Schaeffler entwickelt kettenlosen E-Bike-Antrieb „Free Drive“
Wird die Fahrradkette überflüssig?
Bislang stellte sich bei einem E-Bike immer die Frage: Kette oder Riemen – wie soll die mechanische Kraftübertragung stattfinden? Was ist jedoch, wenn die mechanische Verbindung zwischen Kurbel und Antriebsachse ganz entfällt? Genau das ist beim Antriebssystem „Free Drive“ der Fall, das der Zulieferer Schaeffler gemeinsam mit Heinzmann nun auf den Markt bringt.
Funktionsweise
Free Drive ist ein sogenanntes „Bike-by-Wire“-System: Das bedeutet, dass der Antrieb im Gegensatz zu einem herkömmlichen Pedelec-Pedalantrieb komplett ohne klassischen Antriebsstrang mit Kette auskommt. Stattdessen wird durch das übliche Treten der Pedale ein Generator angetrieben, der für einen gleichmäßigen Widerstand am Pedal sorgt und die Tretleistung aufnimmt – also die durch das Treten erzeugte mechanische Energie in elektrische Energie umwandelt. Diese Energie wird durch ein Kabel an einen Motor übertragen, der in der Hinterradnabe integriert ist. An dieser Stelle wird nun die elektrische Energie wieder in mechanische umgewandelt. Deshalb kann man insgesamt auch von einem seriellen Hybridantrieb sprechen. Schaeffler und Heinzmann zufolge kann Free Drive überschüssige Energie in einem schnell tauschbaren, leistungsfähigen Akku speichern. Dank der sogenannten Rekuperation (Rückgewinnung) wird also alles, was an zusätzlicher Kraft beim Treten investiert wird, zusammen mit der Energie aus dem Bremsvorgang und dem Fahren bergab zurückgeführt – das verlängert die Reichweite des Fahrzeugs. Vergleichbar ist das mit Elektroautos: Dabei wird auch Strom durch Rekuperation beim Bremsvorgang gespeichert und wiedergenutzt.
Wer bietet das System an und wer nutzt es?
Free Drive zeigt eindrucksvoll, wie Technik unterschiedlicher Fahrzeuge – in diesem Fall Automobil und Fahrrad – zur Entwicklung moderner Mobilitätslösungen zusammentreffen.
Während Schäffler eines der führenden Unternehmen aus dem Bereich Automotive ist, kommt mit Heinzmann ein wahrer Spezialist für Getriebe, Motoren und Co. hinzu. Der im E-Bike verbaute Generator kommt von Schaeffler, der eigentliche Antrieb, ein 250-Watt-Motor, stammt ebenso wie Steuerungselektronik, Bedieneinheit und Akku vom Zulieferer Heinzmann.
Als erster Kunde wird nun die CIP Mobility GmbH das System an ihren „Mocci Smart Pedal Vehicles“ verbauen. Die Mocci-Fahrzeuge werden von Gewerbekunden vor allem in der Logistik sowie im Personenverkehr angeboten. Den Entwicklern zufolge gibt es bereits zahlreiche weitere Interessenten, weshalb die Fertigungskapazitäten kontinuierlich ausgebaut werden. Zukünftig könnte der Antrieb demnach zu einer Standardlösung und Deutschland sogar zum Vorreiter in der Entwicklung serieller Hybridantriebe werden. Es sind oder waren auch bereits weitere serielle Hybridantriebe im Einsatz, zum Beispiel bei den Anbietern Hopper Mobility, Citcar oder dem Mando Footsloose sowie dem Frikar von Podbike.
Vorteile gegenüber einer gewöhnlichen Kette
Das verwundert auch nicht, denn das System ist sehr wartungsarm – schließlich gibt es weder Kette noch Riemen oder Zahnkränze, was gleichzeitig eine geringere Verschmutzung bedeutet. Auch kommt es dadurch zu weniger Verschleiß, denn ein Bauteil, das gänzlich eingespart wird, kann gar nicht erst kaputtgehen. Zwar sind dafür andere Defekten möglich, doch die Lebensdauer eines solchen Hybrids ist generell relativ hoch. Zudem werden gerade bei E-Lastenrädern in der Regel eher umständliche Konstruktionen für die mechanische Kraftübertragung benötigt, was in diesem Fall wegfällt. Stattdessen ist der Generator so konzipiert, dass beim Treten deutlich weniger Muskelkraft benötigt wird als bei klassischen Kettenantrieben. Des Weiteren gibt es auch deutlich mehr Freiheiten hinsichtlich des Designs.
Für wen ist das interessant?
Besonders interessant ist der Free-Ride-Antrieb deshalb bei drei- und vierrädrigen Lastenrädern sowie im Flotteneinsatz, wo wartungs- und verschleißarme Technik gefragt ist – schließlich sind die Räder dort besonders viel im Einsatz. Auch die Fahrer profitieren natürlich davon, dass weniger Tretleistung notwendig ist. Für die Nutzung im Gewerbe spricht der Faktor Vernetzbarkeit: Gerade das Mocci ist auch als smartes Fortbewegungsmittel angelegt, das in Vernetzung mit weiteren Kommunikationssystemen beispielsweise vor gefährlichen Situationen im Straßenverkehr sowie Staus warnt, Vitalwerte der Fahrer überprüfen kann und außerdem eine integrierte Diebstahlsicherung bekommen soll.
FAZIT:
Im Jahr 2021 hat der Autozulieferer Schaeffler in Zusammenarbeit mit Heinzmann seinen Bike-by-Wire-Antrieb namens „Free Drive“ vorgestellt. Im Februar dieses Jahres wurde bekannt, dass der kettenlose Hybridmotor nun hierzulande auch auf die Straße kommt. Einer der ersten Kunden ist die CIP Mobility GmbH, die das neue Pedelec-Antriebskonzept mit ihrem Flotten-Bike namens Mocci ausrollen wird. Statt einer Kette oder einem Riemen gibt es dabei einen Pedalgenerator, einen Antriebsmotor und einen Akku, der sogar überschüssige Energie zwischenspeichern kann. |Text: Vera Mergle