EU treibt Verkehrssicherheit voran: Diese Assistenzsysteme im Auto werden Pflicht

...ab Juli 2024

In einem Streben nach mehr Sicherheit auf den Straßen hat die Europäische Union (EU) einen wichtigen Schritt unternommen: Ab Juli 2024 tritt eine neue Verordnung in Kraft, wodurch der Einbau bestimmter Fahrassistenzsysteme verpflichtend wird. Doch warum genau ergreift die EU diese Maßnahme und was verspricht sie sich davon?

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Bild: stock.adobe
Mit Wirkung zum 6. Juli 2022 trat bereits eine EU-Verordnung in Kraft, die vorschreibt, dass bestimmte Kraftfahrzeuge mit fortschrittlichen Fahrerassistenzsystemen ausgestattet sein müssen. Die Regelung, die EU-weit Anwendung findet, bezog sich zunächst auf die Typprüfung neuer Fahrzeugmodelle abhängig von deren Klasse. Ein weiterer entscheidender Schritt folgt nun am 7. Juli 2024: Ab diesem Datum müssen alle neu zugelassenen Fahrzeuge serienmäßig mit diesen Systemen ausgestattet sein. 

Ziele der EU: Sicherheit für alle

Die Initiative zielt darauf ab, die Zahl der Verkehrsunfälle drastisch zu reduzieren. Laut EU-Statistik sind bis zu 95 Prozent aller Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen. Mit der Integration fortschrittlicher Fahrassistenzsysteme in Neuwagen hofft die EU-Kommission, diese Zahl signifikant zu verringern. Denn die Technologien können menschliches Versagen erkennen und korrigieren – und dies ist nämlich weiterhin eine der Hauptursachen für Verkehrsunfälle. Die EU geht davon aus, dass durch die verpflichtende Einführung der Assistenzsysteme bis 2038 über 25.000 Unfalltote sowie mindestens 140.000 Schwerverletzte in Europa verhindert werden können.

Pflichtsysteme ab Juli 2024: Technologie trifft Verkehrssicherheit
Folgende Assistenzsysteme werden in allen neuen Fahrzeugmodellen zur Standardausstattung gehören:

Notbremsassistent: Neu ist, dass dieser Assistent nun für alle Neufahrzeuge zur Pflicht wird. Er greift aktiv ein, um Kollisionen zu verhindern, indem er automatisch bremst, wenn der Fahrer nicht rechtzeitig reagiert. Das System arbeitet sowohl bei niedrigen als auch bei höheren Geschwindigkeiten und kann entscheidend dazu beitragen, Unfälle zu vermeiden oder zumindest deren Schwere zu reduzieren.

Aktiver Spurhalteassistent: Ab sofort müssen Neufahrzeuge mit einem System ausgestattet sein, das nicht nur warnt, wenn das Fahrzeug die Fahrspur unbeabsichtigt zu verlassen droht, sondern auch aktiv eingreift, um das Fahrzeug in der Spur zu halten. Der Assistent unterstützt vor allem auf langen Autobahnfahrten und hilft dabei, Unfälle durch abgelenkte oder müde Fahrer zu verhindern.

Müdigkeitserkennung: Zusätzlich dazu wird auch eine Müdigkeitserkennung, die durch Analyse des Fahrverhaltens Anzeichen von Ermüdung beim Fahrer feststellt und Warnhinweise gibt, zur Pflicht. Das System trägt dazu bei, die Aufmerksamkeit des Fahrers zu erhöhen und empfiehlt Pausen, wenn Zeichen von Müdigkeit erkannt werden.

Blackbox (Unfalldatenspeicher): Neu zugelassene Fahrzeuge müssen nun außerdem mit einem Unfalldatenspeicher ausgestattet sein, der wichtige Daten kurz vor, während und nach einem Unfall aufzeichnet. Diese Informationen können bei der Unfallrekonstruktion helfen und zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen.

