Bier–bekömmlich oder nicht?

Ein Kulturgut darf nicht mehr als bekömmlich beworben werden Gerade jetzt zur Volksfest und Wiesn Zeit dreht sich alles um das eine – Bier! Egal ob Radler, Weizen oder das Festbier, Bier fließt in großen Mengen und ist gerade in Bayern ein großer Genuss. Aber ob es in Zukunft noch wohl bekommt?

Streit um ein Wort

„Bekömmlich“, ist das ein Bier? Diese Frage ist in aller Munde und wurde im Landsgericht Ravensburg geklärt. Der Berliner Verband Sozialer Wettbewerbe (VSW) erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen den Begriff „bekömmlich“ in der Bier-Werbung der Brauerei Härle aus Leutkirchen (Kreis Regensburg). Während der Begriff für Brauerei-Chef Gottfied Härle gut fürs Wohlbefinden bedeutet, ist der VSW der Meinung, dass so die Gefahr des Alkohols überspielt wird und sogar eine Verbesserung des Gesundheitszustands versprochen wird. Das Gericht entschied sich am Ende gegen die Verwendung des Wortes „bekömmlich“ in Bier-Werbungen, was nun wohl auch andere Brauereien betreffen wird. Auch für Wein wurde im Jahr 2012 vom Europäischen Gerichtshof ein Verbot für Werbeslogans mit den Worten „bekömmlich“, „sanfte Säure“ und „Edition Mild“ ausgesprochen. Wörter, die eine Gefahr angeblich verharmlosen und den Konsumenten nicht auf den Alkohol aufmerksam machen.

Gesundheitsbezogene Angaben

Die „Health Claims VO“ wurden zum Schutz des Verbrauchers vom Europäischen Parlament erlassen. Darin geht es um gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung für Lebensmittel und Getränke. Dadurch soll vermieden werden, dass Konsumenten durch falsche Versprechen in der Werbung zum Kauf der Artikel verleitet werden. So dürfte zum Beispiel Milch nicht als kalziumreich beworben werden, wenn nicht auf den hohen Fettanteil verwiesen wird, so §3 des Wettbewerbs- und Werberechts. Bei alkoholischen Getränken wird jede „gesundheitsbezogene Angabe“ in Werbungen verboten, sobald das Getränk mehr als 1,2 Volumenprozent aufweist.

Unterschiedlichste Meinungen

Ob die Gesetze und Beschlüsse im Zusammenhang mit Bier nun sinnvoll sind oder nicht bleibt fraglich. Die Meinungen gehen sehr weit auseinander. Die einen behaupten, man sei sich beim Kauf von Alkohol doch der Auswirkung bewusst, andere sind der Auffassung, man würde durch verharmlosende Begriffe zum Kauf verleitet werden. Wir haben vier Brauereien dem umstrittenen Thema zu ihrer Meinung befragt. Wie sich das Urteil auf die Privat-Brauerei Zoetler aus Rettenberg im Allgäu auswirkt, hat uns Brauereichef Herbert Zötler gesagt: „Das Urteil des LG Ravensburg hat der Brauerei Härle aus Leutkirch verboten, ihre Biere weiterhin mit dem Begriff „bekömmlich“ anzubieten. Es ist schade, dass sich das Landgericht bei der Urteilsbegründung hinter dem Europäischen Gerichtshof versteckt, anstatt eine eigene Untersuchung zu machen, ob Bier nicht doch mit „bekömmlich“ sehr gut beschrieben werden kann. Das Urteil des EuGH aus dem Jahre 2012 erging zum Thema Wein. Wenn man sich aber mit aktuellen Wissenschaftsbeiträgen zu dieser Thematik befasst, hätte man feststellen können, dass Bier schon in grauer Vorzeit auch als Medizin eingesetzt wurde, dass es laut neuen Studien den Homocystein-Spiegel im Blut senkt und damit das Herzinfarktrisiko mindert und Sportlern auch als leistungsförderndes Isogetränk dienen kann. Die Bekömmlichkeit und gesundheitsfördernde Wirkung eines gepflegten Bieres sind eigentlich hinlänglich erwiesen. Aber gegen all die Erfahrung steht ein Urteil des EuGH...“ 

