„Hochzeit auf den ersten Blick“ - Was die Expertin Ingrid Strobel dazu sagt
Liebe auf den zweiten Blick – kann das gelingen? Laut einer aktuellen, bevölkerungsrepräsentativen forsa-Umfrage im Auftrag von SAT.1 würden 94 Prozent der Befragten zumindest nicht das Gegenteil behaupten.
Acht Kandidaten legten ihre Partnersuche in fremde Hände und vertrauten auf ein wissenschaftliches Matching. Experten wählten den jeweils geeignetsten Partner aus und schickten das Paar direkt vor den Traualtar – erst als Vermählte lernten sie sich besser kennen. Zwar wäre es für 98 Prozent aller Befragten undenkbar, den zukünftigen Ehepartner auf diese Weise kennenzulernen, dennoch glaubt jeder Vierte an ein Gelingen des Experiments.
Die Experten stellten nach intensiven Prüfprozessen vier Paare zusammen, bei rund 7.000 Bewerbern war das gar nicht so einfach. Auf dem Standesamt trafen die Bindungswilligen dann zum ersten Mal aufeinander und gaben einander das Ja-Wort. Erst nach der rechtskräftigen Eheschließung hatten sie die Möglichkeit, sich kennenzulernen. „Wir haben nicht einfach zwei Menschen zusammengewürfelt und zugesehen, wie sie zurechtkommen. Unsere Intention war es vielmehr, Personen zu finden, die in bestmöglicher Form zusammenpassen. Deshalb haben wir soweit wie möglich alle Chancen der Persönlichkeits- und Beziehungsanalyse ausgeschöpft", so die Paartherapeutin Ingrid Strobel – Teammitglied von „Hochzeit auf den ersten Blick“ – dazu.
Das ungewöhnliche Beziehungsexperiment dokumentiert das nähere Kennenlernen im Alltag, begleitet die frisch Vermählten in die Flitterwochen und stellt sie nach sechs gemeinsam verbrachten Wochen schließlich vor die Entscheidung: zusammen bleiben oder scheiden lassen?
Wir haben Ingrid Strobel, eine der vier Experten, getroffen und mit ihr sowohl über die Sendung, als auch über das Thema „Liebe“ gesprochen. Sie ist Paar- und Burnouttherapeutin sowie diplomierte psychologische Beraterin. Außerdem hat sie eine eigene Praxis für Psychotherapie und Coaching in Horgau bei Augsburg.
Welche Rolle spielen Sie genau beim Experiment "Hochzeit auf den ersten Blick"?
Ingrid Strobel: Ich gehöre zu den Experten und meine Aufgabe ist es, jede Menge psychologische Testverfahren durchzuführen und anschließend auch auszuwerten. Natürlich war ich auch jeder Zeit als Ansprechpartnerin für die Singles zuständig, um ihnen zu helfen, falls es Probleme gab.
Wie war Ihre Reaktion, als Sie das erste Mal von diesem Experiment gehört haben und von SAT1 angesprochen wurden?
Zunächst war ich sehr kritisch, da das Ganze ja auch ziemlich an den Werten der Liebesheirat kratzt. Aber durch längeres Nachdenken wurde mir bewusst, dass es vor allem um diese Verbindlichkeit geht, die letztendlich durch eine Heirat gegeben wird. Selbstverständlich wissen wir als Experten, dass es besonders schwierig ist und auch kontrovers diskutiert wird, aber man sollte nicht vergessen, dass es die Liebesheirat erst seit etwa 100 Jahren gibt. Zuvor sprach man von einer Zweckheirat und diese Ehen hielten übrigens länger als die heutigen. Mittlerweile ist es leider so, dass recht schnell der Partner ausgewechselt wird, wenn er nicht perfekt erscheint.
Glauben Sie selbst an „Liebe auf den ersten Blick“?
Nein, das gibt es nicht. Es gibt zwar ein „verliebt sein auf den ersten Blick“, aber viele Leute verwechseln das heutzutage gerne mit wahrer Liebe. Liebe bedeutet, dass man freundschaftlich verbunden ist und gleichzeitig zusammen durch dick und dünn geht. Wenn man verliebt ist, ist man eher nicht zurechnungsfähig. Sobald das Kribbeln nachlässt, sieht alles ganz anders aus.
Was für psychologische Testverfahren nutzen Sie beim Experiment?
Auf der einen Seite spielen vor allem die klinischen Tests eine wichtige Rolle, um zu sehen, ob jemand psychisch gesund ist. Wir können ja nicht einfach irgendwelche Singles matchen, wenn von vornherein bestimmte psychische Probleme da sind. Auf der anderen Seite gibt es neben anderen Tests noch einen emotionalen Kompetenztest, um zu sehen, ob man seine eigenen Emotionen erkennt und wie man mit ihnen umgeht. Dazu gehört aber auch, ob man die Emotionen anderer Personen erkennt, denn schließlich ist es nicht selbstverständlich zu erkennen wie es jemandem geht. Ein weiteres Beispiel wäre der genetische Test. Man sagt, es gibt so etwas wie einen Immungeruch, also unseren ganz persönlichen Geruch. Kommt es nun vor, dass man jemand nicht riechen kann, dann liegt das meistens daran, dass das Immunsystem des Anderen nicht zu unserem passt. Je weiter ein Immunsystem vom eigenen abweicht, umso besser passt man körperlich zusammen. Und je kompatibler die Menschen am Ende sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie eine gute Beziehung führen. Natürlich gibt es auch Bereiche, wo Unterschiede da sind. So können sich die Partner ergänzen und es macht das Ganze ein wenig spannender.
Gibt es den perfekten Partner?
Nein, auf keinen Fall. Es gibt keinen perfekten Menschen, daher kann es auch keinen perfekten Partner geben. Schließlich soll es ja auch ein bisschen spannend bleiben. (lacht)
Was sind die Erfolgsfaktoren für eine perfekte Beziehung?
Man sollte am besten dieselben Ziele und Werte verfolgen. Wenn einer Kinder möchte, der andere aber nicht, dann ist das oft eine unüberwindbare Belastung für die Beziehung. Ebenso wichtig ist die Kommunikationsfähigkeit. Grundsätzlich sollte man also gleiche Wertvorstellungen, gleiche Moralvorstellungen, Interessen und Ziele verfolgen, aber sich trotzdem gegenseitig immer noch ein wenig Freiraum gewähren.
Woran liegt es, dass so viele Beziehungen scheitern?
Meiner Meinung nach, liegt es daran, dass wir in einer sehr nazistischen Gesellschaft leben. Die Ansprüche an einen Partner sind heutzutage extrem hoch, die Frustrationsgrenze aber extrem niedrig. Wir wollen den perfekten Partner haben, der zudem mit unseren Schwächen nachsichtig ist. Und dafür möchten wir uns auch nicht anstrengen müssen. Funktioniert das nicht in dieser Form, dann wird die Beziehung aufgelöst oder der Partner gleich ausgetauscht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Wie sieht es beim Experiment aus?
Leider trennten sich drei Paare, nur ein Paar blieb zusammen: Bea und Tim. Sie wünschen sich eine gemeinsame Zukunft und sind sogar schon zusammen in eine neue Wohnung gezogen.