Besuch bei Bildhauer Norbert Zagel
Kunst mit der Motorsäge
Mit geübtem Blick taxiert Norbert Zagel den unscheinbaren, länglichen Block aus rohem Eichenholz und schlägt jeweils zwei Nägel am oberen und unteren Ende hinein. Für den Laien ist es kaum vorstellbar, dass Zagel in dem rechteckigen Holzstück bereits zu diesem Zeitpunkt eine Skulptur erkennt.
Denn bei einer Kettensäge handelt es sich um ein zunächst eher unerwartetes Werkzeug, mit dem Zagel seit mehr als dreißig Jahren das zentrale Thema in seinem Werk zum Ausdruck bringt: den Menschen in all seinen Facetten. „Ich konnte mir nie vorstellen, Tiere darzustellen“, erläutert Zagel sein künstlerisches Schaffen. Denn der Mensch, sein Zusammenleben und die dadurch entstehenden Dynamiken beschäftigen ihn seit jeher. So entwickelten sich im Laufe der Zeit immer kompliziertere Formen. „Bei diesem Arbeitsprozess darf ich allerdings keinen großen Druck auf die Säge ausüben, sondern muss mit scharfer Kette die Skulptur eher herausschälen als heraussägen“, erklärt Zagel. Die Virtuosität seines Könnens, die der Kunstpreisträger des Landkreises Augsburg erreicht, übt auf ihre Betrachter eine ganz besondere Faszination aus. Die mal freundlich, mal zugänglich oder auch in sich gekehrten Köpfe zogen bei ihrem Rundgang auch Sailer und Gilg in ihren Bann. Die ersten neun dieser Kunstwerke waren ursprünglich in der Binswanger Synagoge zu sehen, wo sie in einer Ausstellung stellvertretend für die Auslöschung der dortigen jüdischen Gemeinde durch die Shoa standen. Denn statt der für den (orthodoxen) jüdischen Gottesdienst notwendigen zehn mündigen Männer (Minjan) hatte der Künstler sein Werk mit lediglich neun Objekten gestaltet, wodurch der fehlende zehnte Charakterkopf die unwiederbringliche Zerstörung der schwäbischen Landjudengemeinde symbolisierte.
Aber auch aktuellen gesellschaftlichen Themen wie der Flüchtlingsproblematik, der zunehmende Vereinsamung von Menschen und der Frage nach der Definition von Heimat stellt sich Zagel in seiner Kunst. Für Sailer erfüllen Zagels Werke daher eine wichtige gegenwartsbezogene Funktion, die Vorbildcharakter hat. „Ich freue mich, dass Sie sich als Künstler im Landkreis Augsburg wohl fühlen und durch ihre Arbeit unser kulturelles Leben bereichern“, dankte der Landrat dem Künstler.