FC Augsburg Identifikationsfigur: Jeffrey Gouweleeuw

2016 kam Jeffrey Gouweleeuw zum FCA Augsburg. Das Jahr, in dem am Lech europäisch gespielt wurde. Jetzt könnte es wieder soweit kommen und der Augsburger Innenverteidiger dann dabei für den FCA auflaufen. Marion Buk-Kluger traf den Niederländer und sprach mit ihm über Früher - Heute - Morgen.

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Seit acht Jahren Abwehrchef des FCA.Bild: Kolbert Press
Hallo Jeff, wie fühlst Du Dich zurzeit in Augsburg, und beim FCA?

Jeff: Sehr gut, ich habe mich immer sehr wohl gefühlt. Das ist wichtig, dass es nicht nur im Verein, sondern auch in der Stadt passt.

Jetzt durftest du kürzlich gegen Köln wieder die Kapitänsbinde tragen, weil eben alle anderen nicht auflaufen konnten bzw. Demi gesperrt war. Wie war dieses Gefühl für Dich, nach gut einem Jahr wieder in dieser Position?

Jeff: Sehr schön, es ist und es war immer eine Ehre, die Binde tragen zu dürfen. Es hat sich sehr Vieles in kurzer Zeit zum Positiven geändert, das freut mich.

Ich zitiere mal Trainer Jess Thorup, der immer sagt „So ist das!“ Es hat sich ja wirklich Vieles bei Dir gedreht. Da war die Vertragsverlängerung im Januar, bis zum 30.6.2025, mit Option zur weiteren Verlängerung. Kannst Du Dir vorstellen, hier in Augsburg Deine Karriere zu beenden?

Jeff: Ja, ich habe für ein Jahr plus Option auf ein weiteres Jahr unterschrieben. Gehen wir davon aus, dass ich das erfüllen würde, werde ich kurz danach fünfunddreißig Jahre alt sein. Je nachdem wie ich mich zu diesem Zeitpunkt körperlich fühle, und wenn ich weiterhin Lust auf Fußball habe, wird es weitergehen oder nicht.
Daher kann es sehr gut sein, dass ich hier meine Karriere beenden werde. Ich hoffe dies auch.

Für die Fans ist es ja immer sehr wichtig, wenn es Menschen wie Dich gibt, die sich hier auch verwurzeln, mit der Familie, dem Lebensumfeld. Aber natürlich kommst Du aus den Niederlanden, wohin Du eine Heimatverbundenheit hast. Ist daher jetzt schon der Gedanke im Raum, wo Du/Ihr einmal nach Karriereende Deinen/Euren Lebensmittelpunkt haben wirst/werdet.

Jeff: Auf jeden Fall, wir bleiben nach dem Karriereende hier in Augsburg, das steht für uns schon fest. Zwei von meinen vier Kindern sind in Augsburg geboren. Meine Frau ist aus Augsburg, die Kinder fühlen sich wohl, haben ihre Schule, ihre Fußballmannschaften, das Ballett, sie und wir haben Freunde hier. Meine Familie aus Holland kommt regelmäßig zu Besuch, es ist ja nicht so weit.

Weil Du eigene Freunde angesprochen hast. Kann man außerhalb des „Fußball-Zirkus“ überhaupt Freunde finden? Euer Leben ist ja sehr getaktet, schon allein durch die Saison?

Jeff: Es ist sehr schnelllebig im Fußball, man bleibt oft nicht lange an einem Ort, und es ist schwierig, feste Freunde zu finden. Aber ich bin mittlerweile schon über acht Jahre hier, dann ist es einfacher. Klar richtet sich unsere Planung nach der Saison. Wenn man Kinder hat, gibt es nur die Pfingstferien, in denen man gemeinsam etwas länger in den Urlaub fliegen kann. Es gibt aber auch sehr viele Vorteile in unserem Beruf, man hat im Vergleich zu vielen anderen
ein sehr gutes Leben. Es gibt wie bei Allem im Leben Vor- und Nachteile.

Wie ist Deine Verbindung zu Deinen alten Vereinen, gerade auch zu Deinem Heimatverein ADO ’20 in Heemskerk?

Jeff: Wenn meine Jungs in den Ferien die Großeltern besuchen, dann lasse ich sie dort mit trainieren, da sie gern Fußball spielen. Die Verbindung ist immer noch sehr gut. Es gibt dort auch eine Tribüne mit meinem Namen. Mein Vater sieht sich immer wieder Spiele an. Auch ich habe noch Kontakt zu einigen Leuten. Wenn wir zum Beispiel in Dortmund spielen, kommt der Präsident von ADO´20ins Stadion.
Kürzlich war zudem mein erster Profitrainer mit seiner Frau beim Heimspiel gegen Köln zu Besuch und wir konnten nach dem Spiel lange über alte Zeiten sprechen.
Er hat sich sehr gefreut, dass ich es in die Bundesliga geschafft habe und so gut mache. Ich bin damals mit fünfzehn in die Jugend des SC Heerenveen gewechselt und neben mir hat es nur noch ein weiterer Spieler als Profi geschafft. Ich verfolge schon noch, was meine alten Profi-Mannschaften machen, aber wie bereits angesprochen, der Fußball ist schnelllebig geworden, so dass kaum noch Spieler in den Teams spielen, mit denen ich zusammen aktiv war.

Warum glaubst du, dass Du es geschafft hast? Was sagst Du über Dich selbst, was hat es bei Dir ausgemacht?