Geschwindigkeitsassistent (ISA): Darüber hinaus wird der intelligente Geschwindigkeitsassistent, der den Fahrer über die aktuelle Geschwindigkeitsbegrenzung informiert und das Fahrzeug automatisch drosseln kann, zum Standard. Die Funktion unterstützt Fahrer dabei, Geschwindigkeitsbegrenzungen einzuhalten und das Risiko von Geschwindigkeitsübertretungen zu verringern.

Kopfaufprallschutz: Erweiterte Anforderungen an den Kopfaufprallschutz sollen Insassen bei Kollisionen zusätzlich schützen. Dies umfasst Verbesserungen bei der Innenraumgestaltung und bei Materialien, die darauf abzielen, Verletzungen bei Unfällen zu minimieren.

Notbremslicht: Dieses System aktiviert ein auffälliges Blinksignal bei einer Vollbremsung ab 50 km/h, um nachfolgende Fahrzeuge zu warnen und Auffahrunfälle zu verhindern. 

Rückfahrassistent: Der Rückfahrassistent, der den Fahrer beim Rückwärtsfahren unterstützt und vor Hindernissen warnt, wird ebenfalls zur Pflichtausstattung – er trägt dazu bei, Kollisionen beim Einparken oder Rückwärtsfahren zu vermeiden.

Notfall-Spurhalteassistent: Für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ist jetzt auch ein System erforderlich, das in kritischen Situationen automatisch eingreift, um das Fahrzeug sicher in der Fahrspur zu halten oder es zurückzuführen.

Reifendrucküberwachung: Die Pflicht für ein System zur Überwachung des Reifendrucks zielt darauf ab, den Fahrer über den Zustand der Reifen zu informieren. 

Totwinkelassistent:
Für mittelschwere und schwere Nutzfahrzeuge sowie Busse wird zudem der Totwinkelassistent Pflicht. Das System warnt den Fahrer vor Fahrzeugen im toten Winkel, was insbesondere beim Spurwechsel von großer Bedeutung ist und insbesondere Fahrradfahrer schützen soll, die sich im toten Winkel befinden.

Vorrichtung zum Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre: Alle Neufahrzeuge müssen nun zu guter Letzt mit einer Vorrichtung ausgestattet sein, die den Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre ermöglicht.

Die Technologien sollen nicht nur die Sicherheit der Fahrer und ihrer Mitfahrer erhöhen, sondern auch die der anderen Verkehrsteilnehmer, wie etwa Fußgänger und Radfahrer.

Betrifft die Pflicht auch mein altes Auto?
Doch gelten die neuen Vorschriften auch für ältere Fahrzeuge? Die kurze Antwort lautet: Nein. Die Pflicht zur Ausstattung mit den genannten Fahrassistenzsystemen betrifft ausschließlich Neufahrzeuge, die ab dem 6. Juli 2022 ihre Typgenehmigung erhalten haben – sowie eben alle Neuzulassungen ab dem 7. Juli 2024. Ältere Fahrzeuge, die bereits vor diesen Stichtagen zugelassen wurden, sind von der Regelung nicht betroffen.

Allerdings könnten Besitzer älterer Fahrzeuge durchaus Interesse daran haben, einige der Assistenzsysteme nachzurüsten, um die Sicherheit und den Komfort ihres Fahrzeugs zu erhöhen. Wichtig ist jedoch, dass nicht alle Systeme in allen Fahrzeugen nachträglich installiert werden können. Auch die Kosten hierfür können erheblich sein. Zudem ist es ratsam, sich vor einer Nachrüstung umfassend zu informieren und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass die Systeme korrekt funktionieren und den gesetzlichen Anforderungen entsprechen.

Wie zuverlässig sind die Fahrassistenzsysteme?
Mit dem Fortschritt der Technologie und der Integration der Fahrassistenzsysteme in Neufahrzeuge stellt sich die Frage: Wie verlässlich sind sie im Alltagsgebrauch?

