Retro flutet das Fernsehprogramm und die Kinos

Hype ums Gestern?

Ob „TV total“, „Wetten, dass…?“ oder „Der Preis ist heiß“ – Remakes von bekannten TV-Shows boomen aktuell wie nie. Doch warum sind die Neuauflagen so erfolgreich? Wer hätte das gedacht: Im vergangenen Jahr war die vorerst einmalige Neuauflage von „Wetten, dass…?“ die erfolgreichste Show – mehr als 14 Millionen Menschen schauten zu, wie Thomas Gottschalk in Nürnberg Gäste empfing und Wetten vorstellte, als wäre er nie weggewesen. 

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Bild: stock.adobe
Andere, modernere Shows wie „The Masked Singer“ (1,88 Millionen), Let’s Dance (1,52 Millionen) oder „DSDS“ (1,35 Millionen) konnten da nicht mithalten. Im Gegenteil: Alle drei büßten im Vergleich zum Vorjahr bis zu 20 Prozent Reichweite ein! Es ist scheinbar Zeit für was Neues – oder Altes?

Remakes im TV boomen

Unter den meistgesehenen Sendungen 2021 reiht sich beispielsweise „TV total“ ein, das von 1999 bis 2015 auf ProSieben gelaufen war – damals noch mit Stefan Raab, jetzt mit dem Kabarettisten Sebastian Pufpaff. Am Konzept wurde ansonsten wenig verändert: Man arbeitet sich an Promis und ihren Aussagen oder Fehltritten ab oder veralbert Teilnehmer von Dating- und Castingshows mit eingespielten TV-Schnipseln. Auch die Kult-Gameshow „Der Preis ist heiß“ bekam auf RTL eine Neuauflage und lockte fast drei Millionen Zuschauer vor den Fernseher. Anders als bei „TV total“ kehrte hier sogar der Moderator zurück: Harry Wijnvoord, der mittlerweile 73 Jahre alt ist und zwischen 1989 und 1997 stolze 1873 Folgen moderierte, in denen Preise für Produkte geschätzt wurden.

Sat.1 wiederum reaktivierte den 76-jährigen Jörg Draeger mitsamt der 90er-Jahre-Gameshow „Geh aufs Ganze!“ – nicht fehlen durfte natürlich die lebensgroße Plüschfiguren-Niete namens „Zonk“. Etwas weniger erfolgreich liefen Neuauflagen von „Dalli Dalli“, „7 Tage, 7 Köpfe“ oder der Kult-Krimiserie „Balko“ – als „Balko Teneriffa“, doch insgesamt sind die Remakes ein voller Erfolg. Doch woran liegt das?

Was die Shows so erfolgreich macht

Ein Erfolgsfaktor liegt wohl in Entwicklungen wie der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg: In unsicheren Zeiten mit unvorhersehbaren, oftmals negativen Entwicklungen sehnen wir uns nach Sicherheit und nach Vertrautem. Man erinnert sich dadurch quasi an die „gute, alte Zeit“ – wer als Kind oder Jugendlicher beispielsweise zusammen mit den Eltern „Wetten, dass…?“ geschaut hat, fühlt sich direkt in diese unbeschwerte Zeit zurückversetzt. 

Denn genau das war die Idee hinter vielen damaligen Shows: Alle versammeln sich vor dem Fernseher, werden bestens unterhalten und diskutieren am nächsten Tag im Büro darüber. Die Sendungen konnten teilweise gar nicht schrill genug sein, die Moderatoren waren echte Kultfiguren und werden daher für die Neuauflagen oft gleich mit zurückgeholt. Schließlich rufen sie die Nostalgie am besten hervor und kennen das Konzept bereits in- und auswendig. 

Darin liegt ein weiterer Grund für die vielen Neuauflagen: Die Ideen haben sich in der Vergangenheit bewährt – warum sollten sie heutzutage schlecht ankommen? Für viele haben sie ohnehin eine entschleunigende Wirkung, eben weil sie aus früheren Zeiten stammen. Meist finden aber natürlich Anpassungen an die heutigen Sehgewohnheiten und Themen statt, was Zuschauer von früher ebenso neugierig macht.

Dass sich Bekanntes im TV-Bereich bewährt, zeigt auch die Beliebtheit der Rubrik „Retro-Serien und -Filme“ in der „ZDFmediathek“ – sogar ganze Sender wie Sat.1 Gold oder RTLup bieten die Möglichkeit, in Erinnerungen zu schwelgen. Die Marktanteile der beiden Nischensender liegen sogar über denen von Arte oder dem HR-Fernsehen! Ein möglicher Grund: Die Sender versuchen erst gar nicht, die jüngere Zielgruppe abzugreifen, die ohnehin eher Videos auf YouTube oder TikTok schaut. 

Welche alten Shows zurückkommen

Und die Remakes hören nicht auf: RTL legte im September 2022 „Die 100.000 Mark Show“ mit Ulla Kock am Brink neu auf, während im Winter Hape Kerkeling als Animateur Edwin Öttel im „Club Las Piranjas“ zurückkehrt. Damals, also 1995, war das noch eine Fernsehkomödie, jetzt wird daraus eine Miniserie für den Streamingdienst RTL+. Bei dem Dienst läuft auch das „Remake“ der gar nicht allzu alten, sehr erfolgreichen Serie „Gossip Girl“. Die Charaktere und Themen wurden aber an die heutige Zeit angepasst: Es geht verstärkt um das Hinterfragen der eigenen Sexualität und um Geschlechterklischees.  „Geh aufs Ganze!“ kommt Mitte November wegen des bisherigen Erfolgs ebenfalls zu Sat.1 zurück, weitere Remakes sind nicht ausgeschlossen.

Remakes im Kino

Aber auch das Kino und besonders Disney springen auf den Retro-Zug auf. Wer vor 28 Jahren dem Löwen Simba beim Erwachsenwerden zugesehen hat, kann das nun wieder tun – anstelle eines Zeichentrickfilms schickte Disney 2019 aber einen computeranimierten Simba ins Rennen. Dank 3D, Computersimulationen und Co. können die Geschichten nun noch anschaulicher erzählt werden. Sehr erfolgreiche Neuverfilmungen gab es auch von „Mulan“, „Susi und Strolch“, „Aladdin“ oder „101 Dalmatiner“.

Schon immer real war die Figur des Kevin McCallister, der jedes Weihnachten auf unsere Bildschirme zurückkehrt. Schon fast 30 Jahre alt ist die Komödie, die jetzt neu aufgelegt wird. Gleiches gilt für die Kinderbuchverfilmung „Gregs Tagebuch“, für „Arielle, die Meerjungfrau“ sowie für die Komödien „Nachts im Museum“ und „Im Dutzend billiger“, dann zu sehen auf Disney+. Auf die Spitze getrieben wird das alles bei „Star Wars“, wo Disney gleich mehrere neue Kinofilme und Serien herausgebracht hat. 

FAZIT:

Zahlreiche TV-Shows aus früheren Zeiten kehren aktuell auf die Bildschirme zurück – sie bieten uns in unsicheren Zeiten Vertrautheit und Geborgenheit. Die Neuauflagen locken sowohl neues Publikum als auch vor allem die Fans von früher an, die sich nostalgisch an die damalige Zeit erinnern oder einfach neugierig sind, wie das Format heutzutage umgesetzt wird. Vor allem Disney wendet das Konzept auch bei früheren (Zeichentrick-) Filmen an und hat damit bislang ebenfalls Erfolg. | Text: Vera Mergle