Ein Interview mit Markus Ferber, EU Parlamentarier

Wählen gehen!

Zur anstehenden Europawahl, am 09.06.2024, erhielten wir Besuch zu einem Interview vom Europaabgeordneten Markus Ferber. Tom Alt und Jürgen Windisch unterhielten sich mit ihm und bekamen einen kleinen Einblick in die Tätigkeit eines voll überzeugten Politikers.

cropped-1715943374-664736d516364-img_3976
Markus Ferber und Tom Alt im GesprächBild: TRENDYone
TRENDYone: Herr Ferber, Sie sind jetzt seit 30 Jahren Abgeordneter im Europäischen Parlament und schon seit über 40 Jahren Mitglied in der CSU. Hatten Sie denn ein politisches Vorbild?

Markus Ferber: Ja, hatte ich, das war ganz klar Franz Josef Strauß. Sein Wirken und seine Arbeit imponierten mir und überzeugten mich, in der Politik aktiv zu werden. Ich war 15 als er Kanzlerkandidat war und in Augsburg aufgetreten ist. Ich ging nach der Schule dort hin.
Diese frühen achtziger Jahre waren sehr politisch. Damals der NATO-Doppelbeschluss, die Grünen schickten sich an in den Bundestag zu kommen. Auch in der Schule war Politik stark auf der Tagesordnung.

TRENDYone: Gab es dann so etwas wie einen politischen Ziehvater für Sie?

Markus Ferber: Das war Theo Waigel und auch Andere die mich unterstützten, wie der inzwischen verstorbene Karl Kling. Da war es eine Verbindung von Ingenieur zu Ingenieur, ich bin das ja selbst. Karl Kling würde heute wahrscheinlich sagen, dass er der Ziehvater von Theo Waigel war, aber für mich war es eindeutig Theo Waigel. Er war es auch, der mir den Anstoß zu Europa gab.

TRENDYone: Was hat Sie denn dazu bewogen 1994 für das Europaparlament zu kandidieren?

Markus Ferber: Echte Überzeugung, dort meinen Platz zu finden und dort wirken zu können. Es war einfach die richtige Zeit dafür. Einmal war es ein Superwahljahr, zunächst die Europawahl, dann im Herbst die Landtagswahl in Bayern und zuletzt die Bundestagswahl. Die Jungen versuchten alle in den Bundestag zu kommen, ich wollte nach Europa, das noch nicht richtig funktionierte. Aus meiner Tätigkeit heraus konnte ich das sagen, ich war damals in Augsburg bei Pfister Waagen tätig und hatte sehr viel mit Export zu tun.
 
Deutschland war seit ein paar Jahren wieder vereinigt und die EU hatte damals 12 Mitgliedsstaaten. Drei weitere, Österreich, Finnland und Schweden, waren aufgenommen und sollten ab 1.1.95 dazukommen.
Damit war fast ganz Westeuropa in der EU und die Möglichkeit, am weiteren Aufbau, mitzuwirken, brachte mich zu dieser Entscheidung, die ich bis heute nicht bereut habe.
Denken Sie doch nur an Alles was es da noch gar nicht gab, wie zB. Schengen und die Einführung des Euro. Die Erweiterungen später.
In Europa wird ja viel mehr gemacht als nur für Bayern oder Deutschland, das macht es so interessant und das ist die Herausforderung.

Europa ist ja kein abgeschlossenes Modell, so wie Deutschland, wo das Grundgesetz nach der Wiedervereinigung nur eine wesentliche Änderung erfuhr. In Europa ist Alles im Fluss und darauf Einfluss zu haben und mitzugestalten, das ist es, was es für mich ausmacht.
Gemeinsame Dinge auszubauen und gemeinsame Schwierigkeiten überwinden, wie die Wirtschaftskrise 2008/2009, das ist schon besonders.
 
TRENDYone: Wie war das dann über die 30 Jahre, kamen Viele zu Ihnen mit ihren Anliegen, für die Sie sich einsetzen sollten?

Markus Ferber: Ja natürlich, ständig. Ich habe ja im Forschungsausschuss angefangen, das war für mich als Ingenieur naheliegend. Später kam ich dann zum Haushaltsausschuss und nach der Wirtschaftskrise sagte ich mir, der Wirtschaftsausschuss ist das, was ich machen möchte.
 
Es gab ja nach der Wirtschaftskrise auch viel zu tun. Das Bank- und Versicherungswesen musste neu geregelt werden, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich konnte in diesen Bereichen in den letzten Jahren viel tun und entsprechend sind es auch die Anliegen der Bürger und der Unternehmen hier, die ich in Brüssel vertrete.

Ich erinnere mich zu Anfang, auf einer Veranstaltung der IHK Schwaben, der damalige Präsident, Hans Haibel, zeigte mir eine Karte von Schwaben und meinte, das hast Du in Europa zu vertreten. Ich sagte damals, aber nicht nur die Firmen, auch die Bürger. Aber ich sah mich schon als der Vertreter von Schwaben in Europa.
 
