"Wortbruch": Welle der Kritik an Stromsteuer-Entscheidung - SPD verteidigt Pläne

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SPD-Spitze Klingbeil (l.) und BasBild: AFP / Tobias Schwarz

Es war die erste große Belastungsprobe der Regierungskoalition - nun hagelt es Kritik an der ausbleibenden Einigung bei der Stromsteuer: Oppositionsparteien, Verbraucherschützer und Wirtschaftsverbände äußerten am Donnerstag nach dem Koalitionsausschuss ihren Unmut, dass von der Senkung der Stromsteuer nicht wie versprochen alle profitieren. Auch aus der Union kamen kritische Stimmen. Die SPD-Spitze verteidigte hingegen die Einigung und verwies auf fehlende Gelder und den Finanzierungsvorbehalt des Koalitionsvertrags.

Wie kürzlich vom Bundeskabinett vereinbart bleibt es dabei, dass die Stromsteuer anders als im Koalitionsvertrag versprochen zunächst für Industrie und Landwirtschaft gesenkt wird. Bei finanziellen Spielräumen sind dann weitere Absenkungen geplant. Union und SPD verwiesen zudem darauf, dass Verbraucher durch andere Maßnahmen entlastet würden, etwa durch die geplante Abschaffung der Gasspeicherumlage sowie die Teilübernahme der Übertragungsentgelte.

"Uns war wichtig, erstmal die Arbeitsplätze zu sichern, die Wirtschaft anzukurbeln und dann Spielräume zu suchen", sagte Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) dazu in der ARD. "Am Ende muss man Prioritäten setzen." Sämtliche geplante Maßnahmen im Koalitionsvertrag stünden zudem unter Finanzierungsvorbehalt. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese warnte zudem die Union davor, gemeinsame Entscheidungen öffentlich wieder in Frage zu stellen.

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) erklärte, die Koalition setze mit ihren Maßnahmen "auf neues Wachstum", um die benötigten Spielräume zu gewinnen. Gleichzeitig müsse er als Bundesfinanzminister genau darauf achten, "dass wir solide wirtschaften und verantwortungsvoll mit Steuergeld umgehen". Den vom Koalitionsausschuss beschlossenen Vorschlag habe er gemeinsam mit Kanzler Friedrich Merz und Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (beide CDU) erarbeitet, betonte er zudem in einer Rede.

CSU-Chef Markus Söder bekräftigte gleichwohl das Ziel, dass die Stromsteuer zum Januar 2027 für alle Verbraucher "auf das europäische Mindestmaß gesenkt" werden soll. Das solle auch durch frei werdende Summen aus anderen Bereichen möglich werden - etwa durch eine Reform des Bürgergelds und dem Richtungswechsel in der Migrationspolitik, sagte er in München.

Kanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte sich nicht konkret zur Stromsteuer, sondern verwies in einer Rede nur grundsätzlich auf das Ziel der Regierung, die Energiekosten zu senken. Zudem lobte er die Zusammenarbeit zwischen den Regierungsparteien.

Vor allem die Union hatte nach dem Kabinettsbeschluss öffentlich darauf gedrungen, doch noch eine Entlastung für alle zu beschließen, die zusätzlich 5,4 Milliarden Euro kosten würde. "Es ist vor allem der Job des Finanzministers, das möglich zu machen – und es gibt eine Menge Möglichkeiten", sagte dazu etwa Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) dem Magazin "Politico". Auch der CDU-Arbeitnehmerflügel übte Kritik.

Aus der Opposition kamen schärfere Worte: Als "schlechtes Signal" und "gebrochenes Wahlversprechen der CDU und CSU" wertete Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann die Stromsteuerdebatte in der ARD. Fraktionsvize Andreas Audretsch erinnerte bei RTL und ntv ebenfalls daran, dass eine Senkung der Stromsteuer und Entlastung von Familien angekündigt gewesen sei. "Die Koalition saß fünf Stunden zusammen und sie hat keine einzige Entscheidung getroffen am Ende."

Linken-Chefin Ines Schwerdtner wertete das Ergebnis zur Stromsteuer als "Beleidigung für die hart arbeitenden Menschen". Geld sei nur dafür da, was politisch gewollt sei, kritisierte sie. Zu Vorschlägen der Union, zur Finanzierung von Steuersenkungen beim Bürgergeld zu kürzen, sagte sie, es sei ein "falsches Spiel", hier die Armen gegen die Ärmsten auszuspielen.

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht sprach mit Blick auf die Koalition von "Ampel-Niveau" und "Betrug am Bürger". Alles, was das Leben der Menschen erleichtern würde, stehe unter Finanzierungsvorbehalt.

Die AfD sprach von einer "Bankrotterklärung", die angekündigte "Politikwende" sei damit endgültig beerdigt. Angesichts der beschlossenen Rekordschulden sei es "völlig inakzeptabel, dass Union und SPD den einfachen Bürgern die im Koalitionsvertrag versprochene Entlastung bei der Stromsteuer verweigern, teilten die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla mit.