Neun Millionen Autos mit Schummelsoftware

Es geht um über neun Millionen Dieselfahrzeuge der Marken Volkswagen, Audi, Seat und Skoda: Wegen einer eingebauten illegalen Abschalteinrichtung hätten sie nicht zugelassen werden dürfen. Doch sie kamen in Europa und den USA in den Verkehr und die Schummelsoftware soll zudem "stets weiter entwickelt und verfeinert" worden sein. In Braunschweig beginnt deshalb am Donnerstag ein umfangreicher Betrugsprozess gegen vier teilweise ehemalige VW-Mitarbeiter - jedoch vorerst nicht gegen Ex-Chef Martin Winterkorn.

Den vier damaligen Führungskräften von Volkswagen wird im Tatzeitraum von November 2006 bis September 2015 - als der Dieselskandal schließlich aufflog - unter anderem gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen. Käuferinnen und Käufer seien über die wahre Beschaffenheit der Wagen getäuscht worden und hätten dadurch "einen Vermögensschaden erlitten", lautet der Vorwurf. Dieser belaufe sich auf mehrere hundert Millionen Euro.

Und darum geht es: Weltweit gelten Abgasnormen für Dieselfahrzeuge, die die Gesundheit der Menschen und der Umwelt schützen sollen. Verboten ist dabei die Nutzung sogenannter Abschalteinrichtungen, "defeat devices", mit deren Hilfe ein Fahrzeug im Testmodus die Grenzen einhält und bessere Werte anzeigt als im Fahrmodus - das Auto stößt in Wahrheit also mehr Stickoxide aus. Eine solche Software hat VW in einigen Fahrzeugen verbaut und musste das im September 2015 auch einräumen, nachdem US-Behörden dem Konzern auf die Schliche gekommen waren.

Jahrelang war der Prozess vorbereitet und wegen der Corona-Pandemie zudem mehrfach verschoben worden. Nun beginnt er am Landgericht Braunschweig, das für das Verfahren die dortige Stadthalle gemietet hat. Allein bis zum Ende dieses Jahres sind über 20 weitere Termine angesetzt. Insgesamt dürfte der Prozess mehrere Jahre dauern.

Eigentlich richtet sich die Anklage auch gegen den früheren Volkswagen-Chef Martin Winterkorn. Sein Verfahren wird jedoch abgetrennt und später beginnen - Grund ist eine Operation, durch die Winterkorn derzeit laut Gericht "verhandlungsunfähig" ist. Der Prozess gegen den Ex-Chef aber dürfte nicht starten, bevor der erste nicht beendet ist.

Den vier Angeklagten wird vorgeworfen, von der Abschalteinrichtung gewusst, deren Existenz bewusst verschwiegen und deren Weiterentwicklung nicht gestoppt zu haben. In Europa seien zudem "irreführende Werbematerialien" veröffentlicht worden, um die Fahrzeuge als "besonders umweltfreundlich zu bewerben und zu vermarkten", heißt es in einer Mitteilung des Gerichts zum Prozess. Ziel sei gewesen, dem Konzern hohe Gewinne zu verschaffen - denn davon hingen letztlich auch die Bonuszahlungen der Führungskräfte ab.

Neben dem gewerbs- und bandenmäßigen Betrug geht es daher auch um den Vorwurf strafbarer Werbung sowie um Steuerhinterziehung - denn für tausende Autos gab es wegen der angeblichen Erfüllung einer bestimmten Schadstoffklasse eine Steuerbefreiung. Nicht allen vier Angeklagten wird der komplette Tatzeitraum zur Last gelegt. Generell kann allein banden- und gewerbsmäßiger Betrug allerdings mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden.

Seit Auffliegen der Abgasaffäre hat Volkswagen mit einer Reihe von Klagen in den USA und Deutschland zu kämpfen, darunter sind etliche von geprellten Käufern. Gegen mehrere Dutzend weitere Beschuldigte im VW-Konzern wird weiter ermittelt.