TRENDYone: Wer kommt zu Ihnen um seine Anliegen vorzubringen?

Markus Ferber: Jeder, kann man einfach so sagen. Da braucht mal Jemand dringend ein Visum und löst eine Übernachtaktion aus. Dann ist dieLandwirtschaft ein großes Thema, weil die EU da ja sehr viel regelt. Unternehmen und Kommunen kommen wegen Förderanfragen. Vereine wegen Anfragen zu Partnerschaftstreffen. Im Laufe der Jahre kommt da so Viel zusammen, ich könnte wahrscheinlich stundenlang davon erzählen.
 
Da gibt es Dinge wie einen Baumwipfelpfad, der länderübergreifend aufgebaut wurde, von der EU gefördert wurde und am Ende zu viele Einnahmen erzielte. Das Ergebnis, die EU verlangt Gelder zurück, weil das Projekt übergefördert wurde. Solche Dinge kommen dann zu mir und ich setze mich dafür ein, dass es für beider Seiten Zufriedenheit abgeschlossen wird.
 
Ich bekomme natürlich auch Themen, die nicht in die EU Zuständigkeit gehören, genauso wie EU Themen bei einem Landtagsabgeordneten landen, aber wir tauschen uns dann aus und geben die Dinge weiter.
 
TRENDYone: Wenn man jetzt an die bevorstehende Wahl denkt, wohin soll die Reise gehen?

Markus Ferber: Ich sehe ein großes Problem, das ist der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit in Europa, da haben wir viel verloren. Gerade die Exportstärke krankt gerade etwas. Wir haben wahrscheinlich, gerade in Deutschland, mit jüngsten Klimaschutzgesetzgebungen sehr viel Bürokratie aufgebaut, die es den Unternehmen schwer macht. Bürokratie schützt aber kein Klima und es waren zuletzt die Amerikaner, die uns vorführten, wie man mit marktwirtschaftlichen Instrumenten die Wirtschaft stärkt und gleichzeitig die Aufgabe Klimaschutz bewältigen kann.

Ja, die Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen, das habe ich mir für die kommende Legislaturperiode auf die Fahne geschrieben. Die Wirtschaft muss wieder brummen, das sichert gute Arbeitsplätze und schafft überhaupt erst die Grundlage für weitere Aufgaben.
Gerade auch, was den Klimaschutz angeht, wir machen da sehr viel mit Regulatoren und Verboten, was ich für den falschen Weg halte. Hier muss man nachjustieren.
 
Das zweite große Thema ist die Sicherheit, Als ich 1994 anfing hielt ich es für undenkbar, dass ich es erleben muss, dass ein Land in Europa ein anderes angreift. Wir sind jetzt stärker herausgefordert Frieden, Freiheit und Sicherheit für unsere Bürger zu gewährleisten, als es noch vor zehn Jahren der Fall war. Dies gemeinsam auf EU Ebene anzugehen ist der bessere Weg, nicht nur, weil es auch günstiger ist, gemeinsam Rüstungsgüter zu beschaffen. Auch zu regeln, wer was leistet, um auszuschließen, dass Dinge mehrfach aufgebaut werden. Hier als Beispiel ein funktionierender Raketenschirm für ganz Europa.
Wir wissen auch nicht, was sein wird, wenn in den USA im Herbst gewählt wird, ob wir dann nicht größtenteils auf uns alleine gestellt sind, was die Verteidigung angeht.

Drittes Thema, nach Wirtschaft und Sicherheit ist die Zuwanderung. Auf europäischer Ebene wurde ja kürzlich viel dazu neu beschlossen, was jetzt auch in Deutschland in nationales Recht umgesetzt werden muss. Wir dürfen die Bürger nicht mit der Zuwanderungsthematik überfordern und auch die Integrationsfähigkeit nicht überstrapazieren. Dennoch ist Fachkräftemangel nicht nur ein deutsches Problem, sondern sehr wohl gesamteuropäisch. Wir müssen uns bewusst machen, dass wir den Arbeitskräftebedarf nicht nur aus EU Staaten decken können. Wenn ich heute in Kroatien und Bulgarien bin, dann wird mir vorgeworfen, dass wir die ganzen jungen Leute abziehen, die bei uns lukrative Jobs erhalten, dabei werden sie auch dort benötigt, um eine stabile Wirtschaft am Laufen zu halten.

Wir werden uns um außereuropäische Arbeitskräfte bemühen müssen, aber wir müssen entscheiden können, wer zu uns kommt und nicht die Schlepperbanden. Das ist der entscheidende Unterschied. In den letzten Jahren gab es viel Zuwanderung von Personen, die mit unserer Art zu leben Probleme haben. Das ist es, was ich meine mit den Grenzen der Integrationsfähigkeit. Hier ist die Gefahr, dass in der Gesellschaft etwas kippen könnte oder schon am Kippen ist. Das gilt es zu vermeiden. Es ist ein wesentliches Element eines demokratischen Rechtsstaates, dass das Zusammenleben in einer Gesellschaft gewährleistet ist.

