Eine Zukunft ohne Hebammen? Viel Verantwortung, wenig Geld
Bedarfsdeckung hat sich in vielen Regionen dramatisch verschlechtert
Die Geburtenrate steigt an. Laut dem Statistischen Bundesamt ist sie in Deutschland mit 1,5 Kindern so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. All das macht den Beruf der Hebamme und der Entbindungspfleger immer wichtiger. Doch vor dem Hintergrund der steigenden Beiträge der Haftpflichtversicherung für Hebammen (von 2002 bis 2016 haben sich die Prämien mehr als verzehnfacht), steht der Beruf vielleicht bald vor dem Aus.
Für die freiberuflichen Hebammen ist das dramatisch, denn die Berufshaftpflicht ist zwingend notwendig, um ihren Beruf ausüben zu können. Der Grund für die steigenden Beiträge: Die Ausgaben für schwere Schäden bei der Geburt sind drastisch angestiegen.
Was muss passieren?
Ausgleichszahlungen oder ein Sicherstellungszuschlag lösen das Problem steigender Beiträge nicht, so der DHV. Deshalb müssen alternative Haftpflichtstrukturen entwickelt werden: Der DHV fordert darum einen Haftpflichtfond, der für Schäden aufkommt, die über einer bestimmten Deckungssumme liegen. Wenn man die Zahlen betrachtet, ist ein Handeln bitter nötig: 1991 gab es noch 1.186 Kliniken, in denen Geburten möglich waren. 2014 waren es nur noch 725 Kliniken mit Geburtshilfe. Seitdem schließt fast jeden Monat ein Kreißsaal ganz oder vorübergehend seine Türen. Erst im November 2016 wurde ein Kreißsaal im Kreiskrankenhaus Schrobenhausen geschlossen und in Neu-Ulm musste ein Kreißsaal in der Illertalklinik vorübergehend schließen. Zu viele Hebammen haben aufgrund der Belastung gekündigt.Die Fachklinik der KJF (Katholischen Jugendfürsorge) Josefinum in Augsburg, die mit gut 3.200 Entbindungen in 2016 zu den größten Entbindungskliniken Deutschlands zählt, ist davon zum Glück nicht betroffen.
Hebammen müssen viel stemmen
Hebammen und Entbindungspfleger betreuen Frauen und ihre Familien von der Familienplanung bis zum Ende der Stillzeit. Bei jeder Geburt ist in Deutschland eine Hebamme dabei, davon arbeiten rund 80 Prozent selbständig. Eine Hebamme darf eine Entbindung alleine durchführen, wenn diese normal verläuft. Eine Ärztin oder ein Arzt darf dies nicht. Es muss immer eine Hebamme anwesend sein, auch bei einem Kaiserschnitt.Dafür ist der Verdienst nicht gerade üppig. „Bei einer Geburt im Krankenhaus kann eine freiberufliche Hebamme nur rund 271 Euro abrechnen. Gegebenenfalls kommen noch Zuschläge für Wochenende, Feiertage und die Nacht dazu, die über die Krankenkassen beantragt werden können, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind“, sagt Susanne Keller, die leitende Hebamme im Josefinum Augsburg. Sie liebt trotz allem ihren Beruf, den sie schon seit 20 Jahren im Josefinum freiberuflich ausübt. Das Arbeitsfeld erstreckt sich von „Hurra, ich bin schwanger!“ bis „Ich möchte gerne mit der Beikost beginnen“. „Es ist ein arbeits- und zeitintensives Tätigkeitsfeld mit unglaublich viel Emotion und einer enorm hohen Verantwortung. Regelmäßige Arbeitszeiten gibt es nicht. Babys kommen, wann sie wollen. Und eine Geburt kann auch schon mal über zehn Stunden lang dauern.“ Und auch nach der Geburt ist die Hebamme für die Familie da. Sie versucht ein Netzwerk aufzubauen, damit alle rundum zufrieden sind. „Die Großfamilie, in der jeder mithilft, ist leider nicht mehr im Trend.“ bedauert Keller.