Forschung und Praxis zeigen, dass moderne Fahrassistenzsysteme erheblich zur Verkehrssicherheit beitragen können. Sie nutzen fortschrittliche Sensoren, Kameras und Algorithmen, um die Umgebung des Fahrzeugs präzise zu erfassen und in Millisekunden Entscheidungen zu treffen, die menschlichen Reaktionen überlegen sein können. Beispielsweise kann ein Notbremsassistent in Situationen, in denen eine Kollision droht, schneller reagieren als ein Mensch. Ähnlich verhält es sich mit Systemen wie dem aktiven Spurhalteassistenten und der Müdigkeitserkennung, die kontinuierlich das Fahrverhalten überwachen und korrigierend eingreifen können, bevor es zu gefährlichen Situationen kommt. Allerdings sind die Systeme nicht komplett fehlerfrei. Ihre Effektivität kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden – darunter sind etwa schlechte Wetterbedingungen, mangelhafte Straßenmarkierungen oder Sensorverschmutzungen. Zudem besteht die Gefahr, dass sich Fahrer zu sehr auf die Technologie verlassen und ihre Aufmerksamkeit vom Verkehrsgeschehen abwenden, was die Sicherheitsvorteile dieser Systeme zunichtemachen kann.

Letztlich sollte man sich bewusst darüber sein, dass Fahrassistenzsysteme als Unterstützung dienen und nicht als Ersatz für aufmerksames Fahren. Die Technologie kann die Sicherheit auf den Straßen erheblich verbessern, erfordert aber eine verantwortungsvolle Nutzung seitens der Fahrer. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie die Technologien weiterentwickelt werden und inwiefern sie die Vision von sichereren Straßen verwirklichen können.

Welche Systeme sind in Zukunft noch denkbar?
Die rasanten Fortschritte in der Fahrzeugtechnologie und in der künstlichen Intelligenz lassen für die Zukunft noch innovativere Fahrassistenzsysteme erwarten. Es gibt einige vielversprechende Systeme und Technologien, die in den kommenden Jahren Realität werden könnten:

Autonomes Fahren: Während teilautonome Systeme bereits heute in einigen Fahrzeugen zu finden sind, arbeitet die Industrie daran, vollständig autonome Fahrzeuge zu entwickeln. Sie könnten das Fahren revolutionieren, indem sie menschliche Fehler vollständig eliminieren und eine effizientere, sicherere Verkehrsflussgestaltung ermöglichen.

Kommunikation zwischen Fahrzeugen (V2V): Fahrzeuge, die miteinander und mit der Infrastruktur kommunizieren können (Vehicle-to-Everything, V2X), könnten Unfälle vermeiden, indem sie Informationen über ihre Bewegungen, geplante Manöver und potenzielle Gefahren in Echtzeit austauschen.

Erweiterte Umgebungserfassung: Zukünftige Fahrassistenzsysteme könnten über noch leistungsfähigere Sensoren und Kameras verfügen, die eine 360-Grad-Erfassung der Umgebung ermöglichen. Sie wären etwa in der Lage, Fußgänger und Radfahrer noch besser zu erkennen und dadurch auch komplexe städtische Verkehrssituationen zu meistern.

Adaptive Verkehrsflusskontrolle: Systeme, die den Verkehrsfluss in Echtzeit analysieren und Fahrzeuge für eine optimale Verkehrsverteilung leiten können, würden nicht nur die Sicherheit erhöhen, sondern auch Staus reduzieren und die Umweltbelastung verringern.

FAZIT:
Die EU-Verordnung zu Fahrassistenzsystemen markiert eine weitere Verbesserung in Sachen Verkehrssicherheit. Betroffen davon sind alle Neuzulassungen ab dem 7. Juli 2024, darüber hinaus gilt die Regelung für alle Neufahrzeuge, die ab dem 6. Juli 2022 ihre Typgenehmigung erhalten haben. Die Assistenzsysteme gehen von Spurhalte- und Notbremsassistenten über Müdigkeitserkennung und Notbremslicht bis hin zu einem Kopfaufprallschutz sowie einer Black Box für das Auto zur besseren Aufklärung von Unfällen. |Text: Vera Mergle