Tierschutzbund wirft Agrarbranche im Streit um Kükentöten Untätigkeit vor

Vor einer Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts über das massenhafte Töten von männlichen Küken hat der Deutsche Tierschutzbund der Agrarbranche jahrelange Untätigkeit vorgeworfen. "Die Branche hatte Jahrzehnte Zeit, etwas zu ändern, blieb aber untätig", erklärte Verbandspräsident Thomas Schröder am Mittwoch. Dafür bekomme sie offenbar Rückendeckung durch die Bundesregierung. Er griff in diesem Zusammenhang insbesondere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) an.

"Sollte das Töten weiter erlaubt bleiben, dann geht jedes einzelne getötete Küken ab dem Tag auf das persönliche Schuldkonto der jetzigen Bundesministerin und im Besonderen auch der Bundeskanzlerin", erklärte Schröder. Merkel habe sich seit ihrem Amtsantritt mit keiner von ihr eingesetzten Bundesregierung um eine grundlegende Lösung gekümmert.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig befasst sich am Donnerstag mit dem millionenfachen Töten männlicher Eintagsküken. Sie werden getötet, weil diese Tiere zu wenig Fleisch ansetzen und deshalb für die Branche nicht wirtschaftlich aufgezogen werden können. Im Jahr 2013 wies das damals noch von den Grünen geführte Landwirtschaftsministerium in Nordrhein-Westfalen die Behörden an, diese Praxis zu untersagen. Dagegen klagten Unternehmen erfolgreich.

Im Mai 2016 entschied das Oberverwaltungsgericht Münster im Berufungsverfahren, dass das Töten von Eintagsküken mit dem Tierschutzgesetz vereinbar sei. Nun muss das höchste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig im Revisionsverfahren abschließend entscheiden.

Der Tierschutzbund hofft durch das Verfahren auf ein Ende des Kükentötens. "Wirtschaftliche Interessen können niemals ein vernünftiger Grund für das millionenfache Töten von Tieren sein, die dann nicht einmal als Nahrungsmittel genutzt werden können", erklärte Verbandspräsident Schröder. Der Tierschutzbund setze darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht den Erlass Nordrhein-Westfalens bestätige. "Jedes andere Urteil wäre ein ethischer Skandal", zeigte sich Schröder überzeugt.

Der agrarprolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, mahnte ein grundsätzliches Umdenken in der Landwirtschaft an. "Das ethisch nicht zu rechtfertigende Töten der männlichen Küken ist ein Problem der Intensivierung der Lebensmittelproduktion", erklärte Ostendorff. "Statt die Industrialisierung der Landwirtschaft voranzutreiben, sollten wir uns auf eine ethisch vertretbare Tierhaltung verständigen". Dafür würden aber politische Weichenstellungen gebraucht, gegen die sich CDU und CSU seit Jahren sträubten.