Staudenbahn: Schadet eine Zwischenlösung den Reaktivierungsbemühungen mehr als sie nützt?

Vorsitzender des Staudenbahn-Schienenweg-Trägerverein äußert sich kritisch

Die Arbeiten zur Reaktivierung der Staudenbahn zwischen Gessertshausen und Türkheim wurden nicht zuletzt durch Corona zeitlich weiter nach hinten verschoben. Die Pläne der Firmengruppe Staudenbahn, das Projekt möglichst schnell wieder auf die Strecke zu bringen um den Personenverkehr zu entlasten, stoßen auch auf Ablehnung. Vor 25 Jahren fuhr die Bahn zuletzt. Seit 2013 besteht ein Konzept zur Reaktivierung der Bahn.

Vor Corona fuhr die Staudenbahn nur noch zu besonderen Gelegenheiten durch die Westlichen Wälder. Auf dem 13 Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen Langenneufnach und Gessertshausen soll sie wieder für den Personennahverkehr reaktiviert werden. Ein dazu passender Vierstufenplan mit Projektvorbereitung, Durchführung des Planfeststellungsverfahrens, Bauvorbereitung und Realisierung sowie Betriebsaufnahme besteht bereits. Wie das Projekt finanziert werden soll, ist ein großes Fragezeichen. Bis zu 20 Millionen Euro müssten unter anderem in die Infrastruktur investiert werden. Der Staudenbahnträgerverein, zu der auch die Gemeinden Gessertshausen, Fischach und Langenneufnach gehören, ist Besitzer der Infrastruktur.

Gegen aufkommende Berichterstattungen meldete sich nun Josef Böck, 1. Vorsitzender des Staudenbahn-Schienenweg-Trägervereins in einer öffentlichen Stellungnahme zu Wort: 

"Im Bericht vom 02.02.2021 (Anm.d.Red: Augsburger Allgemeine, Redaktion Schwabmünchen) wurde H. Teichmann zitiert, dass ein vorgezogener Betrieb der Staudenbahn bis Fischach unkompliziert und schnell möglich wäre. Als Vorsitzender des Staudenbahn-Schienenweg-Trägerverein (SST) kann ich sagen, dass die Idee von H. Teichmann nicht neu ist. Ein früherer Start mag auf den ersten Blick einen gewissen Charme haben. Jedoch wurden die Rahmenbedingungen nicht ausreichend berücksichtigt. H. Teichmann hat diesen Vorschlag schon 2019 geäußert. Die Bürgermeister entlang der Strecke standen diesem Vorschlag schon damals skeptisch gegenüber. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Vorschlag von H. Teichmann sind noch eine Vielzahl von Fragen offen.


Im Bericht ist nicht geklärt wie viele Zugpaare in der Übergangszeit bis Fischach nach dem Willen von H. Teichmann fahren sollten. Wenn nur einige Züge in den Hauptverkehrszeiten fahren und ansonsten der Bus, wird die Situation für den Fahrgast nur noch unübersichtlicher.

Herr Teichmann erklärt, dass er mit Pfeifsignalen auf den Zug aufmerksam machen kann. Das mag bei einzelnen Ausflugsfahrten praktikabel sein, jedoch nicht bei vielen Zugpaaren am Tag und in den Morgenstunden, schon gar nicht dauerhaft in den Abendstunden und bei Nacht. Diese Lärmbelästigung wird sicherlich nicht zur Akzeptanz der Staudenbahn in der Bevölkerung beitragen.

Um als attraktives Verkehrsmittel zu dienen, ist geplant die Geschwindigkeit bis Fischach auf 100 km/h und ab Fischach auf 80 km/h zu erhöhen. In der von H. Teichmann vorgeschlagenen Übergansphase könnte die Strecke nur mit max. 60 km/h befahren werden. Darin sind aber noch nicht die Geschwindigkeitsreduzierungen auf bis zu 20 km/h an den vielen unbeschrankten Bahnübergängen berücksichtigt. Nach meinem Kenntnisstand handelt es sich um fünf Bahnübergänge an Ortsstraßen und mindestens sieben Bahnübergänge an Feldwegen.
In Zusammenhang mit den Bahnübergängen sei auch erwähnt, dass trotz reduzierter Geschwindigkeit und Pfeifsignalen das Sicherheitsrisiko an den bisher weitestgehend ungesicherten Bahnübergängen deutlich höher ist, als an mit Halbschrankenanlagen technisch gesicherten Bahnübergängen, wie sie für den Endzustand geplant sind.

