Craft-Beer: Mode oder vielfältige Handwerkskunst?

Bier mit Charakter

Ungefähr jedes dritte Bier weltweit wird von einem Konzern hergestellt. Da die Biergenießer Nordamerikas schon seit jeher von großen Brauereien beliefert wurden, schufen Hobbybrauer und Barbesitzer durch die „craft-brewing“-Szene ein Gegengewicht. Was ist das Besondere an Craft-Beer und wie entwickelt sich unsere Bierkultur?

Craft-Beer: Handwerk statt Industrie

Im englischen Wort „craft“ steckt schon eine wichtige Eigenschaft, die das Craft-Beer zu etwas Besonderem macht: Die handwerkliche Arbeit. Damit ist bei dieser Biergattung die produzierte Menge von Anfang an limitiert. Während bei Großbrauereien zur Erhöhung des Ausstoßes die technischen Kapazitäten erweitert werden, wird hier Wert auf die traditionelle Herstellung gelegt. Selbstverständlich bedient man sich auch moderner technischer Hilfsmittel, der Braukessel muss nicht mit Kohle beheizt werden. Craft-Beer ist daher eine Gratwanderung und es finden sich auch Craft-Biere, die mit handwerklicher Herstellung wenig zu tun haben, denn manche Hersteller setzen die Produktion mit der Definition der Mikrobrauereien gleich, was ein Jahreserzeugnis von unter 200.000 Hektoliter bedeutet. Der Begriff „Garagenbier“, welcher abgeleitet ist von Kleinstproduzenten beim Wein (Garagenwein), passt von der Größe des Betriebes aus gesehen in den seltensten Fällen.

Craft-Beer: Unterschiede in Deutschland und den USA

In den USA gilt die durch die von der Brewers Association festgelegte Definition, dass ein amerikanischer Produzent klein, unabhängig und traditionell sein muss. Der Maßstab klein wird jedoch anders angelegt, denn hier dürfen pro Jahr 9,5 Millionen Hektoliter des Getränks produziert werden. Die Brauerei darf nur zu höchstens einem Viertel einem Konzern gehören und das Bier muss größtenteils aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe bestehen. Dies ist ein wesentlicher Unterschied, da in geringem Maße in den USA auch andere Zutaten erlaubt sind, was nach dem deutschen Reinheitsgebot für Bier komplett ausgeschlossen ist. Daher ist die Biervielfalt bei der nicht so strengen amerikanischen Regelung allein schon durch diese Definition deutlich größer.

Craft-Beer: Die Vielfalt der Sorten

Craft-Beer ist ein Begriff, der für die Machart der Biere steht. Oftmals wird ein direkter Zusammenhang zwischen Craft-Beer und bestimmten Biersorten gesehen, welcher jedoch so nicht gegeben ist. Korrekt jedoch ist, dass Craft-Beer bestimmte Sorten in Deutschland bekannt gemacht hat. Besonders häufig anzutreffen ist das India Pale Ale (kurz IPA), welches der Legende nach zur Bierversorgung in indischen Kronkolonien gedient hat. Bei der langen Schifffahrt verdarb normales helles Bier auf dem Reiseweg, weshalb man Bier mit höherem Hopfen- und Alkoholgehalt gebraut hat. Doch statt das Bier wie geplant wieder auf „Trinkstärke“ zu verdünnen, wurde es oft pur genossen. Der Gerstensaft entwickelt oft eine leichte Süße, als Kontrapunkte sind spritzige Noten und eine deutliche Bitternote vorhanden. Eine andere bekannte Sorte ist der Porter. Dies ist ein besonders dunkles Bier, welches oft kräftige Röstaromen zeigt. Der Porter ist in Deutschland ein starkes, öliges und süßliches Bier, welches mit der traditionell stark gehopften Herstellungsweise nicht mehr viel zu tun hat.

Craft-Beer: Tipps für den Einkauf

Handwerklich hergestelltes Bier ist oftmals teurer als die Erzeugnisse von Großbrauereien. Um seinen eigenen Geschmack zu schulen und die komplexe Welt der Craft-Biere zu erkunden, ist es wichtig, möglichst viele verschiedene Sorten zu probieren. Diese sollten von unterschiedlichen Brauereien kommen. Auf jeden Fall ist es ratsam, Biere aus dem In- und Ausland zu probieren, da hier deutliche Unterschiede bestehen können. Wer auf die Produktionsweise besonders Wert legen möchte, sollte sich auch vorab über die Herstellung informieren oder sich in Internetforen und auf Veranstaltungen mit anderen Craft-Beer-Kennern austauschen. Enthält die Zutatenliste des Bieres das Wort „Hopfenextrakt“, ist dies ein Anhaltspunkt gegen die handwerklich aufwendigere Herstellung.

Craft-Beer: Auf zur Verkostung

Mit dem Aufkommen der Craft-Bier-Szene hat sich ein ganz neues Genussfeld ergeben. Hierbei tauchen weitere Fragen auf: Welches Glas passt zu welchem Bier? Was ist die ideale Trinktemperatur für jede Sorte? Statt einer Weinbegleitung sind nun auch Bierbegleitungen zum Essen möglich, doch was passt hier zusammen? Letztendlich zählt der eigene Geschmack. Um diesen jedoch kennenzulernen, sollte man nicht nur auf Experten hören, sondern selbst ausprobieren.
| Text: Lukas Kalo

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