EU-Staaten wollen Bahnkonzerne von Entschädigung bei höherer Gewalt befreien

Die EU-Staaten wollen Entschädigungszahlungen für Bahnfahrgäste ausschließen, wenn Verspätungen durch höhere Gewalt verursacht wurden. Dies sieht ein Vorschlag der rumänischen EU-Ratspräsidentschaft für eine Änderung der Verordnung über die Rechte von Bahnkunden in der EU vor, welcher der Nachrichtenagentur AFP am Montag vorlag. Darin sind auch in sonstigen Fällen niedrigere Entschädigungszahlen vorgesehen als vom Europaparlament zuletzt gefordert. Zuerst hatte die "FAZ" (Montagsausgabe) darüber berichtet.

Die EU-Kommission hatte 2017 eine Änderung der Verordnung über Rechte und Pflichten von Bahnkunden vorgeschlagen, die wie bei Flugreisen eine Verantwortung der Eisenbahnbetreiber für höhere Gewalt ausschließt. Das Europaparlament hatte dies im November vergangenen Jahres in seiner Position zu der Reform zurückgewiesen.

In einem Verordnungsentwurf der rumänischen EU-Präsidentschaft für die Mitgliedstaaten wurde nun zwar ein ausdrücklicher Verweis im Kommissionstext auf "extreme Witterungsbedingungen" und "große Naturkatastrophen" gestrichen. Von Entschädigungen ausgenommen werden sollen aber generell "Umstände, die nicht mit dem Betrieb der Eisenbahn zusammenhängen" oder auf das Verhalten Dritter zurückzuführen sind.

Bei den Entschädigungssätzen wollen es die Mitgliedstaaten zudem bei dem Vorschlag der EU-Kommission belassen. Dies wäre eine Erstattung von 25 Prozent bei Verspätungen von 60 bis 119 Minuten und 50 Prozent ab 120 Minuten.

Das EU-Parlament hat deutlich höhere Entschädigungssätze für die Bahnkunden gefordert. Demnach sollte bei Verspätungen zwischen 60 und 90 Minuten bereits die Hälfte des Fahrpreises erstattet werden; zwischen 91 und 120 Minuten dann drei Viertel; und ab 121 Minuten der gesamte Fahrpreis.

Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Michael Cramer, kritisierte das Vorgehen der EU-Staaten: Die Regierungen wollten "das Schlupfloch höhere Gewalt missbrauchen und verschrecken Bahnkunden", erklärte er. Fahrgastrechte seien "jedoch kein lästiges Übel".

Die rumänische Ratspräsidentschaft will bei Verkehrsministerrat am 6. Juni in Luxemburg einen weiteren "Fortschrittsbericht" zu der Novelle der Fahrgastrechte vorlegen. Nach einem der Nachrichtenagentur AFP vorliegenden Entwurf sind "noch weitere vorbereitende Arbeiten notwendig", um zu einer Entscheidung zu kommen.

Verhandlungsbedarf gibt es bei den Mitgliedstaaten laut einem EU-Diplomaten aber nicht wegen der Fahrgastentschädigung. Der Ausschluss höherer Gewalt sei bei den EU-Regierungen "nicht auf Kritik gestoßen". Umstritten seien vielmehr noch andere Bereiche, wie etwa Vorgaben für die Unterstützung behinderter Menschen an Bahnhöfen und die Möglichkeit einheitlicher Tickets für ganz Europa.

Eine Sprecherin des EU-Rates sagte, es werde im ersten Halbjahr keine gemeinsame Position der Mitgliedstaaten mehr erwartet. Erst danach könnten die Verhandlungen der Mitgliedstaaten und der Kommission mit dem dann neu gewählten Europaparlament über die Fahrgastrechte beginnen.