Verbraucher werden immer mehr entmündigt

Zoetlers Hauptkritik an diesen richterlichen Festlegungen ist aber, dass die Bürger, die Verbraucher, immer mehr entmündigt werden. „Wir sind der Meinung, dass jeder Verbraucher sehr wohl selbst beurteilen kann, ob ein Glas Wein oder Bier für ihn persönlich bekömmlich ist oder nicht. Kein Mensch kauft eine Flasche Bier, nur weil auf dem Rückenetikett das Wort „bekömmlich“ steht. Wir bedauern das Ravensburger Urteil sehr und hoffen, dass Brauereibesitzer Gottfried Härle die weiteren Instanzen bemüht. Auswirkungen für seine Brauerei gibt es direkt keine, da Zoetler den Begriff „Bekömmlichkeit“ bereits nach dem EuGH-Urteil von 2012 aus unseren Bierbeschreibungen genommen hat.“ Für den Marketing Manager Max Lenz von Hasen-Bräu in Augsburg spielte dieses Thema in der Markenkommunikation für die Hasen-Biere und spielt die Betrachtung deren Produkte als „bekömmlich“ keine Rolle. “Wir sind uns unserer Verantwortung als Produzent eines alkoholhaltigen Genussmittels bewusst. So weisen wir zum Beispiel mit dem Logo ,Bier bewusst genießen’ direkt auf den maßvollen Umgang mit unseren Bieren hin und unterstützen damit auch die vielschichtige Kampagne des Deutschen Brauer-Bundes. Das Urteil des Landgerichtes Ravensburg haben wir daher lediglich zur Kenntnis genommen,“ so Lenz auf unsere Nachfrage.

„Mehr Mut zu Freiheit!“

Sebastian B. M. Priller-Riegele von der Augsburger Brauerei Riegele findet es erstaunlich, auch wenn es für Riegele direkt keine Auswirkungen hat, dass ein Getränk fast 10.000 Jahre lang als bekömmlich angepriesen wird und dann von heute auf morgen aufgrund eines Gerichtsbeschluss nicht mehr. „Aber viel mehr stört mich, dass der heutige ,mündige Bürger‘ nicht mehr selbst entscheiden kann, was gut für ihn ist, sondern, dass der Gesetzgeber glaubt, dies besser beurteilen zu können. Mehr Mut zu Freiheit! Ich jeden- falls möchte selbst bestimmen, was gut für mich ist und was nicht!“, so Priller-Riegele.

„Mir persönlich bekommt’s hervorragend“ 

Auch die Brauerei-Chefin Stephanie Schmid von der Brauerei Ustersbach bedauert es sehr, dass nun nicht mehr geschrieben werden darf, was eine Tatsache ist. „Wie so oft macht ́s auch beim Bier die Menge. Es würde kein Mensch auf die Idee kommen, der Milch den Gesundheitsaspekt abzustreiten. Aber ganz ehrlich, wenn ich zwei Liter Milch trinke, wird mir definitiv schlecht!“, so Schmid. „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass ein bis zwei Bier am Tag für das Wohlbefinden eines Erwachsenen förderlich sind. Das Blut wird verdünnt, somit wird Herz-Kreislauferkrankungen vorgebeugt, der Hopfen fördert einen gesunden Schlaf und unser Brauwasser ist erstklassiges Mineralwasser aus dem Naturpark. Die Bierhefe ist gut für Haut, Haare und Nägel und schmeckt zudem im Bier deutlich besser als in Tablettenform! Ganz zu schweigen von der Geselligkeit, die mit einem Bier noch schöner ist als ohne.“ Schmid bringt es auf den Punkt: „Jetzt, da wir nicht mehr schreiben dürfen, dass unser Bier bekömmlich ist, sollte das jeder regelmäßig im Selbsttest für sich überprüfen und entscheiden. Mir persönlich bekommt’s hervorragend und ich genieße jeden Tag mein Feierabendbier. Das hab ich mir ehrlich verdient, darauf freu ich mich und das kann mir auch keiner vermiesen. Zum Wohle!“