Modell offene Beziehung

Totales Vertrauen oder Freibrief zum Fremdgehen?

Viele träumen von dieser Art der Beziehung: Vorteile des Single-Lebens sowie gleichzeitig die Vorzüge einer Partnerschaft genießen zu können. Weder einsam sein, noch sich mit schlechtem Gewissen des Fremdgehens herumschlagen. All das sind Gründe, weshalb sich Paare für eine offene Beziehung entscheiden. Doch kann das wirklich funktionieren?

Konflikt mit konventionellen Erwartungen

Wenn man sich für eine Beziehung entscheidet, gibt es ab diesem Zeitpunkt nur noch den Einen, dem man immer treu zu sein hat. Nicht so in einer offenen Beziehung! Denn hier haben beide Partner die Freiheit, auch andere Sexualpartner zu haben. Hierbei ist zu unterscheiden, dass sich die offene Beziehung lediglich auf den sexuellen Aspekt konzentriert, wobei die Polyamorie auch auf die Gefühle der neuhinzukommenden Partner eingeht. Viele Paare verheimlichen ihren Schritt zur offenen Beziehung, da es heutzutage noch zu Konflikten mit konventionellen Erwartungen führt. Dennoch gibt es verhältnismäßig wenig Paare, die tatsächlich eine offene Beziehung miteinander führen. 

Reden ist Silber – Regeln sind Gold!

Die offene Beziehung setzt großes Vertrauen zueinander voraus. Weitere Grundvoraussetzungen sind Ehrlichkeit und vor allem auch die Fähigkeit über seine Gefühle sprechen zu können. Dazu gehören auch einige strikte Beschränkungen, die die Paare für sich selbst festlegen. Dies ist besonders wichtig, wenn Paare nach einer langjährigen Beziehung merken, dass z.B. die Luft im Bett raus ist, aber eine Trennung nicht in Frage kommt. Die offene Beziehung wird oft als Ausweg gesehen: man möchte seine Zufriedenheit steigern und die Hauptbeziehung mit dem Partner festigen und erhalten. In der offenen Beziehung gibt es kein allgemein gültiges Gesetz, Fragen wie „Was ist möglich?“ oder „Was ist tabu?“  sind von jedem Paar selbst festzulegen. Die Liebe beruht auf Kommunikation, sodass „über alles reden“ keine Floskel sein sollte. Des Weiteren sollte  zunächst der Rahmen einer offenen Beziehung geklärt werden: Purer Sex oder Affäre mit Emotionen und auch ob und wie detailliert man seine Erfahrungen mit dem „Hauptpartner“ teilt, liegt in deren Händen. Eins steht fest: Reden ist der Schlüssel zum Erfolg des Beziehungsmodells. 

Eifersucht und Vertrauen

In einer offenen Beziehung sollte keine Eifersucht aufkommen. Die Partner werden gegenseitig mit ihren Ängsten und Zweifeln konfrontiert, um dem Partner zu demonstrieren, was sie wirklich wollen. Damit eine offene Beziehung wirklich funktionieren kann, müssen zunächst auch die unangenehmen Aspekte geklärt werden. Da diese Art von Beziehung nicht für alle praktikabel ist, muss jeder für sich selbst entscheiden, welche Art von Beziehung er führen möchte. Viele offene Beziehungen scheitern an einer fehlenden Offenheit für die richtige Kommunikation. Sie nennen sich offen, weil sie über Sex reden? Falsch! Genauso wichtig ist es nämlich auch über die gegenseitigen Gefühle der Partner zu sprechen. Offenheit heißt, dem Partner zu sagen, ob und wer noch im Spiel ist und sich über die Gefühle im Klaren zu sein.

Offene Beziehung oder Bindungsangst?

Häufig wird Vertretern einer offenen Beziehung unterstellt, dass sie den Begriff „offene Beziehung“ nur als Etikett verwenden, um die eigene Bindungsangst in den Hintergrund zu rücken. Sie selbst geben zu, dass sie Schwierigkeiten haben sich auf jemanden einzulassen und deshalb den Weg der offenen Beziehung wählen, um nicht enttäuscht zu werden. Ein weiteres Argument, das herangezogen wird, ist, dass die Angst besteht etwas Spannendes zu verpassen. So bleibt der Reiz auch innerhalb der Beziehung erhalten.

Jeder soll selbst entscheiden

Der alternative Liebesentwurf ist in unserer Gesellschaft noch nicht zur Gewohnheit geworden, sondern wird eher im Verborgenen ausgelebt. Dennoch ist zu erkennen, dass sich die Akzeptanz bald ändern wird: „Polyamore Beziehungen werden sich zunehmend etablieren und aus der Nische des Anrüchigen herausfinden“, erläutert die Psychologin Fischbach. In einer Zeit, in der Individualität ein weit verbreitetes Thema ist und somit gewisse gesellschaftliche Zwänge abnehmen, werden solche Liebesformen immer weiter verbreitet. Einige sagen ja, wenn beide Partner es wollen kann es funktionieren. Andere wiederum finden, dass das Beziehungsmodell zum Scheitern verurteilt sei. Daher muss jeder für sich selbst entscheiden, welches Beziehungsmodell für ihn in Frage kommt.

Text: Olga Maschinskij