Bekannter Allgäuer Hochschuldozent spricht über die Vorzüge einer soliden Haushaltspolitik

Die „Schwarze Null"

Der Universitäts- und Hochschuldozent für Globalisierungsprozesse und internationale Finanzmärkte u.a. an der Technischen Universität München und der Hochschule Kempten Ingmar Niemann gab TRENDYone ein Interview, in dem er herausstellt, dass eine solide Haushaltspolitik die Basis für eine gute Sozialpolitik von morgen ist.

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Hochschuldozent Ingmar Niemann spach mit TRENDYone über die „schwarze Null“, ein gutes Rating und globale Finanzrisiken.Bild: Jörg Spielberg
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Die Ampelkoalition verhandelt seit einigen Wochen über den nächsten Bundeshaushalt. Derzeit, so liest man, fordert Finanzminister Linder von seinen Ministerkollegen, 20 Mrd. Euro einzusparen um die sog. „Schwarze Null“ zu halten. Möglicherweise müssen sich die Bürger auf Steuer- und Gebührenerhöhungen einstellen, damit der Finanzminister sein Ziel einhalten kann. Macht das im Rahmen einer sich anbahnenden schlechteren wirtschaftlichen Lage des Landes Sinn?



Ich gehe nicht davon aus, dass der Finanzminister Steuererhöhungen in Planung hat. Das würde seiner eigenen Partei, der FDP, massiv auf die Füße fallen, die ja mit dem erklärten Vorsatz in die Ampelkoalition gegangen ist, keine Steuererhöhungen zu akzeptieren. Das schließt allerdings die Kürzung von Steuervergünstigungen oder Sozialleistungen nicht aus. Das überbordende Ausgabeverhalten des Staates, wie in den Zeiten der Pandemie oder auch in den letzten Monaten in der Energie- und Ukrainekrise, kann so nicht dauerhaft weitergeführt werden, das würde dem verfassungsrechtlichen Gebot eines ausgeglichenen Haushalts widersprechen. Und so dramatisch ist die gesamtwirtschaftliche Verschlechterung im Moment noch nicht, dass der Staat mit neuen Kreditpaketen im keynesianischen Sinne das Schlimmste verhindern müsste. 

Warum ist denn nun die „Schwarze Null“ so wichtig?



Bei der „Schwarzen Null“ handelt es sich um eine Weiterentwicklung der Schuldenbremse, die 2011 im Grundgesetz verankert wurde. Diese hat die Aufgabe, die Neuverschuldung des Staates zu begrenzen. Für den Bund liegt die Schuldenbremse bei 0,35% des BIP. Da das BIP im vergangenen Jahr (2022) ca. 3,87 Billionen Euro ausmachte, wäre eine Erhöhung um gut 13,5 Mrd. Euro denkbar, aber dauerhaft nicht machbar, da es die staatliche Gesamtverschuldung langfristig nicht stabilisiert. Daher besteht das politische Gebot, die Ausgabenhöhe des Staates mit der Einnahmenhöhe gleichzusetzen und eine Kreditaufnahme für den Zweck des Haushaltsausgleichs zu unterbinden. Auch wenn es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt, ist es finanzwirtschaftlich dringend geboten.

Das klingt bedrohlich. Mit welchen Folgen ist zu rechnen, wenn es keinen ausgeglichenen Haushalt gibt?



