antwort.

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"Ich möchte ein Vorbild sein – gerade für junge Menschen mit ähnlicher Geschichte."Bild: Heiko Bauer
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"Körperliche Power im Training und geistige Arbeit beim Studieren ergänzen sich total."Bild: Marco Keim
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"Besonders dankbar bin ich meinem Trainer Georg Müller, Timor Khalil und meinem Bruder Iwo Miro – die drei stehen immer an meiner Seite."Bild: Marco Keim
Jana: Kadu, Du hast im Rahmen von „ULM BOXT“ erfolgreich Dein Profidebüt gefeiert – gleichzeitig bleibst Du im Amateurbereich aktiv. Was ist Deine Strategie? 
Kadu Kaidy: Mir geht es nicht nur um das Profi-Dasein, sondern vielmehr um das Boxen selbst – Ich liebe diesen Sport! Im Profibereich hat man zu Beginn oft nur wenige Kämpfe pro Jahr, während ich im Amateurbereich deutlich häufiger in den Ring steigen kann. Diese Wettkampferfahrung ist mir sehr wichtig. Mein langfristiges Ziel ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2028 – für den Irak, das Land meiner Wurzeln. Ich bin inzwischen Teil der irakischen Nationalmannschaft und arbeite mit voller Überzeugung auf dieses Ziel hin.

Du bist im Irak geboren, in Essen aufgewachsen, heute lebst Du in Ulm. Wie hat Dich dieser Weg geprägt?
Ich bin in Essen-Altendorf groß geworden – Ein Stadtteil, welcher leider durch eine hohe Kriminalitätsrate und viele soziale Herausforderungen geprägt ist. Schon in dieser Zeit war der Sport für mich immer eine wichtige Konstante – Er hat mir Halt gegeben, mich diszipliniert und mir eine Perspektive eröffnet. Ich bin wirklich unglaublich stolz darauf, diesen Weg gegangen zu sein und heute zeigen zu können, dass man mit Entschlossenheit und Leidenschaft selbst schwierige Umstände in etwas Positives verwandeln kann.

Du hast den Sport als Stütze und Kraftquelle beschrieben. Was hat Dich dazu bewegt, gerade das Boxen als Deine Leidenschaft zu wählen?
Angefangen habe ich tatsächlich mit Fußball, aber ich war sehr temperamentvoll, was zu kleinen Streitereien mit Schiedsrichtern und Mitspielern geführt hat (lacht). Irgendwann wurde mir klar, dass meine Energie eine Kraft ist – aber nur dann, wenn ich sie gezielt einsetze. Nach einem Vorfall auf der Straße wurde mir klar, dass ich lernen muss, mich zu verteidigen – aber eben kontrolliert. Ich kam über das Ringen zum Kampfsport, später zum Boxen – Dort habe ich das erste Mal gespürt, dass ich genau das gefunden habe, was zu mir passt: Dieser Sport fordert mich körperlich wie mental, gibt mir Struktur – und bis heute einen klaren Fokus.

2017 hast Du Dich beim Ringen schwer verletzt. Was hat diese Zeit mit Dir gemacht?
Es war ein sehr einschneidendes Erlebnis. Ich habe mir den Ellenbogen gebrochen und ein Arzt sagte mir: „Leistungssport ist für Dich vorbei.“ Das war ein Schock – für einen Moment hatte ich das Gefühl, alles verloren zu haben. Mein Traum, einmal Weltmeister zu werden, schien plötzlich unerreichbar. Aber ich habe nicht aufgegeben! Mein damaliger Trainer sagte mir: „Wenn Du für diesen Sport brennst, dann geh Deinen Weg – egal, wie schwierig er ist.“ Diese Worte haben mich tief bewegt: Ich habe mich „zurückgekämpft“, unermüdlich trainiert – vor allem meinen linken Arm, der damals betroffen war. Heute ist er sogar stärker als mein rechter. Diese Erfahrung hat mich nicht nur körperlich, sondern vor allem mental geformt. Sie hat mir gezeigt, dass Rückschläge auch Chancen sein können – wenn man bereit ist, weiterzumachen. Der Widerstand hat mich wachsen lassen!

Boxen fordert Dich körperlich – Dein Studium vor allem geistig. Erlebst Du das als Ausgleich oder eher als zusätzliche Herausforderung?
Für mich gehört beides einfach zusammen. Ich habe meine Ausbildung als Maurer erfolgreich abgeschlossen und studiere derzeit Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Neu-Ulm. Körperliche Power im Training und geistige Arbeit beim Studieren ergänzen sich total. Klar, es ist nicht immer easy, beides zu managen, aber genau das gestaltet es spannend. Für mich sind Sport und Bildung einfach zwei Seiten derselben Medaille.

Was motiviert Dich heute – Tag für Tag?
Ich möchte ein Vorbild sein – gerade für junge Menschen mit ähnlicher Geschichte. Es ist mir wichtig zu zeigen, dass man Rückschläge überwinden und Träume erreichen kann. Ich bin überzeugt: Wenn man seine Energie auf das Richtige lenkt, kann man alles schaffen. Und ja, ich bin ein riesiger Fan von Animes wie Dragon Ball – sie haben mich geprägt. Diese Figuren, die immer wieder aufstehen, selbst wenn sie fallen – das ist ein Bild, das ich tief in mir trage. Ich glaube an Entwicklung, an harte Arbeit, an Werte. Und daran, dass man seine Kraft immer in etwas Positives verwandeln kann. Besonders dankbar bin ich dabei meinem Trainer Georg Müller, Timor Khalil und meinem Bruder Iwo Miro – alle stehen immer an meiner Seite. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen!