Hochkarätige Referenten sprechen im Klinikum Memmingen über Therapiemethoden

Wenn Kinder bereits vor der Geburt operiert werden

Noch ungeborene Kinder mit einer schweren Rückenmarksschädigung, im Volksmund „offener Rücken“ genannt, können heutzutage bereits im Mutterleib operiert werden, um spätere körperliche Behinderungen zu vermeiden. Über diese Operationen am Lebensanfang und weitere Krankheiten im Früh- und Neugeborenenalter sprachen hochkarätige Referenten beim Herbstsymposium des Perinatalzentrums Allgäu unter Federführung des Klinikum Memmingen

Kinder mit einer schweren Rückenmarksschädigung sind zum Teil ihr Leben lang an den Rollstuhl gefesselt, weil sie ihre Beine nicht oder nur sehr unzureichend bewegen können. Solche Kinder können heute bereits im Mutterleib operiert werden, um so ihre mentale und motorische Entwicklung signifikant zu verbessern und auch die Sterblichkeitsrate dieser Kinder zu verringern. Dabei werden, wie die Heidelberger Kinderneurochirurgin, Privatdozentin Dr. Heidi Bächli, erklärte, in einer hochkomplexen Operation der Bauch der Mutter sowie die Gebärmutter geöffnet und der Spalt in der Wirbelsäule des ungeborenen Kindes verschlossen. „Das Gewebe dieser Kinder ist extrem dünn. Wir müssen dabei mit Fäden nähen, die man nur unter dem Mikroskop sieht“, schilderte Bächli, die mittlerweile zehn solcher Kinder operiert hat. „Dieses Verfahren ist mir eine Herzensangelegenheit, denn dadurch können wir die Lebensqualität der Kinder erheblich verbessern“, betonte Bächli, ohne die Risiken der Operation wie eine Frühgeburt zu verneinen.

Der Ductus

Oberarzt Dr. Bernd Beedgen von der Neugeborenen-Intensivstation des Universitätsklinikums Heidelberg informierte über Neu- und Frühgeborene, bei denen sich der Ductus, also die Verbindung zwischen Lungenschlagader und Körperschlagader, die im Kreislauf des ungeborenen Kindes normal und lebensnotwendig ist, nach der Geburt nicht automatisch verschließt. Über den Ductus wird im Mutterleib das Blut aus der rechten Herzkammer unter Umgehung der Lunge in die Körperschlagader gepumpt. Normalerweise verschließe sich bei reifen Neugeborenen dieser Ductus innerhalb von Stunden bis Tagen nach der Geburt von selbst. Bei sehr unreifen Frühgeborenen bleibe er dagegen in vielen Fällen offen. „Es gibt Kinder, die tolerieren diesen offenen Ductus ohne negative Folgen, bei anderen wiederum treten schwere Komplikationen auf, wie Lungen- oder Hirnblutungen, spastische Bewegungsstörungen bis hin zu erhöhter Sterblichkeit“, so Beedgen. Deswegen sei es wichtig, diese Risikokinder schon sehr früh zu identifizieren.

„Bei Kindern, die erst fünf Stunden alt sind, kann man schon ziemlich genau vorhersagen, welches Probleme bekommen wird und welches nicht“, erklärte Beedgen, der sich dabei der Blutdruckmessung und einer Ultraschalluntersuchung des Herzens bedient. Therapiert, also verschlossen, könnte der Ductus mit Hilfe von hochdosierten Medikamenten werden, die zwar zu einer vorübergehenden Einschränkung der Nierenfunktion führen würden, „aber nicht zu einer dauerhaften Niereninsuffizienz“. Auch hätten die Kinder keine langfristigen, negativen Folgen dieser Hochdosistherapie. Hingegen kann das Offenbleiben des Ductus überlebensnotwendig sein für Neugeborene mit kritischen Herzfehlern, wie Kinderkardiologe Prof. Dr. Markus Khalil vom Universitätsklinikum Gießen erklärte. „Denn mit Verschluss des Ductus verschlechtert sich meist der Zustand eines Neugeborenen oder wird sogar lebensbedrohlich“, so Khalil, der über die Behandlung kritischer Herzfehler im Früh- und Neugeborenenalter referierte. „Zum Überleben dieser Kinder ist oft ein chirurgischer Eingriff oder ein Eingriff mittels Katheter notwendig“, so der Oberarzt.

Der optimale Nahrungsaufbau

Prof. Dr. Johannes Pöschl, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neonatologie am Universitätsklinikum Heidelberg, informierte die anwesenden Kinderärzte über den optimalen Nahrungsaufbau bei extrem kleinen Frühgeborenen Kindern. Denn bei diesen extrem kleinen Kindern bestehe die Gefahr, dass bei einem zu schnellen Aufbau der Nahrung der noch unreife Darm durchbreche. Pöschl plädiert deswegen für einen „langsamen, aber dafür sicheren Nahrungsaufbau, um den Darm nicht zu sehr zu belasten“. Dann seien zwar die Kinder meistens etwas länger in der Klinik, aber dafür sei auch die Überlebensrate höher. „Wir schauen die Kinder an und lassen ihnen Zeit, sich langsam zu entwickeln“, so Pöschl. „Ich glaube, die Kinder danken uns das.“ Wichtig sei es, „immer das gesamte Kind zu sehen und nicht nur einen Baustein“.