Privatisierung von Grundwasser: Das perfide Spiel der Wasserkonzerne
Risiken für Umwelt und Gesellschaft
Wasser wird immer öfter Gegenstand kommerzieller Interessen: Große Handelskonzerne sehen eine Chance darin, sich langfristig Wasservorkommen zu sichern, da unser Grundwasser aufgrund des Klimawandels zu einem kostbaren Gut wird. Doch wie genau ist das möglich? Und warum gibt es nur in Bayern sowie in zwei weiteren Bundesländern noch keinen „Wassercent“?
Privatisierung von Wasser
Doch immer häufiger findet eine schleichende Privatisierung von Wasser statt – obwohl zahlreiche Regionen von Wasserknappheit betroffen sind. An sich ist die Wasserversorgung Aufgabe der Kommunen, doch viele dieser langjährigen Verträge laufen in den nächsten Jahren aus. Hier wittern nun Großkonzerne ihre Chance: Sie sichern sich verstärkt Mineralwasservorkommen – so hat Edeka beispielsweise 2023 die Siegsdorfer Petrusquelle übernommen, um die eigenen Geschäfte durch den direkten Zugriff auf Mineralwasservorkommen langfristig abzusichern. Auch Red Bull oder Coca-Cola kaufen Mineralwasserbrunnen in Deutschland, während der weltweit größte Nahrungsmittelkonzern Nestlé in der französischen Kleinstadt Vittel rund 1 Million Kubikmeter (= 1 Milliarde Liter Wasser) pro Jahr abpumpt und dieses höchst profitabel weiterverkauft. Dadurch sinkt allerdings der dortige Grundwasserspiegel jährlich um knapp 30 cm und die Gegend trocknet langsam aus. Auch hierzulande sind ähnliche Zahlen zu finden: Der Getränkehersteller Adelholzener fördert beispielsweise im Chiemgau 1 Million Kubikmeter pro Jahr, das Unternehmen InnFood hat im bayerischen Weiding sogar eine Genehmigung zur Entnahme von bis zu 1,6 Millionen Kubikmetern Wasser jährlich erhalten.
Viele sehen in solchen Schritten einen beginnenden Verteilungskampf um Wasserressourcen, der durch den Klimawandel und die schwindenden unterirdischen Wasservorräte in Deutschland angeheizt wird. Besonders diskutiert wird der Aspekt, dass private Unternehmen dafür in der Regel nicht einmal eine Gebühr an die Allgemeinheit entrichten oder eine sonstige Gegenleistung erbringen. Die große Problematik besteht dabei oftmals in alten Genehmigungen, die teilweise aus der Mitte des 20. Jahrhunderts stammen. In einer umfassenden Untersuchung zur Wasserentnahme in Unterfranken wurde etwa vom Bayerischen Rundfunk in Zusammenarbeit mit der Main-Post im vergangenen Jahr am Beispiel Unterfranken aufgedeckt, dass bei vielen Genehmigungen unklar ist, wie viel Wasser tatsächlich entnommen wird. Rund ein Fünftel der genehmigten Wassermengen wurde von den Behörden als unkontrolliert eingestuft, da hier keine genauen Entnahmemengen gemeldet wurden. Für mehr als die Hälfte der Wasserrechte konnten die Ämter zudem nicht sagen, wie viel Wasser 2021 tatsächlich aus den Flüssen und aus dem Boden entnommen wurde. Darüber hinaus zeigte sich, dass viele Genehmigungen zur Wasserentnahme langfristig und teils unbefristet ausgestellt wurden, ohne dass eine kontinuierliche Überprüfung der entnommenen Mengen stattfindet. Um den Wasservorrat für zukünftige Generationen zu schützen, besteht daher dringender Handlungsbedarf bei der Überwachung und Regulierung der Wasserentnahme.
Die Debatte um den Wassercent
Die grundlegende Problematik ist aber, dass Wasser an sich erst einmal kostenlos ist – und zwar sowohl für die Landwirtschaft als auch für die Industrie sowie für die Kommunen. Gleiches gilt für das Trinkwasser in den Haushalten, für das lediglich Wassergebühren für die Bereitstellung anfallen, die man an lokale Versorgungsunternehmen zahlt.
Weil Wasser aber nicht mehr in unendlichen Mengen zur Verfügung steht, wird etwa in Deutschland immer öfter ein Wasserentnahmeentgelt erhoben: der sogenannte Wassercent. In Bayern ist dies aktuell noch nicht der Fall, andere Bundesländer haben jedoch bereits Gebühren für die Wasserentnahme eingeführt. Genauer gesagt erheben von den 16 Bundesländern alle außer Bayern, Thüringen und Hessen einen Wassercent, wobei der Begriff an sich etwas irreführend ist. In der Regel liegt der Preis nämlich einige Cent höher beziehungsweise kommt es darauf an, für welchen Zweck das Wasser benötigt wird: Für Kühlungen fällt beispielsweise oftmals ein höherer Preis an als für die landwirtschaftliche Bewässerung. Diese ist in manchen Bundesländern wie Baden-Württemberg sogar kostenlos, während etwa in Berlin 6.000 Kubikmeter pro Jahr kostenlos sind und ein Entgelt erst ab einer höheren Entnahmemenge anfällt. Durchschnittlich liegt der Preis bei rund 30 Cent pro Kubikmeter, was für eine vierköpfige Familie pro Jahr mit circa 15 Euro Zusatzkosten im Jahr zu Buche schlägt. Das erscheint erstmal wenig, doch neben Bürgern sollen auch die Landwirtschaft, das Handwerk, Energieversorger und die Industrie die Abgabe leisten.