Jeff: Wille, Mentalität und Charakter sind entscheidend. Klar, man muss Talent haben, aber nur damit allein schafft man es nicht. Es war damals für mich gar nicht einfach. Ich bin mit fünfzehn von meinen Eltern weg und wohnte bei einer Gastfamilie Das kann nicht jedes Kind. Jeden Tag fast zwei Stunden zum Training zu fahren, war aber nicht möglich, da meine Eltern auch berufstätig waren. Also bin ich den Weg gegangen. Dabei musste man auch Nein sagen können, egal was andere sagen oder über dich denken, vor allem wenn die Freunde am Wochenende unterwegs waren. Man muss stark sein und den eigenen Weg verfolgen. Und das habe ich immer gemacht.

Was war es noch, neben Glück natürlich, dass man sich nicht verletzt?

Jeff: Auch Glück gehört dazu, es hängt jedoch auch davon ab, wie man mit seinem Körper umgeht. Man muss auch Trainer haben, die dein Potential sehen und die dir deinen Einsatz gönnen. Ich habe das gehabt, ob es jetzt Glück ist oder man es erarbeitet hat? Es ist immer eine Kombination aus beidem?

Gab es bei Dir parallel eine Schul- oder Berufsausbildung, oder lag die Konzentration komplett auf Fußball?

Jeff: Das Schulsystem ist ein bisschen anders in Holland. Ich habe noch ein Jahr die Schule besucht, beendet und dann alles auf den Fußball gesetzt. Meine Mutter war damals nicht so glücklich damit, mein Vater war lockerer. Letztlich hat es ja geklappt.

Wenn Du jetzt wie beim Spiel gegen Hoffenheim mitbekommst, dass Mert (Kömür) sein erstes Bundesligaspiel spielen kann, hat Dich das an den Moment erinnert, als Du am 2. April 2011 in der Eredivisie (niederländische erste Liga) selbst debütiert hast?

Jeff: Ja, mein Debüt war gegen Excelsior Rotterdam, wir haben leider verloren. Aber ich werde mich immer daran erinnern, auch dass die Familie natürlich voller Stolz auf der Tribüne saß und sich so freute. Dafür hat man alles mehr oder weniger aufgegeben. Das war ein sehr schöner Moment. Und sicher auch für Mert. Trotzdem ist es erst der Anfang.

Zurück zur Gegenwart. Auf welcher Position fühlst Du Dich eigentlich am wohlsten? Und warum hat man den Eindruck, dass das beim FCA mit der 3er respektive 5er-Kette nicht so klappt?

Jeff: In diesem Spiel gegen Hoffenheim hat es vielleicht nicht so gut geklappt, aber ich weiß nicht, ob das am System lag und ich kann mich auch an Spiele erinnern, in denen es sehr gut funktioniert hat.
Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mit zwei Innenverteidigern spielen, da ich in Holland so ausgebildet wurde, entsprechend aus der Jugend gewohnt bin und am meisten gespielt habe. Dennoch bin ich der Meinung, dass man flexibel sein und beide Systeme können muss.
Jetzt war es aus der Not heraus, wir hatten nicht viel Vorbereitungszeit, um das zu üben. Wichtig aber ist unsere Reaktion darauf, was wir in der zweiten Halbzeit gezeigt haben. Dass wir nicht aufgeben. Trotzdem haben wir uns nach dem Spiel über die Niederlage geärgert.

Ist Dir bewusst, dass Du für die Fans schon eine Identifikationsfigur bist?
Deine Verlängerung kam sehr gut an.

Jeff: Die Freude habe ich natürlich wahr genommen, das hat mir sehr gut getan, wenn man so viel Freude von den Fans spürt, weil ich geblieben bin und dann am Ende sogar nochmal der Vertrag verlängert wurde. Das macht mich stolz, dass viele FCA-Fans mich so sehen.

Beim FCA gibt es demnächst gegen Bremen den Traditionsspieltag in Erinnerung an die erfolgreiche Saison 1973/74. Wie viel weißt Du von der Historie des Vereins?

Jeff: Immer mehr. Am Anfang ist man fokussiert auf Fußballspielen. Je länger du da bist, desto mehr Interesse kriegst du natürlich für den Verein, und auch für die ganze Stadt.

Etwas, was eben auch mit der Historie zu tun hat, ist das Thema Europa.
Der Club, die Fans, die Leute freuten sich so. Es war auch die Saison, in der Du mit Alkmaar europäisch gespielt hast.

Jeff: Ich bin mit Framberger der Einzige im Kader, der Europa-League in Augsburg kennt. Das Spiel gegen Liverpool habe ich im Stadion verfolgt, konnte aber nicht spielen, da ich bereits mit Alkmaar gegen Augsburg in der Gruppenphase gespielt hatte. (Anmerkung der Redaktion: Bevor er im Januar 2016 zum FCA wechselte.)

Noch ist es nicht ausgeschlossen, dass es ein weiteres Mal klappt.

Jeff: Wir haben uns die Punkte selbst erarbeitet, wir stehen nicht auf dem siebten Platz, weil uns das andere Mannschaften geschenkt haben. Wir haben es uns verdient und müssen alles dafür tun, um punkten…Es wäre ein Highlight, international zu spielen. Ich habe das damals mit meiner Mannschaft in Holland erleben dürfen. Diese Momente werde ich nicht vergessen, als ich mit Alkmaar zum Beispiel gegen Benfica gespielt habe.