Richterin des Obersten US-Gerichts wirft Twitter "Blindheit" gegenüber IS vor

Eine Richterin des Obersten Gerichtshof der USA hat Twitter beschuldigt, Online-Aktivitäten der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu ignorieren. "Hier wird der Vorwurf der vorsätzlichen Blindheit erhoben", sagte Richterin Sonia Sotomayor am Mittwoch (Ortszeit) bei einer Anhörung vor dem Supreme Court. Twitter habe gewusst, dass der IS die Plattform nutzt, fügte sie hinzu.

Geklagt hatten Angehörige eines Opfers eines Angriffs der IS-Miliz auf eine Diskothek in Istanbul im Jahr 2017. Sie halten Twitter für mitschuldig, weil das Unternehmen weder Tweets der Gruppe entfernt noch deren Verbreitung über Algorithmen verhindert hatte. Dadurch habe Twitter Beihilfe zu einem Terrorakt geleistet.

Twitter argumentierte, die Tatsache allein, dass "dutzende Millionen Menschen weltweit die Plattform nutzen", sei kein Beweis für die "wissentliche" Unterstützung einer terroristischen Gruppe.

Am Dienstag hatte bereits eine ähnliche Anhörung stattgefunden: Dabei ging es um ein aus den USA stammendes Opfer der Pariser Anschläge von 2015, zu denen sich ebenfalls der IS bekannt hatte.

Im Mittelpunkt beider Fälle steht eine umstrittene Gesetzesklausel aus dem Jahr 1996, die als "Section 230" bekannt ist. In ihr wird festgehalten, dass Internetunternehmen nicht als Herausgeber angesehen werden und deswegen nicht für auf ihren Plattformen veröffentlichte Nutzerinhalte zur Rechenschaft gezogen werden können. Unternehmen verteidigen die Klausel, die in ihren Augen das Internet in seiner heutigen Form überhaupt erst ermöglicht hat.

"Section 230" steht schon seit längerer Zeit in der Kritik - unter anderem wegen des wachsenden Misstrauens gegenüber Internetkonzernen und ihrer großen Macht in den USA. Demokraten wie Republikaner haben sich für eine Reform der Klausel ausgesprochen.

Allerdings erscheinen konkrete Gesetzesreformen angesichts der parteipolitischen Spannungen in Washington derzeit eher unwahrscheinlich. Umso wichtiger könnte eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs des Landes werden.