Darum fallen Kleidergrößen so unterschiedlich aus

Bin ich zu dick?!

Sicher haben Sie das auch schon mal erlebt: Sie schlendern gemütlich beim Shoppen durch die Geschäfte. Wie immer greifen Sie beim nächsten T-Shirt zu Ihrer üblichen Größe. Doch dann der Schock in der Umkleide: Es passt nicht! Zum Glück haben Sie aber noch ein ähnliches T-Shirt in derselben Größe dabei. Das sitzt wie angegossen. Aber warum ist das eigentlich so? Was steckt hinter den Extremen bei der Größenangabe? Werfen wir mal einen Blick hinter die Modelabels…

Size Germany: Welche Größe trägt die deutsche Frau?

Das Textilforschungsinstitut Hohenstein entwickelt extra eigene Maße, die der Kleidungsindustrie als Richtwert dienen. So werden regelmäßig mehrere tausend Menschen aus Deutschland auf den Millimeter genau vermessen und gescannt. Auf dieser Basis wird dann die Konfektionsgröße erstellt.  Wie aber funktioniert das?

Bitte Maß nehmen…

2009 wurde zum letzten Mal Maß genommen. Dabei waren knapp 13.400 Frauen, Männer und Kinder von oben bis unten vermessen worden. Das Alter rangierte von sechs bis 87 Jahre. Und damit das Ergebnis auch wirklich genau wird, wurde die modernste 3D-Scannertechnologie herangezogen. 
In diesem Scanner wurde jede Person einmal sitzend und drei Mal stehend vermessen. Das Ergebnis: Ein quasi digitaler Zwilling, an dem man Körpermaße wie Hüft- und Brustumfang ablesen kann. 

Diese Maße sind die Basis für die Konfektionsgröße

Brust-, Taillen- und Hüftumfang sowie die Körperhöhe sind die vier Faktoren, die das Hohenstein Textilforschungsinstitut nutzt, um die Kleidergrößen festzulegen. Bei der Messung im Jahr 2009 wurden folgende Durchschnittswerte gemessen: Der Brustumfang – gemessen an der stärksten Stelle der Brust – beträgt 98,7 Zentimeter. Etwas schmaler kommt die Taille daher mit 84,9 Zentimetern. Mit 102,9 Zentimetern ist der Hüftumfang der größte Faktor – neben der Körperhöhe mit durchschnittlich 165,8 Zentimetern. 
Wer jetzt übrigens denkt, dass 1,65 Meter klein sein, dem sei gesagt, dass Frauen aus dem Jahr 1972 noch deutlich kleiner waren mit 1,62 Metern. Allgemein hat sich seit der Messung in diesem Jahr viel getan: Jeder Faktor ist um einige Zentimeter angestiegen.

Wer kann, der kann – muss aber nicht!

Klingt doch alles gut: eine Tabelle, an die sich alle halten. Dann müsste die Kleidung doch einheitlich ausfallen. Warum tut sie es also nicht? Das Problem: Die Tabelle dient leider nur als Richtwert – muss also bei der Kleiderproduktion nicht verpflichtend herangezogen werden. Und hier finden wir auch den Grund dafür, warum manche Kleidergrößen so unterschiedlich ausfallen – selbst im gleichen Laden. 

Zu groß, zu klein, falsche Zielgruppe

Welche Gründe haben Hersteller, sich nicht an diese Tabelle zu halten? Sollten sie schließlich mehr verkaufen, wenn sie sich daran orientieren…

Grund 1: In der Regel richten sich die Modelabels immer an eine bestimmte Zielgruppe: So gibt es junge, hippe Marken, die jüngere Frauen ansprechen und daher auf eine körperbetonte Kleidung mit ausgeprägter Hüfte und schmale Taille Wert legen. Andere wiederum sprechen ältere Damen an, bei denen der Unterschied zwischen Hüft- und Taillenumfang nicht mehr sehr groß ist. Dementsprechend werden also auch die Kleidungsstücke an den abgeänderten „Normtyp“ angepasst. 

Grund 2: Viele Marken verfolgen einen bestimmten Stil. Sie wollen nicht von jedem getragen werden oder sind von Haus aus enger oder weiter geschnitten, länger oder kürzer. Einfach, um anders zu sein – um eine Message zu senden.

Grund 3: Nicht jedes Modelabel stammt aus Deutschland. Vor allem aus den USA und Skandinavien kommen diverse Hersteller nach Deutschland, um ihre Mode zu vertreiben. Weil es aber zu teuer wäre, für jeden Markt verschiedene Größen zu produzieren, wird oft auf die Maße des eigenen Landes zurückgegriffen. So ist es zum Beispiel der Fall bei der schwedischen Modekette H&M: Skandinavische Frauen sind deutlich größer und etwas dünner als deutsche Frauen. Deshalb beschweren sich in Deutschland auch immer wieder Frauen über die zu kleinen Größen.

Grund 4: Die Größentabelle beschränkt sich auf Maße – wie die Körperformen der Frauen aussehen, wird also nicht dargestellt. Während eine Frau mehr Oberweite aufweist, hat die andere vielleicht eher einen größeren Po, andere haben weniger Oberweite und weniger Po zeitgleich. 

Probieren geht über Studieren

Alles, was da hilft, ist shoppen und viel anprobieren! Mit der Zeit wird das Auge dann auch geübt und man sieht meist direkt, ob man ein Kleidungsstück eher eine Nummer größer oder kleiner benötigt. So oder so denken Sie immer daran: Sie sind niemals zu dick oder zu dünn, nur das Kleidungsstück ist nicht auf Ihren Körperbau abgestimmt! | Text: Julia Höß