Ein Jahrhundertschauspieler: Mario Adorf wird 95 Jahre alt
Er ist ein Mann, der vor Lebenslust und Kraft bis ins hohe Alter nur so zu strotzen schien. Doch kurz vor seinem 95. Geburtstag scheint Mario Adorf die unbändige Energie allmählich verlassen zu wollen. Es habe in diesem Jahr einen Punkt gegeben, an dem er gedacht habe, das langt jetzt, sagte Adorf der "Hörzu". "Da hätte ich eigentlich gerne losgelassen."
Doch der zu den Jahrhundertschauspielern aus Deutschland zählende Adorf berappelte sich. Seinen 95. Geburtstag am kommenden Montag will er feiern - wenn auch nur im kleinen Kreis, mit maximal zehn Gästen. In Frankreich. Dort, wo er seit langem mit seiner zweiten Frau Monique den Lebensmittelpunkt hat.
Adorf genießt seinen Lebensabend in dem Wissen, einer der erfolgreichsten Schauspieler des deutschen Films zu sein. Dabei wäre es fast nichts mit seiner Karriere geworden. Als Adorf Anfang der 50er Jahre an der Münchner Otto-Falckenberg-Schule vorsprach, patzte er. Doch ein einzelner Prüfer stimmte die anderen zugunsten einer Aufnahme um, weil Adorf "Kraft und Naivität" verkörpere.
Beides wurde zum Muster seiner Karriere: Die sichtbare Kraft und sein ungewöhnlicher, gedrungener Körper ließen sich so schlecht imitieren, dass er seine Stunts immer selbst spielte. Der Gesichtsausdruck von Naivität brachte ihm zudem die Rollen, die ihn besonders reizten: Oft war er der Bösewicht, da konnte er die Figur am besten entwickeln.
Am 8. September 1930 kam Adorf in Zürich als uneheliches Kind auf die Welt. Er wuchs in prekären Verhältnissen auf, kämpfte sich dann hoch. Seine Erfüllung fand er in der Schauspielerei. Direkt nach der Schauspielschule bekam er ein Engagement an den Münchner Kammerspielen und spielte bald erste Filmrollen. Sein Durchbruch kam 1957 mit "Nachts, wenn der Teufel kam" mit seiner Darstellung des angeblichen Frauenmörders Bruno Lüdke, eines geistig Behinderten.
Adorf war fortan auf die Rolle des Schurken abonniert. Regelrecht verachtet wurde er vom Publikum, weil er 1963 im Millionenerfolg "Winnetou" als Halunke Santer Winnetous liebreizende Schwester Nscho-tschi erschoss.
Adorf machte danach in den 60er Jahren auch eine internationale Karriere. Er lebte in Rom, spielte in vielen italienischen Produktionen und genoss nach eigenen Worten das Dolce Vita. "Das war eindeutig die schönste Zeit meines Lebens", sagte er der "Hörzu". Der Darstellung, er habe damals einem Terminator gleich eine wunderschöne Geliebte nach der anderen "erlegt" widersprach er jüngst zwar, aber auch nur halbherzig: "Damals war allerdings der One-Night-Stand eine Normalität".
Außer in Italien bekam Adorf auch in Hollywood Aufträge - doch als er wegen seines dichten schwarzen Haars auf die Rolle des Mexikaners abonniert werden sollte, wandte er sich ab.
Eine Wende zum Charakterdarsteller ermöglichte ihm Anfang der 70er Jahre der neue deutsche Film. Regisseur Volker Schlöndorff besetzte ihn in "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und danach in der mit dem Oscar ausgezeichneten Verfilmung "Die Blechtrommel".
Für Helmut Dietl spielte er im Kinoerfolg "Rossini" oder in der Serie "Kir Royal". Legendär wurde sein Generaldirektor Haffenloher, der den Klatschreporter Baby Schimmerlos anblaffte: "Ich scheiß dich sowas von zu mit meinem Geld, dass du keine ruhige Minute mehr hast."
Über 200 Rollen spielte der Vater der Schauspielerin Stella Maria Adorf, aus der gescheiterten Ehe mit Lis Verhoeven. Klassiker wie "Allein gegen die Mafia", "Der große Bellheim", "Der Schattenmann" oder "Die Affäre Semmeling" sind darunter. Allesamt große Erfolge aus einer vergangenen Zeit, in der das Fernsehen noch Straßenfeger lieferte.
Dass diese Zeit auch für ihn vorbei ist, konnte Adorf ohne die für manche alt gewordenen Männer typische Larmoyanz akzeptieren. Dass er noch einmal vor die Kameras zurückkehrt, glaubt er nicht. "Ich bin ohne jeden Ehrgeiz in dieser Richtung - und ohne jede Hoffnung."
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