Piratenpartei sieht sich durch Debatte über EU-Urheberrecht im Aufwind

Die Piratenpartei sieht sich durch die Debatten um die gerade beschlossene EU-Urheberrechtsreform vor der Europawahl im Aufwind - hat aber zugleich durch den Austritt ihrer prominenten Abgeordneten Julia Reda einen herben Dämpfer hinnehmen müssen. Reda appellierte mit ihrem Parteiaustritt an die Wähler, den deutschen Piraten bei der Europawahl Ende Mai die Stimme zu verweigern. Hintergrund sind Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen ihren früheren Büroleiter Gilles Bordelais.

Reda sagte der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag, sie habe eine erste Beschwerde gegen ihren Büroleiter im vergangenen Juni erhalten - wenige Tage, nachdem die Piratenpartei Bordelais auf Platz zwei ihrer Wahlliste für die Europawahl gesetzt habe. Daraufhin habe sie mit mehreren Mitarbeiterinnen aus ihrem Büro und den Büros anderer Abgeordneten gesprochen, die sich ebenfalls über das Verhalten von Bordelais beschwert hätten. Der Beschwerdeausschuss des Parlaments habe den Vorwurf der sexuellen Belästigung bestätigt.

Bordelais habe fast vier Jahre ihr Büro geleitet, sagte Reda, die im Europaparlament der Grünen-Fraktion angehört. In dieser Zeit sei ihr nichts aufgefallen. "Deswegen mache ich mir schon Vorwürfe." Bordelais habe auch die Parteiführung der Piraten hinters Licht geführt, indem er hinter deren Rücken seine Unterlagen beim Bundeswahlausschuss für seine Kandidatur eingereicht habe.

Mit ihrem Aufruf wolle sie eine Wahl ihres ehemaligen Büroleiters verhindern, sagte die 32-Jährige weiter. Wenn die Partei 1,6 Prozent der Stimmen erhalte, könne sie zwei Abgeordnete entsenden - also auch Bordelais. "Das will ich verhindern." Sie selbst wolle sich vorerst aus der Politik verabschieden und eine Doktorarbeit über das EU-Urheberrecht schreiben.

Reda wurde im Mai 2014 als einzige Vertreterin der deutschen Piraten ins Europaparlament gewählt. In der EU-Volksvertretung führte sie den Widerstand gegen die Urheberrechtsreform an, die Internet-Giganten wie Google und YouTube verpflichten soll, Künstler und Medien für hochgeladene Inhalte zu vergüten.

Reda und ihre Mitstreiter warnen vor Zensur und einer Gefahr für das "freie Internet"; die Piratenpartei gehörte auch zu den Initiatoren der massiven Proteste gegen die am Dienstag beschlossene Reform. Dies trug der Partei offenbar Sympathien ein.

In den vergangenen Tagen hätten die deutschen Piraten so viele neue Mitgliedsanträge erhalten wie im gesamten Jahr 2018, sagte der Bundesvorsitzende Sebastian Alscher AFP. Nun erhoffe sie sich Rückenwind für die Europawahl Ende Mai. Ziel sei es, in der kommenden Legislaturperiode fünf bis sieben Vertreter der Piratenpartei im Europaparlament zu haben. Vor allem in Tschechien gebe es viel Unterstützung.

Bei ihrem damaligen politischen Höhenflug vor sieben, acht Jahren hätten die in Deutschland in der politischen Versenkung verschwundenen Piraten schon Themen behandelt, die heute aktuell seien. "Wir waren in vielen Dingen zu früh", sagte Alscher. Nun werde aber die Zeit für die Piratenpartei kommen, "weil wir uns mit Themen beschäftigen, die einfach unausweichlich sind".