Widerrufsbutton und Recht auf Reparatur
"Verbraucherschutz ist bei der Ampel angekommen", urteilte am Freitag der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv), Klaus Müller. Er sagte AFP: "Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP verspricht in vielen Punkten einen besseren, also einen sicheren, nachhaltigen und krisenfesten Alltag für Verbraucherinnen und Verbraucher." Was sie erwarten können - und was nicht:
Elektronischer Widerrufsbutton:
Bei Bestellungen im Netz gibt es schon einen Bestellbutton und einen Kündigungsbutton - künftig soll es auch einen Widerrufsbutton geben, um geschlossene Verträge widerrufen zu können. Telefonisch geschlossene Verträge müssen künftig hinterher noch einmal ausdrücklich bestätigt werden. Abo-Verträge sollen immer auch mit einer Mindestlaufzeit von höchstens einem Jahr angeboten werden.
Recht auf Reparatur:
"Nachhaltigkeit by design" soll zum Standard bei Produkten werden. Verbraucher sollen Angaben zu Lebensdauer und Reparierbarkeit bekommen und ein "Recht auf Reparatur". Für langlebige Güter wollen die Ampel-Parteien eine flexible Gewährleistungsdauer einführen, die sich an der vom Hersteller oder der Herstellerin bestimmten jeweiligen Lebensdauer orientiert. Die Hersteller sollen zudem den Zugang zu Ersatzteilen, Reparaturanleitungen und "während der üblichen Nutzungszeit" Updates sicherstellen. All das spare Geld und sei ein Beitrag für mehr Klimaschutz, lobt vzbv-Chef Müller.
Verbot von "No-Show"-Klauseln:
Sogenannte No-Show-Klauseln vieler Fluggesellschaften wollen die Parteien im AGB-Recht untersagen, also in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. No-Show heißt: Rückflug oder Weiterflug verfallen ohne Entschädigung, wenn ein Kunde den Hinflug nicht antritt.
Reform der Musterfeststellungsklage:
Die Ampel-Parteien wollen die Musterfeststellungsklage modernisieren - sie müssen bis spätestens 2023 sowieso das EU-Verbandsklagerecht umsetzen. Bislang können Verbraucherschützer hierzulande stellvertretend für tausende Verbraucher vor Gericht ziehen, anschließend muss aber jeder Einzelne klagen. Nach den EU-Regeln können Verbraucherschützer direkt auf Zahlungen und andere Leistungen klagen.
Reform der privaten Altersvorsorge:
"Wir werden das System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren" - ein noch sehr vages Versprechen. Verbraucherschützer fordern hier schon seit Jahren, einen öffentlichen Vorsorgefonds über den Kapitalmarkt einzuführen. "Von Riester profitiert die Versicherungswirtschaft", betonte am Freitag erneut vzbv-Chef Müller. "Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen weiter drauf."
Kompensation für steigende Energiekosten:
Der CO2-Preis soll künftig "gerecht" zwischen Mieterinnen und Vermieterinnen aufgeteilt werden - bislang zahlen die Mieter die volle CO2-Preis-Umlage für Heizung und Warmwasser. Die EEG-Umlage soll Anfang 2023 abgeschafft werden. Derzeit sind es 6,5 Cent pro Kilowattstunde Strom, ab 2022 noch 3,7 Cent.
Für Dieselautofahrer dürfte es dagegen teurer werden: Die Parteien wollen die EU-Richtlinie umsetzen, die die steuerliche Angleichung von Diesel und Benzin vorsieht. Aktuell wird Diesel steuerlich bevorzugt.
Solarpflicht:
Bei privaten Neubauten soll eine Solaranlage auf dem Dach "die Regel" werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Die "Ampel" will "Wege finden", private Bauherren finanziell und bürokratisch nicht zu überfordern.
Honorarberatung:
In den Verhandlungen der Parteien war laut "Süddeutscher Zeitung" noch diskutiert worden, die provisionsgetriebene Beratung von Anlegern schrittweise durch eine unabhängige Honorarberatung zu ersetzen - der Punkt taucht im Koalitionsvertrag nicht mehr auf. Für Banken und Versicherungen sind Provisionen eine wichtige Einnahmequelle.
Tierhaltungskennzeichnung:
Schon ab dem kommenden Jahr soll es eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung für Lebensmittel geben, die auch Transport und Schlachtung umfassen soll. Ziel seien "verbindliche EU-weit einheitliche Standards", heißt es im Koalitionsvertrag. Die scheidende Regierung hatte einen Gesetzentwurf für ein freiwilliges Tierwohllabel vorgelegt, weil das EU-Recht nur dies erlaube.
Gesunde Ernährung:
Die Koalition will pflanzliche Alternativen zu Fleisch "stärken" - konkrete Angaben fehlen jedoch. Verbraucherschützer hatten hier etwa die Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und pflanzliche Milchersatzprodukte gefordert.
An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker, Fett- und Salzgehalt darf es bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben. Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert, das Verbot müsse für alle Werbeformate gelten - von der Verpackungsgestaltung über Online-Gewinnspiele bis hin zu Werbung von Influencern. Verbraucherschützer Müller fordert "klare gesetzliche Vorgaben": Mit freundlichen Appellen an die Lebensmittelindustrie müsse Schluss sein.
© 2021 AFP