Warum Bayern beim Wassercent (noch) zögert
Darin liegt auch der Hauptgrund für das Zögern Bayerns, einen Wassercent einzuführen: Es ist die Sorge um die wirtschaftlichen Auswirkungen. Bayern möchte eine Lösung finden, die sowohl umweltfreundlich als auch wirtschaftlich tragbar ist. Ein weiterer Kritikpunkt liegt darin, dass Bürger dadurch trotzdem nicht ihren Wasserverbrauch senken. Zudem fordert beispielsweise der Bayerische Bauernverband bereits eine Ausnahmeregelung für die Landwirtschaft, die ohnehin wegen der vielen Regularien, bereits stark benachteiligt sei und verstärkt unter den Auswirkungen des Klimawandels leide.
Die Landesregierung versucht daher nun, einen Konsens zwischen den Interessen des Umweltschutzes und den Bedürfnissen der Wirtschaft zu finden. Seit Jahren wird das Gesetz zur Einführung eines Wassercents angekündigt, bei der Regierungsbildung Ende 2023 hatten sich CSU und Freie Wähler dann darauf geeinigt, einen zweckgebundenen Wassercent innerhalb dieser Legislaturperiode einzuführen. Das Ganze soll im Sommer dieses Jahres im Kabinett besprochen werden, wobei vieles noch offen ist. So schlagen etwa die Grünen den Betrag von einem Euro pro Kubikmeter Wasser, sofern er aus Tiefbrunnen stammt, für oberflächennahes Grundwasser sollen acht Cent anfallen. Darüber hinaus soll die Wasserkraftnutzung von der Abgabe befreit werden, was wiederum der Bund Naturschutz kritisiert. Weitere Gegenstimmen gegen die Einführung generell kamen Ende März vom bayerischen Gemeindetag, der die höheren Preise sowie den dadurch erneut steigenden bürokratischen Aufwand kritisierte.
Der Klimawandel und seine Folgen
Doch es besteht durchaus Handlungsbedarf: Der Klimawandel und insbesondere die Erderwärmung verschärfen die Problematik um die Wassernutzung – denn mit steigenden Temperaturen und veränderten Niederschlagsmustern wird Grundwasser zunehmend knapper. In Regionen, in denen Wasser schon jetzt ein kostbares Gut ist, könnten die Folgen dramatisch sein. Regnet es irgendwo beispielsweise weniger, so gibt es dort weniger Wasser, das in den Boden sickern und das Grundwasser auffüllen kann. In anderen Gebieten gibt es wiederum mehr Starkregen, dieser fällt jedoch so schnell, dass er oberflächlich abfließt und nicht in den Boden eindringt, um das Grundwasser zu speisen. In einigen Regionen der Welt hängt die Grundwasserneubildung zudem stark von der Schmelze von Schnee und Gletschern ab. Wenn diese infolge der globalen Erwärmung schneller schmelzen, könnte dies kurzfristig zu einer Erhöhung des Grundwassers führen. Langfristig würde allerdings die Quelle für die Neubildung des Grundwassers versiegen, was dann zu einer Verringerung führt.
Gesellschaftliche und politische Reaktionen
Politik und Gesellschaft stehen deshalb vor der schwierigen Aufgabe, Lösungen für den verantwortungsvollen Umgang mit Wasser zu finden. Die Diskussionen reichen hierbei von der Einführung weiterer finanzieller Anreize oder Abgaben für Großverbraucher bis hin zu strengeren Auflagen und Transparenzpflichten für die Wasserentnahme. Bürgerinitiativen und Umweltschutzorganisationen fordern zudem eine stärkere Einbindung der Öffentlichkeit in Entscheidungsprozesse und ein Umdenken in der Wasserpolitik.
Zukunftsausblick
Die Zukunft der Wasserversorgung und -nutzung hängt zusammengefasst also von einer Vielzahl von Faktoren ab, einschließlich politischer Entscheidungen, technologischer Entwicklungen und dem gesellschaftlichen Bewusstsein für die Bedeutung dieser lebenswichtigen Ressource. Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser ist enorm wichtig, um den Bedürfnissen der heutigen und zukünftigen Generationen gerecht zu werden. Einige Unternehmen denken hier auch schon um – beispielsweise will sich der Mineralwasserkonzern Altmühltaler um Alternativen kümmern: Das Unternehmen plant unter anderem in Treuchtlingen in einer anderen Gesteinsschicht nach sauberem Grundwasser zu suchen. Durch eine Probebohrung soll festgestellt werden, ob dieses Wasser in rund hundert Metern Tiefe den Qualitätskriterien für Mineralwasser entspricht und ob es auch in ausreichender Menge vorhanden ist. Ferner sollen Genehmigungen für Bewässerungsentnahmen etwa in Bayern nur noch für kürzere Zeiträume – etwa fünf bis höchstens zehn Jahre – erteilt werden. Weitere Lösungsansätze liegen in der Digitalisierung: Mithilfe moderner Wasseruhren sollen die abgepumpten Wassermengen digital erfasst werden, des Weiteren ist eine Einführung von Funkzählern und digitalen Wasserzählern geplant.
FAZIT:
Das Streben großer Handelskonzerne, Wasserressourcen zu privatisieren, birgt einige Risiken für Umwelt und Gesellschaft. Die schwindenden Grundwasservorräte – verstärkt durch den Klimawandel – erfordern dringend regulierende Maßnahmen und eine gerechte Verteilung. Bayerns Zögern bei der Einführung eines Wassercent, also eines Entgelts für die Wasserentnahme, zeigt die Komplexität des Themas, erschwerend hinzu kommen alte und unklare Genehmigungen, die dringend auf den Prüfstand müssen. |Text: Vera Mergle