Es ist in erster Linie die Bonität, die unter einer steigenden Verschuldung des Staates leidet, mit oft unkalkulierbaren Folgen für die finanzielle Stabilität des Landes. 
Wir sehen das derzeit am Beispiel unseres Nachbars Frankreich. Hatte Macron schon in seinem ersten Wahlkampf um das Präsidentenamt für eine Reduzierung der Staatsverschuldung Frankreichs geworben, stieg diese dennoch in seiner bisherigen Regierungszeit von 98,3 % des BIP (2017) auf 111,6 % des BIP (2022). Hier zeigt sich, wie verheerend nicht durchsetzungsfähige Politiker die Finanzbasis ihres Landes in Frage stellen können: Die US-Rating Agentur Standard & Poor’s hat vergangene Woche angekündigt, das Rating Frankreichs, das bereits vor ein paar Jahren auf AA gesenkt worden war, noch weiter zu reduzieren, mit der Begründung, dass ein Ende der steigenden Verschuldung des Landes nicht absehbar sei. Das bedeutet, dass die vom Staat zu zahlenden Zinsen für französische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit, die im April 2023 noch bei durchschnittlich 2,91 % lagen, bei einer Abwertung der Bonität noch deutlich weiter steigen werden. Diese dann für Neuemissionen von Staatspapieren zu zahlenden höheren Zinsen schränken die Finanzierung staatlicher Aufgaben über die Zeit immer weiter ein, bis nach Jahren das Steueraufkommen nur noch für Zins- und Tilgungszahlungen verwendet wird. So weit darf es nicht kommen, denn sonst sind wir alle nur noch „Sklaven“ für die Zins- und Tilgungsraten zugunsten fremder Gläubiger.

Steht denn jetzt die Bundesrepublik Deutschland wesentlich besser da als Frankreich?



Ja noch, denn die Höhe der Verzinsung von Staatsanleihen mit einer zehnjährigen Laufzeit lag im April 2023 bei 2,36 % - bei einer Staatsverschuldung des Bundes von 66,3 % des BIP (2022). Daher hat die Bundesrepublik bei der Rating Agentur Standard & Poor‘s ein AAA-Rating, also die beste Bewertung. Dies ermöglicht uns niedrige Zinsen für unsere Schuldpapiere anzubieten, denn weltweit sind private und staatliche Kapitalanleger auf der Suche nach Finanzprodukten mit diesem Triple-A Niveau. Dies zum einen, weil sie müssen (Lebensversicherer und Pensionskassen haben entsprechende gesetzliche Vorschriften) zum anderen, weil sie ihren Kunden sichere Anlagen versprechen (Funds und Investmentgesellschaften für sehr konservative Anlageprodukte). Sollten wir aber irgendwann unser erstklassiges Rating verlieren, steigt der Zins und damit die finanzielle Belastung unseres Staatshaushaltes. Das sollten wir auf jeden Fall vermeiden, um die zentralen staatlichen Aufgaben nicht einschränken zu müssen. 

Auch in den USA gab es ein Haushaltsproblem, dass Demokraten und Republikaner durch eine fast uneingeschränkte Erhöhung der Schulden für die nächsten zwei Jahre gelöst haben. Muss mit einem finanziellen Zusammenbruch der USA gerechnet werden?  Und betrifft uns die Situation in den USA in irgendeiner Weise?



Die USA sind ausschließlich in US-Dollar verschuldet und können sich jederzeit durch das Drucken ihrer Währung von ihren Schulden trennen. Trotzdem hat die hohe Verschuldung bereits zu einem Verlust des AAA-Ratings bei Standard & Poor‘s geführt. Da der US-Dollar aber immer (noch) Weltleitwährung, Weltrohstoffwährung und Weltreservewährung ist, braucht man sich hier keine so großen Sorgen machen. Dennoch: Durch die erhöhte Verschuldung wird sich die Geldmenge an US-Dollar deutlich vergrößern, den Außenwert des Greenback verschlechtern und damit den Euro verteuern. Das ist für unseren Export nicht günstig und befördert zudem die Chancen von US-Firmen auf den internationalen Märkten.

Was würden Sie Herrn Lindner abschließend als Empfehlung mit auf den Weg geben? 



Eine bessere Kommunikation in Finanzangelegenheiten ist von Regierungsseite dringend notwendig. Der sog. Otto-Normalverbraucher versteht sonst nicht, warum es in seinem Interesse ist, dass der Staat spart und sich damit die Option für ein gutes Krisenmanagement in der Zukunft erhält. Wir sollten nicht, wie die meisten anderen Staaten auf dieser Welt, vom Wohl und Wehe der Ratingagenturen und Investmentfonds abhängig werden. Und das ist letztendlich auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.