TRENDYone: Sind hier Gründe für die zunehmende Gewalt an Politikern zu finden?

Markus Ferber: Ich bin jetzt persönlich noch nicht angegriffen worden, aber wenn Politiker beim Plakatekleben angegangen und verletzt werden, dann läuft etwas schief in einer Gesellschaft. Das darf es gar nicht geben. Eine liberale Demokratie muss den Respekt aufbringen, dass sich Personen für Dinge einsetzen, die man persönlich nicht vertritt. Das ist Demokratie.
 
TRENDYone: Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?

Markus Ferber: Eine Sache ist sicher, dass wir heute eine so breit aufgestellte Informationsvielfalt haben. Wenn ich mit jungen Leuten spreche, höre ich oft, dass sie keine Nachrichten ansehen oder in eine Zeitung schauen, sie hätten ja Social Media. Aber hier wird auch sehr viel mehr Meinung gemacht als in einer neutralen Berichterstattung, wie sie in vielen Medien gewährleistet ist. Wenn aber in einer Nachricht bereits eine Meinung verankert ist, dann wirkt das. Früher war Meinung und Kommentar klar von den Nachrichten abgegrenzt. Heute fließt das Alles zusammen und prägt. Nicht immer zum Besten.
 
Es ist die Funktion der Algorithmen, die heute bestimmt, wer welche Nachricht und welche Wahrheit bekommt. Befasst man sich ein wenig zu lange mit einem. Beitrag, wo Markus Söder gerade isst oder zu ABBA tanzt, dann wird man damit auch überflutet und übersieht die 80 % seiner ernsthaften politischen Beiträge. Beeinflussung durch Social Media, spielt sicher eine gewichtige Rolle in der aktuellen Entwicklung.
 
TRENDYone: zur Arbeit im Europaparlament, warum gehen Dinge, die sich einfach darstellen so schleppend langsam? Als Beispiel möchte ich die Abschaffung der Zeitumstellung nennen. Hier wurde doch sogar die Bevölkerung befragt und man votete gegen die Zeitumstellung. Dann kam die Pandemie und es lag zunächst auf Eis.

Markus Ferber: Ja ich verstehe dass das nach Außen einfach wirkt. Aber gerade ist keine Einigung unter den Mitgliedsländern zu erzielen, welche Zeit, die Normale oder die Sommerzeit, künftig gelten soll?
 
TRENDYone: Einwand an der Stelle, dann wäre doch einfach eine halbe Stunde zwischen normaler Zeit und Sommerzeit der einfachste Kompromiss?

Markus Ferber: Ja, klingt gut, ist aber so gerade nicht machbar. Die Einführung der Sommerzeit hatte ja mal einen Grund. Es ging um frühes Tageslicht und unterm Strich um Energieeinsparungen. Das nicht nur in Deutschland. Jedes Land in Europa holte sich seine Vorteile aus der Umstellung. Dazu kommt noch, dass Länder wie Spanien und Frankreich in Zeitzonen sind, zu denen sie geografisch gar nicht gehören. Dort gilt auch mitteleuropäische Zeit. Es herrschen Bedenken, dass bei einer neuen Festlegung der Zeit, es in manchen Ländern zu früh dunkel wird usw. – nur um es anschaulich darzustellen.
Das Ganze wird also noch Diskussionen verursachen und Zeit kosten.
 
TRENDYone: Herr Ferber, wo sehen Sie Europa, die EU in den nächsten 30 Jahren?

Markus Ferber: Ich denke, die EU wird viele kleine Dinge wieder an die Länder zurückgeben, weil es dort einfach besser aufgehoben ist und individuell auch besser gestaltet werden kann. Dagegen werden große Aufgaben besser zentral geregelt, wie vorhin schon angesprochen das Thema Sicherheit, Verteidigung und auch Zuwanderung mit Integration.
 
Zusammenarbeit in behördlichen Angelegenheiten wird sich intensivieren. In einem Europa ohne Grenzen, bewegt sich auch der Verbrecher frei. Der Austausch von Daten in diesem Bereich muss noch sehr viel mehr intensiviert werden. Wobei man heute ja auch schon Erfolge sieht, wenn man hört, dass länderübergreifend Razzien stattfanden und Personen einer Organisation in unterschiedlichen Ländern festgesetzt werden konnten.

Europa wird Vieles durchstehen müssen in den kommenden Jahren. Ich werde nach Wissen, Erfahrung und Überzeugung daran mitwirken. Mir ist der Erfolg dieses großartigen Projektes wichtig, für heute genauso wie für die Zukunft.

TRENDYone: Ein gutes Schlusswort, Herr Ferber, wir danken für Ihren Besuch und wünschen bestes Gelingen Ihrer Vorhaben.