Bei der deutlich reduzierten Geschwindigkeit erhöht sich die Fahrzeit gegenüber der aktuellen Fahrzeit mit dem Bus sicherlich. Erst nach einem Ausbau wird die höhere Geschwindigkeit für eine Fahrzeitverkürzung sorgen.

In Fischach ist der Bahnsteig nicht für die modernen Triebwagen ausgelegt. Auch die fehlenden Parkplätze am Bahnhof und die fehlende Wendemöglichkeit für Busse sprechen gegen eine Interimslösung.
Die Bahnhofsstraße in Fischach ist für die dann notwenigen Buszubringer baulich nicht geeignet. Aufgrund dieser Gegebenheiten plant der Markt Fischach nach meiner Kenntnis ja auch einen Bahnhalt, insbesondere für den Busverkehr am Ortseingang. Fahrgäste, die im vorgezogenen Betriebsstart über Fischach hinaus fahren wollen, müssten vom Bahnhof zum Marktplatz laufen um mit dem Bus weiterfahren zu können. Die Fahrzeit verlängert sich für diese Fahrgäste damit nochmals.

Für den Endausbau sind nach dem vorliegenden Gutachten einige Arbeiten an der Strecke durchzuführen. Ein Ausbau der Strecke im laufenden Betrieb ist nicht möglich. Die Strecke muss hierzu für voraussichtlich 1 Jahr vom Netz genommen werden. Für diese Zeit muss wiederum ein Ersatzverkehr eingerichtet werden bzw. auf das heutige Busnetz zurückgestellt werden. Auch das trägt nicht unbedingt zur Akzeptanz bei.

Der Landkreis ist in Zusammenarbeit mit dem AVV bereit, die vorhandenen Buskilometer als Zubringerbusse zu den geplanten Endhaltepunkten umzuschichten. Damit erhalten auch die südlichen Gemeinden eine deutliche Verbesserung des Nahverkehrs. Eine kurzfristige Zwischenlösung ist nicht umsetzbar und auch nicht praktikabel, auch vor dem Hintergrund, dass dann in der Umbauphase wieder auf das heutige Busnetz umgestellt werden müsste.
Unklar ist auch, was Herr Teichmann unter „kostenneutral“ versteht. Bedeutet dies, dass die Trasse mit reduzierten Trassen- und Stationsentgelten oder gar kostenfrei zur Verfügung gestellt wird? Auch ist unklar, ob durch den Vorlaufbetrieb die Gebietskörperschaften an Investitions- oder Betriebskosten beteiligt werden sollen? Wurde auch geprüft, ob die Maßnahmen für den Vorlaufbetrieb für den Endausbau förderunschädlich sind?

Die Gemeinden entlang der Staudenbahn arbeiten eng mit Landrat Martin Sailer zusammen. Jetzt in Salamitaktik einzelne Fahrten vorzuziehen sehe ich sehr kritisch. Ein von Anfang an gut funktionierender Verkehr auf der Staudenbahn ist wichtiger als Provisorien, die das Projekt eher gefährden. Nur eine von Anfang an optimale Anbindung findet schließlich die Akzeptanz in der Bevölkerung.

Im Übrigen sei angemerkt, dass der Landkreis, die Gemeinden und ich als Vorsitzender offen mit der BEG und dem Staatsministerium bei der Reaktivierung zusammenarbeiten. Insofern kann ich die von H. Teichmann in den Raum gestellten Vorwürfe, dass das Projekt „Staudenbahn“ auf der Kippe steht nicht nachvollziehen. Es wäre der Sache dienlich, wenn H. Teichmann keine solchen Behauptungen ohne stichhaltige Nachweise aufstellt".